Redaktionelle Bearbeitung

Der Artikel wurde ursprünglich verfasst von: Hans Werner Rodrian

Revisionen

Bearbeitung: Hans Werner Rodrian
Datum und Uhrzeit: 2024-10-18 16:37:47
Inhalt der Änderung

Jede von uns hatte schon mal eine Schreibblockade. Keiner ist frei davon, auch mal ein unterdurchschnittliches Stück zu produzieren. Aber wir können daran arbeiten, dass das immer seltener passiert. Denn journalistisches Schreiben ist keine Kunst, sondern Handwerk.

Und dieses handwerkliche Können lässt sich optimieren, um selbst in schwieriger Lage den Restart zu schaffen. Natürlich wird der Markt immer enger. Aber wer zuverlässig handwerklich ordentliche Stücke produziert, nicht jedes zweite an die Wand fährt und sich beim Recherchieren und Texten nicht verzettelt, der bleibt obenauf, wenn andere längst unter Wasser sind.

Viel zu viele von uns wissen selbst nicht recht, wie ihre Artikel entstehen. Sie kauen an Bleistiften, machen Notizen auf Blöcken und hoffen, dass sie irgendwann in den Flow kommen und ihre Geschichte dann wie von selbst entsteht.

Das ist keine gute Basis. So wird man zum Alkoholiker.

Zehn Tipps, besser zu schreiben:  

  1. Schreibe zumindest bei größeren Texten nicht drauflos, sondern überlege dir vorher eine Struktur: erst Arbeitstitel und Teaser, dann Einstieg, dann Schluss und dazwischen die zentralen Argumente oder Stationen. So hast du einen Fahrplan und behältst die Hauptroute im Blick, anstatt dich in irgendwelchen Sackgassen zu verzetteln.  
  2. Auf Basis dieser Hauptroute recherchierst du. Und du hältst deine Recherche-Ergebnisse detailliert fest. Dann kannst du später aus dem Vollen schöpfen. Wichtig: Lass dir beim Recherchieren immer auch Raum offen für Unvorhergesehenes. Es sind ja diese Überraschungsmomente, die am Ende das Salz in der Suppe ausmachen. Extratipp: Wenn du weniger als 25 Prozent Überraschendes gefunden hast, dann lohnt es sich vielleicht, noch mal zu suchen. 
  3. Aus den Rechercheergebnissen übernimmst du Stichwörter und Bestandteile in den Rohtext, der sich dadurch aufbaut. Wenn du vorher bereits einen groben Fahrplan des Texts skizziert hast, dann stehen die Recherchen jetzt schon mal in der richtigen Reihenfolge. 
  4. Und sobald du die Fakten beieinander hast, schreibst du das Stück oder zumindest den Absatz runter. Dabei gilt: Verständlichkeit vor Genialität, klare Ausdrucksweise vor Formulierungslust. Und: das Wichtigste nach vorn. Denn was hast du davon, wenn du dein Feuerwerk erst zündest, wenn drei Viertel der Leser längst abgesprungen sind? 
  5. Gleiche bereits beim Schreiben und später beim Durchlesen (du liest doch jeden fertigen Artikel noch mal ganz durch oder etwa nicht?) Titel, Teaser, Kernaussage und Hauptpunkte aufeinander ab. Bist du auf der Hauptroute geblieben? Gibt es vielleicht eine bessere Szene für diesen Gedanken? Stimmen die Längen der einzelnen Absätze? 
  6. Nachdem der Artikel fertig und abgegeben ist: Gleiche ihn mit der späteren Veröffentlichung ab und lerne auf diese Weise von den Redigierenden (macht niemand gern, hilft aber ungemein).
  7. Bilde Redigierzirkel mit anderen guten Schreibern.
  8. Begreife schreiberische Kritik als wichtige Hilfestellung und nicht als persönliche Kränkung.
  9. Such dir die besten Schreiber in deinem Bereich und seziere ihre Texte. Leiste dir die Zeit, täglich andere gute Texte zu lesen und zu analysieren. Tipp: Texte, die Journalistenpreise gewonnen haben, sind da ein guter Einstieg.
  10. Lerne von dir selbst. Wie ist es dir neulich gelungen, diesen einen guten Text zu schreiben? Was davon ist wiederholbar?  

Schneller schreiben

Ich bewundere sie noch heute: die Reporter (es waren eigentlich immer Männer) aus der vordigitalen Zeit, die mit dem Papst unterwegs waren oder in irgendeinem Krieg. Und kaum kamen sie an ein Telefon, riefen sie in der Redaktion an und diktierten ihre Reportage nur von ihrer Kladde gestützt durch. Heute diktieren die wirklich schnellen Sport- oder Politikreporter wieder,  sie sprechen ihre Berichte ins Textprogramm. Wie machen sie das nur? Mit viel Routine, aber auch mit einer Reihe von Tricks. Auch wenn du (wie ich) lieber tippst als sprichst, kannst du dir ein paar Turbo-Tipps aneignen. Denn jede Minute, die du schneller schreibst, bist du früher fertig. 

Starte mit der Kernaussage. Die darf sich nicht erst beim Schreiben ergeben. Packe sie in einen Arbeitstitel und einen Arbeitsteaser und in einen Arbeitsvorspann. Der Trick sorgt dafür, dass du nicht stundenlang auf die geniale Eingebung wartest, sondern gleich vom Fleck kommst. Und dann, während du am Text arbeitest, stets auch die Titelei verbesserst.

Nutze Textgerüste. Erfahrene Schreiber haben immer mehrere Varianten von Textgerüsten in der Hinterhand. Ein Klassiker ist das Feature, in dem sich Szenen und Aussagen abwechseln bzw. aufeinander aufbauen. Die Szene wird zum Beleg, aus dem die Aussage folgt. Oder umgekehrt. Ein anderer Typ ist die Reportage, in der du aus zwei (oder mehr) Handlungssträngen einen Zopf flechtest. Die Gerüste sind vielleicht andere, wenn du Fußball-Reporterin oder Social-Media-Spezialist bist, Lokalvideos drehst oder Interviews führst - aber es gibt sie eigentlich immer.  

Lieber Satzfetzen als gar nichts. Es fließt gerade nicht? Dann schreibe halbe Sätze, Stichwörter, Gedanken nieder. Und mache dann mit dem nächsten Absatz weiter, der dir gerade leichter fällt. Niemand schreibt dir vor, dass du den Text in der Lesereihenfolge geschrieben haben musst. Oft geht genau der Knoten, den du gerade hast, beim nächsten Anlauf ganz einfach auf. Oder du stellst fest, dass du sowieso keinen Platz mehr für diesen komplizierten Gedanken hast. Tipp: Schraube deine Ansprüche an den ersten Entwurf herunter. Bei der Überarbeitung erhöhst du sie dann.

Umfänge einteilen. Schreibe nichts, was hinterher doch nicht gebraucht wird. Wenn 10.000 Zeichen bestellt sind, ziehst du je 1000 Zeichen für Einstieg und Schluss ab und teilst den Rest durch deine 5 Hauptgedanken. Dann weißt du, dass ein Gedanke in 1600 Zeichen abgearbeitet sein muss. Oder du musst einen Gedanken opfern. 

Schreibe einfach weiter. Du hast dir ja sicher (siehe oben, Besser schreiben) vor dem Start des Fließtexts stichpunktartig drunter deine Hauptgedanken und eine Idee für den Schluss geschrieben. Wenn du jetzt bei Punkt zwei hängst, dann schreibe einfach bei Punkt drei weiter. Meistens löst sich dann der Knoten weiter oben auf (nicht selten warst du oben schon in einer Sackgasse).

Versuche es kürzer. Noch kürzer. Viel kürzer. Ziemlich oft wird in der Mitte des Texts der Platz knapp. Und es gibt bei Hektik und Stress nichts Unnötigeres, als Text zu schreiben, der nachher doch wieder gestrichen werden muss. Konzentriere dich also in einem ersten Durchlauf auf das absolut Unumgängliche. Und alles Hübsche, Nette, Lustige bleibt vorerst in einem Reserveblock. Das macht den Text geradliniger und du bist viel schneller durch. Wenn du dann noch Platz hast, dann ergänze Ideen aus deinem Reserveblock.

Extra-Übung: Erinnerst du dich noch an die alten Reporter, die ihre Texte aus dem Stegreif diktierten? Probier doch die Steigerung davon: Du erzählst (vor dem Texten!) deinem Partner (oder deinem Smartphone) in einer Minute die Geschichte. Das führt zwingend zum Kern des Themas. Und dazu, den Beitrag schnell und erfolgversprechend bei möglichen Auftraggebern zu pitchen. 

Sicherer schreiben

Du kannst die größten Stars unserer Branche fragen: Auch sie haben nicht jedes Projekt erfolgreich zu Ende geführt. Aktuelle Beiträge sind unter Zeitdruck völlig in die Hosen gegangen (dagegen helfen die Tipps im vorigen Absatz), Stücke mit weniger Zeitdruck sind nie entstanden bzw. lungern halbfertig in diesem räudigen Laptop herum. Wie gelingt es dir, ein Schreibprojekt sicher zum Erfolg zu führen? Hier folgen ein paar Vorschläge. 

1. Trenne den Gliederungs-, Recherche- und Schreibprozess nicht voneinander. Integriere alle drei. Beginne mit dem Schreiben im Kopf und auf deinem Laptop, sobald du den Auftrag erhalten hast, und zwar während der gesamten Recherche.

2. Finde deinen Schwerpunkt vor Ort. Kämpfe um ihn. Wenn du wartest, bis du an deinen Schreibtisch zurückkehrst, und dann erst ermittelst, worum es in deiner Geschichte wirklich gehen wird, dann kannst du nicht mehr zurückgehen, um dir das Fehlende zu holen, die Geschichte rund zu bekommen. Oder es wird dich zumindest unnötig viel Zeit kosten.

3. Kommentiere deine Notizen, während du sie machst: "Möglicher Einstieg", "Anschlussgedanke an...", "Hier fehlt noch ein Zitat". Halte auch Absätze fest, die du noch gar nicht hast: "Für welche größere Geschichte steht dieses Detailthema?", "Statistik", "Vorgeschichte", "Einschätzungen von Beteiligten".

4. Du musst deinen Text doch kurzfristig noch umwerfen? Dann kritzele auch bei aller Hektik erst mal einen neuen Fünf-Punkte-Plan auf einen (gern digitalen) Notizzettel. Die kurze Zeit, die du dafür brauchst, wird dir am Ende wertvolle Zeit sparen. 

5. Fasse dich kurz. Oder anders gesagt. Baue erst mal eine Gartenhütte, die für sich steht - mit Fundament, Wänden und Dach. Danach baust du hier eine Veranda an und dort einen Garage und schließlich noch ein zweites Geschoss. Das ist sicher und geht auch viel leichter, als gleich eine Kathedrale errichten zu wollen. Das ist überhaupt ein Anfängerfehler: zu erwarten, es werde ein Problem, den Platz zu füllen. Es geht am Ende eigentlich immer darum auszuwählen. 

6. Bei einem zeitkritischen Thema (etwa einer Wahlberichterstattung) kannst du für ein Ergebnis planen ("Trump gewinnt wie erwartet") und dir ein anderes als Option offen halten ("Kamala schafft das Wunder"). Du wirst dich wundern, wie viele Absätze gleich bleiben können, auch wenn der Handlungsbogen plötzlich eine unerwartete Wendung nimmt.

7. Halte dich zunächst an maximal drei Hauptquellen. Viele Textende haben bei großen Geschichten oft uferlos viel Recherchematerial, in dem sie sich leicht verheddern. Wenn das der Fall ist: entscheide dich für ein paar Hauptquellen. Und checke dann erst, was noch fehlt. Tipp: Von manchen nicht ganz zentralen Recherchen verabschiedest du dich leichter, wenn du sie als Start eines zweiten Textes zur Seite legst.

8. Vorsicht vor deinen Lieblingsformulierungen. Bei diesem einen Absatz warst du so gut im Flow und es klingt auch alles richtig gut - dummerweise führen dich gerade solche Absätze gern aufs Abstellgleis. Lass dich nicht von deiner Wortklingelei verführen. Und wenn du nicht selbst entscheiden kannst, lass es einen Freund tun. 

9. Bleibe dran! Jeder kennt diese unteren Bereiche von Todo-Listen, in denen seit Wochen und Monaten das Unerledigte hängt. Und vieles fällt irgendwann hinten runter. Das ist natürlich das Unbefriedigendste: sich erst viel Arbeit gemacht zu haben und am Ende alles in die Tonne zu treten. Bemühe dich deshalb, nur weniger anzugehen und wenigstens eine Dreiviertelstunde am Tag dran zu bleiben. hast du es einmal eine Woche abgebrochen, dann wird es in aller Regel nichts mehr.     

Unverwechselbarer schreiben

Warum? Weil Standard schon bald aus der Maschine kommen wird. Wir werden uns an Texte gewöhnen, bei denen ein Mensch nur die Stichwörter gepromptet und am Ende einmal drüber geschaut hat. Umso wichtiger ist es, dass deine Schreibe einzigartig wird. Wie?

  • Kopiere nicht (auch nicht die Üblichkeiten deiner Redaktion), sondern vertraue auf deine eigene Kreativität. 
  • Mache es wie die Künstler: Baue Leben, Emotion, Empathie in deine Stücke ein. 
  • Erlaube dir, variabel zu sein, auf deine und die Stimmungslagen der Lesenden zu reagieren.
  • Brich bewusst ab und zu die Erwartung. Damit schaffst du deinen eigenen Stil – das wird ein Computer nie können.  
  • Sei authentisch und gib deinen Texten die persönliche Note, die die Lesenden an dich erinnert.
  • Habe Mut. Trau dich, Wörter und Redewendungen zu erfinden. Nicht zehn pro Artikel, aber gern mal, wenn es nichts wirklich Passendes gibt oder dich die Muse küsst. Die deutsche Sprache mit ihren zusammengesetzten Substantiven ist da perfekt geeignet.
  • Spiele außer mit der Schreibe auch mit den Darstellungsformen. Ein Ansatz dafür ist die Verschmelzung zweier Darstellungsformen, etwa Feature und Interview. Ein anderer der Blick auf junge Medien und die Adaption für deine Textformen. Welche Entsprechung könnten z.B. Reels in deinen Reportagen finden?  
  • Verwechsle Kreativität nicht mit fehlendem Handwerk. Nur wer den Standard beherrscht, wird sich dauerhaft vom Einerlei absetzen.

Okay: Individualität führt vermutlich nicht zum schnellen Zusatzverdienst. Aber sie dürfte auf Dauer ein oder sogar das wichtigste Mittel sein, damit du auch in Zeiten von KI journalistisch überlebst.


Bearbeitung: Hans Werner Rodrian
Datum und Uhrzeit: 2024-10-18 16:33:07
Inhalt der Änderung

Jede von uns hatte schon mal eine Schreibblockade. Keiner ist frei davon, auch mal ein unterdurchschnittliches Stück zu produzieren. Aber wir können daran arbeiten, dass das immer seltener passiert. Denn journalistisches Schreiben ist keine Kunst, sondern Handwerk.

Und dieses handwerkliche Können lässt sich optimieren, um selbst in schwieriger Lage den Restart zu schaffen. Natürlich wird der Markt immer enger. Aber wer zuverlässig handwerklich ordentliche Stücke produziert, nicht jedes zweite an die Wand fährt und sich beim Recherchieren und Texten nicht verzettelt, der bleibt obenauf, wenn andere längst unter Wasser sind.

Viel zu viele von uns wissen selbst nicht recht, wie ihre Artikel entstehen. Sie kauen an Bleistiften, machen Notizen auf Blöcken und hoffen, dass sie irgendwann in den Flow kommen und ihre Geschichte dann wie von selbst entsteht.

Das ist keine gute Basis. So wird man zum Alkoholiker.

Zehn Tipps, besser zu schreiben:  

  1. Schreibe zumindest bei größeren Texten nicht drauflos, sondern überlege dir vorher eine Struktur: erst Arbeitstitel und Teaser, dann Einstieg, dann Schluss und dazwischen die zentralen Argumente oder Stationen. So hast du einen Fahrplan und behältst die Hauptroute im Blick, anstatt dich in irgendwelchen Sackgassen zu verzetteln.  
  2. Auf Basis dieser Hauptroute recherchierst du. Und du hältst deine Recherche-Ergebnisse detailliert fest. Dann kannst du später aus dem Vollen schöpfen. Wichtig: Lass dir beim Recherchieren immer auch Raum offen für Unvorhergesehenes. Es sind ja diese Überraschungsmomente, die am Ende das Salz in der Suppe ausmachen. Extratipp: Wenn du weniger als 25 Prozent Überraschendes gefunden hast, dann lohnt es sich vielleicht, noch mal zu suchen. 
  3. Aus den Rechercheergebnissen übernimmst du Stichwörter und Bestandteile in den Rohtext, der sich dadurch aufbaut. Wenn du vorher bereits einen groben Fahrplan des Texts skizziert hast, dann stehen die Recherchen jetzt schon mal in der richtigen Reihenfolge. 
  4. Und sobald du die Fakten beieinander hast, schreibst du das Stück oder zumindest den Absatz runter. Dabei gilt: Verständlichkeit vor Genialität, klare Ausdrucksweise vor Formulierungslust. Und: das Wichtigste nach vorn. Denn was hast du davon, wenn du dein Feuerwerk erst zündest, wenn drei Viertel der Leser längst abgesprungen sind? 
  5. Gleiche bereits beim Schreiben und später beim Durchlesen (du liest doch jeden fertigen Artikel noch mal ganz durch oder etwa nicht?) Titel, Teaser, Kernaussage und Hauptpunkte aufeinander ab. Bist du auf der Hauptroute geblieben? Gibt es vielleicht eine bessere Szene für diesen Gedanken? Stimmen die Längen der einzelnen Absätze? 
  6. Nachdem der Artikel fertig und abgegeben ist: Gleiche ihn mit der späteren Veröffentlichung ab und lerne auf diese Weise von den Redigierenden (macht niemand gern, hilft aber ungemein).
  7. Bilde Redigierzirkel mit anderen guten Schreibern.
  8. Begreife schreiberische Kritik als wichtige Hilfestellung und nicht als persönliche Kränkung.
  9. Such dir die besten Schreiber in deinem Bereich und seziere ihre Texte. Leiste dir die Zeit, täglich andere gute Texte zu lesen und zu analysieren. Tipp: Texte, die Journalistenpreise gewonnen haben, sind da ein guter Einstieg.
  10. Lerne von dir selbst. Wie ist es dir neulich gelungen, diesen einen guten Text zu schreiben? Was davon ist wiederholbar?  

Schneller schreiben

Ich bewundere sie noch heute: die Reporter (es waren eigentlich immer Männer) aus der vordigitalen Zeit, die mit dem Papst unterwegs waren oder in irgendeinem Krieg. Und kaum kamen sie an ein Telefon, riefen sie in der Redaktion an und diktierten ihre Reportage nur von ihrer Kladde gestützt durch. Heute diktieren die wirklich schnellen Sport- oder Politikreporter wieder,  sie sprechen ihre Berichte ins Textprogramm. Wie machen sie das nur? Mit viel Routine, aber auch mit einer Reihe von Tricks. Auch wenn du (wie ich) lieber tippst als sprichst, kannst du dir ein paar Turbo-Tipps aneignen. Denn jede Minute, die du schneller schreibst, bist du früher fertig. 

Starte mit der Kernaussage. Die darf sich nicht erst beim Schreiben ergeben. Packe sie in einen Arbeitstitel und einen Arbeitsteaser und in einen Arbeitsvorspann. Der Trick sorgt dafür, dass du nicht stundenlang auf die geniale Eingebung wartest, sondern gleich vom Fleck kommst. Und dann, während du am Text arbeitest, stets auch die Titelei verbesserst.

Nutze Textgerüste. Erfahrene Schreiber haben immer mehrere Varianten von Textgerüsten in der Hinterhand. Ein Klassiker ist das Feature, in dem sich Szenen und Aussagen abwechseln bzw. aufeinander aufbauen. Die Szene wird zum Beleg, aus dem die Aussage folgt. Oder umgekehrt. Ein anderer Typ ist die Reportage, in der du aus zwei (oder mehr) Handlungssträngen einen Zopf flechtest. Die Gerüste sind vielleicht andere, wenn du Fußball-Reporterin oder Social-Media-Spezialist bist, Lokalvideos drehst oder Interviews führst - aber es gibt sie eigentlich immer.  

Lieber Satzfetzen als gar nichts. Es fließt gerade nicht? Dann schreibe halbe Sätze, Stichwörter, Gedanken nieder. Und mache dann mit dem nächsten Absatz weiter, der dir gerade leichter fällt. Niemand schreibt dir vor, dass du den Text in der Lesereihenfolge geschrieben haben musst. Oft geht genau der Knoten, den du gerade hast, beim nächsten Anlauf ganz einfach auf. Oder du stellst fest, dass du sowieso keinen Platz mehr für diesen komplizierten Gedanken hast. Tipp: Schraube deine Ansprüche an den ersten Entwurf herunter. Bei der Überarbeitung erhöhst du sie dann.

Umfänge einteilen. Schreibe nichts, was hinterher doch nicht gebraucht wird. Wenn 10.000 Zeichen bestellt sind, ziehst du je 1000 Zeichen für Einstieg und Schluss ab und teilst den Rest durch deine 5 Hauptgedanken. Dann weißt du, dass ein Gedanke in 1600 Zeichen abgearbeitet sein muss. Oder du musst einen Gedanken opfern. 

Schreibe einfach weiter. Du hast dir ja sicher (siehe oben, Besser schreiben) vor dem Start des Fließtexts stichpunktartig drunter deine Hauptgedanken und eine Idee für den Schluss geschrieben. Wenn du jetzt bei Punkt zwei hängst, dann schreibe einfach bei Punkt drei weiter. Meistens löst sich dann der Knoten weiter oben auf (nicht selten warst du oben schon in einer Sackgasse).

Versuche es kürzer. Noch kürzer. Viel kürzer. Ziemlich oft wird in der Mitte des Texts der Platz knapp. Und es gibt bei Hektik und Stress nichts Unnötigeres, als Text zu schreiben, der nachher doch wieder gestrichen werden muss. Konzentriere dich also in einem ersten Durchlauf auf das absolut Unumgängliche. Und alles Hübsche, Nette, Lustige bleibt vorerst in einem Reserveblock. Das macht den Text geradliniger und du bist viel schneller durch. Wenn du dann noch Platz hast, dann ergänze Ideen aus deinem Reserveblock.

Extra-Übung: Erinnerst du dich noch an die alten Reporter, die ihre Texte aus dem Stegreif diktierten? Probier doch die Steigerung davon: Du erzählst (vor dem Texten!) deinem Partner (oder deinem Smartphone) in einer Minute die Geschichte. Das führt zwingend zum Kern des Themas. Und dazu, den Beitrag schnell und erfolgversprechend bei möglichen Auftraggebern zu pitchen. 

Sicherer schreiben

Du kannst die größten Stars unserer Branche fragen: Auch sie haben nicht jedes Projekt erfolgreich zu Ende geführt. Aktuelle Beiträge sind unter Zeitdruck völlig in die Hosen gegangen (dagegen helfen die Tipps im vorigen Absatz), Stücke mit weniger Zeitdruck sind nie entstanden bzw. lungern halbfertig in diesem räudigen Laptop herum. Wie gelingt es dir, ein Schreibprojekt sicher zum Erfolg zu führen? Hier folgen ein paar Vorschläge. 

1. Trenne den Gliederungs-, Recherche- und Schreibprozess nicht voneinander. Integriere alle drei. Beginne mit dem Schreiben im Kopf und auf deinem Laptop, sobald du den Auftrag erhalten hast, und zwar während der gesamten Recherche.

2. Finde deinen Schwerpunkt vor Ort. Kämpfe um ihn. Wenn du wartest, bis du an deinen Schreibtisch zurückkehrst, und dann erst ermittelst, worum es in deiner Geschichte wirklich gehen wird, dann kannst du nicht mehr zurückgehen, um dir das Fehlende zu holen, die Geschichte rund zu bekommen. Oder es wird dich zumindest unnötig viel Zeit kosten.

3. Kommentiere deine Notizen, während du sie machst: "Möglicher Einstieg", "Anschlussgedanke an...", "Hier fehlt noch ein Zitat". Halte auch Absätze fest, die du noch gar nicht hast: "Für welche größere Geschichte steht dieses Detailthema?", "Statistik", "Vorgeschichte", "Einschätzungen von Beteiligten".

4. Du musst deinen Text doch kurzfristig noch umwerfen? Dann kritzele auch bei aller Hektik erst mal einen neuen Fünf-Punkte-Plan auf einen (gern digitalen) Notizzettel. Die kurze Zeit, die du dafür brauchst, wird dir am Ende wertvolle Zeit sparen. 

5. Fasse dich kurz. Oder anders gesagt. Baue erst mal eine Gartenhütte, die für sich steht - mit Fundament, Wänden und Dach. Danach baust du hier eine Veranda an und dort einen Garage und schließlich noch ein zweites Geschoss. Das ist sicher und geht auch viel leichter, als gleich eine Kathedrale errichten zu wollen. Das ist überhaupt ein Anfängerfehler: zu erwarten, es werde ein Problem, den Platz zu füllen. Es geht am Ende eigentlich immer darum auszuwählen. 

6. Bei einem zeitkritischen Thema (etwa einer Wahlberichterstattung) kannst du für ein Ergebnis planen ("Trump gewinnt wie erwartet") und dir ein anderes als Option offen halten ("Kamala schafft das Wunder"). Du wirst dich wundern, wie viele Absätze gleich bleiben können, auch wenn der Handlungsbogen plötzlich eine unerwartete Wendung nimmt.

7. Halte dich zunächst an maximal drei Hauptquellen. Viele Textende haben bei großen Geschichten oft uferlos viel Recherchematerial, in dem sie sich leicht verheddern. Wenn das der Fall ist: entscheide dich für ein paar Hauptquellen. Und checke dann erst, was noch fehlt. Tipp: Von manchen nicht ganz zentralen Recherchen verabschiedest du dich leichter, wenn du sie als Start eines zweiten Textes zur Seite legst.

8. Vorsicht vor deinen Lieblingsformulierungen. Bei diesem einen Absatz warst du so gut im Flow und es klingt auch alles richtig gut - dummerweise führen dich gerade solche Absätze gern aufs Abstellgleis. Lass dich nicht von deiner Wortklingelei verführen. Und wenn du nicht selbst entscheiden kannst, lass es einen Freund tun. 

9. Bleibe dran! Jeder kennt diese unteren Bereiche von Todo-Listen, in denen seit Wochen und Monaten das Unerledigte hängt. Und vieles fällt irgendwann hinten runter. Das ist natürlich das Unbefriedigendste: sich erst viel Arbeit gemacht zu haben und am Ende alles in die Tonne zu treten. Bemühe dich deshalb, nur weniger anzugehen und wenigstens eine Dreiviertelstunde am Tag dran zu bleiben. hast du es einmal eine Woche abgebrochen, dann wird es in aller Regel nichts mehr.     

Unverwechselbarer schreiben

Warum? Weil Standard schon bald aus der Maschine kommen wird. Wir werden uns an Texte gewöhnen, bei denen ein Mensch nur die Stichwörter gepromptet und am Ende einmal drüber geschaut hat. Umso wichtiger ist es, dass deine Schreibe einzigartig wird. Wie?

  • Kopiere nicht (auch nicht die Üblichkeiten deiner Redaktion), sondern vertraue auf deine eigene Kreativität. 
  • Mache es wie die Künstler: Baue Leben, Emotion, Empathie in deine Stücke ein. 
  • Erlaube dir, variabel zu sein, auf deine und die Stimmungslagen der Lesenden zu reagieren.
  • Brich bewusst ab und zu die Erwartung. Damit schaffst du deinen eigenen Stil – das wird ein Computer nie können.  
  • Sei authentisch und gib deinen Texten die persönliche Note, die die Lesenden an dich erinnert.
  • Habe Mut. Trau dich, Wörter und Redewendungen zu erfinden. Nicht zehn pro Artikel, aber gern mal, wenn es nichts wirklich Passendes gibt oder dich die Muse küsst. Die deutsche Sprache mit ihren zusammengesetzten Substantiven ist da perfekt geeignet.
  • Spiele außer mit der Schreibe auch mit den Darstellungsformen. Ein Ansatz dafür ist die Verschmelzung zweier Darstellungsformen, etwa Feature und Interview. Ein anderer der Blick auf junge Medien und die Adaption für deine Textformen. Welche Entsprechung z.B. könnten Reels in deinen Reportagen finden?  
  • Verwechsle Kreativität nicht mit fehlendem Handwerk. Nur wer den Standard beherrscht, wird sich dauerhaft vom Einerlei absetzen.

Okay: Individualität führt vermutlich nicht zum schnellen Zusatzverdienst. Aber sie dürfte auf Dauer ein oder sogar das wichtigste Mittel sein, damit du auch in Zeiten von KI journalistisch überlebst.


Bearbeitung: Hans Werner Rodrian
Datum und Uhrzeit: 2024-10-18 16:26:25
Inhalt der Änderung

Jede von uns hatte schon mal eine Schreibblockade. Keiner ist frei davon, auch mal ein unterdurchschnittliches Stück zu produzieren. Aber wir können daran arbeiten, dass das immer seltener passiert. Denn journalistisches Schreiben ist keine Kunst, sondern Handwerk.

Und dieses handwerkliche Können lässt sich optimieren, um selbst in schwieriger Lage den Restart zu schaffen. Natürlich wird der Markt immer enger. Aber wer zuverlässig handwerklich ordentliche Stücke produziert, nicht jedes zweite an die Wand fährt und sich beim Recherchieren und Texten nicht verzettelt, der bleibt obenauf, wenn andere längst unter Wasser sind.

Viel zu viele von uns wissen selbst nicht recht, wie ihre Artikel entstehen. Sie kauen an Bleistiften, machen Notizen auf Blöcken und hoffen, dass sie irgendwann in den Flow kommen und ihre Geschichte dann wie von selbst entsteht.

Das ist keine gute Basis. So wird man zum Alkoholiker.

Zehn Tipps, besser zu schreiben:  

  1. Schreibe zumindest bei größeren Texten nicht drauflos, sondern überlege dir vorher eine Struktur: erst Arbeitstitel und Teaser, dann Einstieg, dann Schluss und dazwischen die zentralen Argumente oder Stationen. So hast du einen Fahrplan und behältst die Hauptroute im Blick, anstatt dich in irgendwelchen Sackgassen zu verzetteln.  
  2. Auf Basis dieser Hauptroute recherchierst du. Und du hältst deine Recherche-Ergebnisse detailliert fest. Dann kannst du später aus dem Vollen schöpfen. Wichtig: Lass dir beim Recherchieren immer auch Raum offen für Unvorhergesehenes. Es sind ja diese Überraschungsmomente, die am Ende das Salz in der Suppe ausmachen. Extratipp: Wenn du weniger als 25 Prozent Überraschendes gefunden hast, dann lohnt es sich vielleicht, noch mal zu suchen. 
  3. Aus den Rechercheergebnissen übernimmst du Stichwörter und Bestandteile in den Rohtext, der sich dadurch aufbaut. Wenn du vorher bereits einen groben Fahrplan des Texts skizziert hast, dann stehen die Recherchen jetzt schon mal in der richtigen Reihenfolge. 
  4. Und sobald du die Fakten beieinander hast, schreibst du das Stück oder zumindest den Absatz runter. Dabei gilt: Verständlichkeit vor Genialität, klare Ausdrucksweise vor Formulierungslust. Und: das Wichtigste nach vorn. Denn was hast du davon, wenn du dein Feuerwerk erst zündest, wenn drei Viertel der Leser längst abgesprungen sind? 
  5. Gleiche bereits beim Schreiben und später beim Durchlesen (du liest doch jeden fertigen Artikel noch mal ganz durch oder etwa nicht?) Titel, Teaser, Kernaussage und Hauptpunkte aufeinander ab. Bist du auf der Hauptroute geblieben? Gibt es vielleicht eine bessere Szene für diesen Gedanken? Stimmen die Längen der einzelnen Absätze? 
  6. Nachdem der Artikel fertig und abgegeben ist: Gleiche ihn mit der späteren Veröffentlichung ab und lerne auf diese Weise von den Redigierenden (macht niemand gern, hilft aber ungemein).
  7. Bilde Redigierzirkel mit anderen guten Schreibern.
  8. Begreife schreiberische Kritik als wichtige Hilfestellung und nicht als persönliche Kränkung.
  9. Such dir die besten Schreiber in deinem Bereich und seziere ihre Texte. Leiste dir die Zeit, täglich andere gute Texte zu lesen und zu analysieren. Tipp: Texte, die Journalistgenpreise gewonnen haben, sind da ein guter Einstieg.
  10. Lerne von dir selbst. Wie ist es dir neulich gelungen, diesen einen guten Text zu schreiben? Was davon ist wiederholbar?  

Schneller schreiben

Ich bewundere sie noch heute: die Reporter (es waren eigentlich immer Männer) aus der vordigitalen Zeit, die mit dem Papst unterwegs waren oder in irgendeinem Krieg. Und kaum kamen sie an ein Telefon, riefen sie in der Redaktion an und diktierten ihre Reportage nur von ihrer Kladde gestützt durch. Heute diktieren die wirklich schnellen Sport- oder Politikreporter wieder,  sie sprechen ihre Berichte ins Textprogramm. Wie machen sie das nur? Mit viel Routine, aber auch mit einer Reihe von Tricks. Auch wenn du (wie ich) lieber tippst als sprichst, kannst du dir ein paar Turbo-Tipps aneignen. Denn jede Minute, die du schneller schreibst, bist du früher fertig. 

Starte mit der Kernaussage. Die darf sich nicht erst beim Schreiben ergeben. Packe sie in einen Arbeitstitel und einen Arbeitsteaser und in einen Arbeitsvorspann. Der Trick sorgt dafür, dass du nicht stundenlang auf die geniale Eingebung wartest, sondern gleich vom Fleck kommst. Und dann, während du am Text arbeitest, stets auch die Titelei verbesserst.

Nutze Textgerüste. Erfahrene Schreiber haben immer mehrere Varianten von Textgerüsten in der Hinterhand. Ein Klassiker ist das Feature, in dem sich Szenen und Aussagen abwechseln bzw. aufeinander aufbauen. Die Szene wird zum Beleg, aus dem die Aussage folgt. Oder umgekehrt. Ein anderer Typ ist die Reportage, in der du aus zwei (oder mehr) Handlungssträngen einen Zopf flechtest. Die Gerüste sind vielleicht andere, wenn du Fußball-Reporterin oder Social-Media-Spezialist bist, Lokalvideos drehst oder Interviews führst - aber es gibt sie eigentlich immer.  

Lieber Satzfetzen als gar nichts. Es fließt gerade nicht? Dann schreibe halbe Sätze, Stichwörter, Gedanken nieder. Und mache dann mit dem nächsten Absatz weiter, der dir gerade leichter fällt. Niemand schreibt dir vor, dass du den Text in der Lesereihenfolge geschrieben haben musst. Oft geht genau der Knoten, den du gerade hast, beim nächsten Anlauf ganz einfach auf. Oder du stellst fest, dass du sowieso keinen Platz mehr für diesen komplizierten Gedanken hast. Tipp: Schraube deine Ansprüche an den ersten Entwurf herunter. Bei der Überarbeitung erhöhst du sie dann.

Umfänge einteilen. Schreibe nichts, was hinterher doch nicht gebraucht wird. Wenn 10.000 Zeichen bestellt sind, ziehst du je 1000 Zeichen für Einstieg und Schluss ab und teilst den Rest durch deine 5 Hauptgedanken. Dann weißt du, dass ein Gedanke in 1600 Zeichen abgearbeitet sein muss. Oder du musst einen Gedanken opfern. 

Schreibe einfach weiter. Du hast dir ja sicher (siehe oben, Besser schreiben) vor dem Start des Fließtexts stichpunktartig drunter deine Hauptgedanken und eine Idee für den Schluss geschrieben. Wenn du jetzt bei Punkt zwei hängst, dann schreibe einfach bei Punkt drei weiter. Meistens löst sich dann der Knoten weiter oben auf (nicht selten warst du oben schon in einer Sackgasse).

Versuche es kürzer. Noch kürzer. Viel kürzer. Ziemlich oft wird in der Mitte des Texts der Platz knapp. Und es gibt bei Hektik und Stress nichts Unnötigeres, als Text zu schreiben, der nachher doch wieder gestrichen werden muss. Konzentriere dich also in einem ersten Durchlauf auf das absolut Unumgängliche. Und alles Hübsche, Nette, Lustige bleibt vorerst in einem Reserveblock. Das macht den Text geradliniger und du bist viel schneller durch. Wenn du dann noch Platz hast, dann ergänze Ideen aus deinem Reserveblock.

Extra-Übung: Erinnerst du dich noch an die alten Reporter, die ihre Texte aus dem Stegreif diktierten? Probier doch die Steigerung davon: Du erzählst (vor dem Texten!) deinem Partner (oder deinem Smartphone) in einer Minute die Geschichte. Das führt zwingend zum Kern des Themas. Und dazu, den Beitrag schnell und erfolgversprechend bei möglichen Auftraggebern zu pitchen. 

Sicherer schreiben

Du kannst die größten Stars unserer Branche fragen: Auch sie haben nicht jedes Projekt erfolgreich zu Ende geführt. Aktuelle Beiträge sind unter Zeitdruck völlig in die Hosen gegangen (dagegen helfen die Tipps im vorigen Absatz), Stücke mit weniger Zeitdruck sind nie entstanden bzw. lungern halbfertig in diesem räudigen Laptop. Wie gelingt es dir, ein Schreibprojekt sicher zum Erfolg zu führen? Hier folgen ein paar Vorschläge. 

1. Trenne den Gliederungs-, Recherche- und Schreibprozess nicht voneinander. Integriere alle drei. Beginne mit dem Schreiben im Kopf und auf deinem Laptop, sobald du den Auftrag erhalten hast, und zwar während der gesamten Recherche.

2. Finde deinen Schwerpunkt vor Ort. Kämpfe um ihn. Wenn du wartest, bis du an deinen Schreibtisch zurückkehrst, und dann erst ermittelst, worum es in deiner Geschichte wirklich gehen wird, dann kannst du nicht mehr zurückgehen, um dir das Fehlende zu holen, die Geschichte rund zu bekommen. Oder es wird dich zumindest unnötig viel Zeit kosten.

3. Kommentiere deine Notizen, während du sie machst: "Möglicher Einstieg", "Anschlussgedanke an...", "Hier fehlt noch ein Zitat". Halte auch Absätze fest, die du noch gar nicht hast: "Für welche größere Geschichte steht dieses Detailthema?", "Statistik", "Vorgeschichte", "Einschätzungen von Beteiligten".

4. Du musst deinen Text doch kurzfristig noch umwerfen? Dann kritzele auch bei aller Hektik erst mal einen neuen Fünf-Punkte-Plan auf einen (gern digitalen) Notizzettel. Die kurze Zeit, die du dafür brauchst, wird dir am Ende wertvolle Zeit sparen. 

5. Fasse dich kurz. Oder anders gesagt. Baue erst mal eine Gartenhütte, die für sich steht - mit Fundament, Wänden und Dach. Danach baust du hier eine Veranda an und dort einen Garage und schließlich noch ein zweites Geschoss. Das ist sicher und geht auch viel leichter, als gleich eine Kathedrale errichten zu wollen. Das ist überhaupt ein Anfängerfehler: zu erwarten, das Problem liege darin, den Platz zu füllen. Es geht am Ende eigentlich immer darum auszuwählen. 

6. Bei einem zeitkritischen Thema (etwa einer Wahlberichterstattung) kannst du für ein Ergebnis planen ("Trump gewinnt wie erwartet") und dir ein anderes als Option offen halten ("Kamala schafft das Wunder"). Du wirst dich wundern, wie viele Absätze gleich bleiben können, auch wenn der Handlungsbogen plötzlich eine unerwartete Wendung nimmt.

7. Halte dich zunächst an maximal drei Hauptquellen. Viele Textende haben bei großen Geschichten oft uferlos viel Recherchematerial, in dem sie sich leicht verheddern. Wenn das der Fall ist: entscheide dich für ein paar Hauptquellen. Und checke dann erst, was noch fehlt. Tipp: Von manchen nicht ganz zentralen Recherchen verabschiedest du dich leichter, wenn du sie als Start eines zweiten Textes zur Seite legst.

8. Vorsicht vor deinen Lieblingsformulierungen. Bei diesem einen Absatz warst du so gut im Flow und es klingt auch alles richtig gut - dummerweise führen dich gerade solche Absätze gern aufs Abstellgleis. Lass dich nicht von deiner Wortklingelei verführen. Und wenn du nicht selbst entscheiden kannst, lass es einen Freund tun. 

9. Bleibe dran! Jeder kennt diese unteren Bereiche von Todo-Listen, in denen seit Wochen und Monaten das Unerledigte hängt. Und vieles fällt irgendwann hinten runter. Das ist natürlich das Unbefriedigendste: sich erst viel Arbeit gemacht zu haben und am Ende alles in die Tonne zu treten. Bemühe dich deshalb, nur weniger anzugehen und wenigstens eine Dreiviertelstunde am Tag dran zu bleiben. hast du es einmal eine Woche abgebrochen, dann wird es in aller Regel nichts mehr.     

Unverwechselbarer schreiben

Warum? Weil Standard schon bald aus der Maschine kommen wird. Wir werden uns an Texte gewöhnen, bei denen ein Mensch nur die Stichwörter gepromptet und am Ende einmal drüber geschaut hat. Umso wichtiger ist es, dass deine Schreibe einzigartig wird. Wie?

  • Kopiere nicht (auch nicht die Üblichkeiten deiner Redaktion), sondern vertraue auf deine eigene Kreativität. 
  • Mache es wie die Künstler: Baue Leben, Emotion, Empathie in deine Stücke ein. 
  • Erlaube dir, variabel zu sein, auf deine und die Stimmungslagen der Lesenden zu reagieren.
  • Brich bewusst ab und zu die Erwartung. Damit schaffst du deinen eigenen Stil – das wird ein Computer nie können.  
  • Sei authentisch und gib deinen Texten die persönliche Note, die die Lesenden an dich erinnert.
  • Habe Mut. Trau dich, Wörter und Redewendungen zu erfinden. Nicht zehn pro Artikel, aber gern mal, wenn es nichts wirklich Passendes gibt oder dich die Muse küsst. Die deutsche Sprache mit ihren zusammengesetzten Substantiven ist da perfekt geeignet.
  • Spiele außer mit der Schreibe auch mit den Darstellungsformen. Ein Ansatz dafür ist die Verschmelzung zweier Darstellungsformen, etwa Feature und Interview. Ein anderer der Blick auf junge Medien und die Adaption für deine Textformen. Welche Entsprechung z.B. könnten Reels in deinen Reportagen finden?  
  • Verwechsle Kreativität nicht mit fehlendem Handwerk. Nur wer den Standard beherrscht, wird sich dauerhaft vom Einerlei absetzen.

Okay: Individualität führt vermutlich nicht zum schnellen Zusatzverdienst. Aber sie dürfte auf Dauer ein oder sogar das wichtigste Mittel sein, damit du auch in Zeiten von KI journalistisch überlebst.


Bearbeitung: Hans Werner Rodrian
Datum und Uhrzeit: 2024-10-14 16:47:50
Inhalt der Änderung

Jede von uns hatte schon mal eine Schreibblockade. Keiner ist frei davon, auch mal ein unterdurchschnittliches Stück zu produzieren. Aber wir können daran arbeiten, dass das immer seltener passiert. Denn journalistisches Schreiben ist keine Kunst, sondern Handwerk.

Und dieses handwerkliche Können lässt sich optimieren, um selbst in schwieriger Lage den Restart zu schaffen. Natürlich wird der Markt immer enger. Aber wer zuverlässig handwerklich ordentliche Stücke produziert, nicht jedes zweite an die Wand fährt und sich beim Recherchen und Texten nicht verzettelt, der bleibt obenauf, wenn andere längst unter Wasser sind.

Viel zu viele von uns wissen selbst nicht recht, wie ihre Artikel entstehen. Sie kauen an Bleistiften, machen Notizen auf Blöcken und hoffen, dass sie irgendwann in den Flow kommen und ihre Geschichte dann wie von selbst entsteht.

Das ist keine gute Basis. So wird man zum Alkoholiker.

Zehn Tipps, besser zu schreiben:  

  1. Schreibe zumindest bei größeren Texten nicht drauflos, sondern überlege dir vorher eine Struktur: erst Arbeitstitel und Teaser, dann Einstieg, dann Schluss und dazwischen die zentralen Argumente oder Stationen. So hast du einen Fahrplan und behältst die Hauptroute im Blick, anstatt dich in irgendwelchen Sackgassen zu verzetteln.  
  2. Auf Basis dieser Hauptroute recherchierst du. Und du hältst deine Recherche-Ergebnisse detailliert fest. Dann kannst du später aus dem Vollen schöpfen. Wichtig: Lass dir beim Recherchieren immer auch Raum offen für Unvorhergesehenes. Es sind ja diese Überraschungsmomente, die am Ende das Salz in der Suppe ausmachen. Extratipp: Wenn du weniger als 25 Prozent Überraschendes gefunden hast, dann lohnt es sich vielleicht, noch mal zu suchen. 
  3. Aus den Rechercheergebnissen übernimmst du Stichwörter und Bestandteile in den Rohtext, der sich dadurch aufbaut. Wenn du vorher bereits einen groben Fahrplan des Texts skizziert hast, dann stehen die Recherchen jetzt schon mal in der richtigen Reihenfolge. 
  4. Und sobald du die Fakten beieinander hast, schreibst du das Stück oder zumindest den Absatz runter. Dabei gilt: Verständlichkeit vor Genialität, klare Ausdrucksweise vor Formulierungslust. Und: das Wichtigste nach vorn. Denn was hast du davon, wenn du dein Feuerwerk erst zündest, wenn drei Viertel der Leser längst abgesprungen sind? 
  5. Gleiche bereits beim Schreiben und später beim Durchlesen (du liest doch jeden fertigen Artikel noch mal ganz durch oder etwa nicht?) Titel, Teaser, Kernaussage und Hauptpunkte aufeinander ab. Bist du auf der Hauptroute geblieben? Gibt es vielleicht eine bessere Szene für diesen Gedanken? Stimmen die Längen der einzelnen Absätze? 
  6. Nachdem der Artikel fertig und abgegeben ist: Gleiche ihn mit der späteren Veröffentlichung ab und lerne auf diese Weise von den Redigierenden (Macht niemand gern, hilft aber ungemein).
  7. Bilde Redigierzirkel mit anderen guten Schreibern.
  8. Begreife schreiberische Kritik als wichtige Hilfestellung und nicht als persönliche Kränkung.
  9. Such dir die besten Schreiber in deinem Bereich und seziere ihre Texte. Leiste dir die Zeit, täglich andere gute Texte zu lesen und zu analysieren. Tipp: Texte, die Journalistgenpreise gewonnen haben, sind da ein guter Einstieg.
  10. Lerne von dir selbst. Wie ist es dir neulich gelungen, diesen einen guten Text zu schreiben? Was davon ist wiederholbar?  

Schneller schreiben

Ich bewundere sie noch heute: die Reporter (es waren eigentlich immer Männer) aus der vordigitalen Zeit, die mit dem Papst unterwegs waren oder in irgendeinem Krieg. Und kaum kamen sie an ein Telefon, riefen sie in der Redaktion an und diktierten ihre Reportage nur von ihrer Kladde gestützt durch. Heute diktieren die wirklich schnellen Sport- oder Politikreporter wieder,  sie sprechen ihre Berichte ins Textprogramm. Wie machen sie das nur? Mit viel Routine, aber auch mit einer Reihe von Tricks. Auch wenn du (wie ich) lieber tippst als sprichst, kannst du dir ein paar Turbo-Tipps aneignen. Denn jede Minute, die du schneller schreibst, bist du früher fertig. 

Starte mit der Kernaussage. Die darf sich nicht erst beim Schreiben ergeben. Packe sie in einen Arbeitstitel und einen Arbeitsteaser und in einen Arbeitsvorspann. Der Trick sorgt dafür, dass du nicht stundenlang auf die geniale Eingebung wartest, sondern gleich vom Fleck kommst. Und dann, während du am Text arbeitest, stets auch die Titelei verbesserst.

Nutze Textgerüste. Erfahrene Schreiber haben immer mehrere Varianten von Textgerüsten in der Hinterhand. Ein Klassiker ist das Feature, in dem sich Szenen und Aussagen abwechseln bzw. aufeinander aufbauen. Die Szene wird zum Beleg, aus dem die Aussage folgt. Oder umgekehrt. Ein anderer Typ ist die Reportage, in der du aus zwei (oder mehr) Handlungssträngen einen Zopf flechtest. Die Gerüste sind vielleicht andere, wenn du Fußball-Reporterin oder Social-Media-Spezialist bist, Lokalvideos drehst oder Interviews führst - aber es gibt sie eigentlich immer.  

Lieber Satzfetzen als gar nichts. Es fließt gerade nicht? Dann schreibe halbe Sätze, Stichwörter, Gedanken nieder. Und mache dann mit dem nächsten Absatz weiter, der dir gerade leichter fällt. Niemand schreibt dir vor, dass du den Text in der Lesereihenfolge geschrieben haben musst. Oft geht genau der Knoten, den du gerade hast, beim nächsten Anlauf ganz einfach auf. Oder du stellst fest, dass du sowieso keinen Platz mehr für diesen komplizierten Gedanken hast. Tipp: Schraube deine Ansprüche an den ersten Entwurf herunter. Bei der Überarbeitung erhöhst du sie dann.

Umfänge einteilen. Schreibe nichts, was hinterher doch nicht gebraucht wird. Wenn 10.000 Zeichen bestellt sind, ziehst du je 1000 Zeichen für Einstieg und Schluss ab und teilst den Rest durch deine 5 Hauptgedanken. Dann weißt du, dass ein Gedanke in 1600 Zeichen abgearbeitet sein muss. Oder du musst einen Gedanken opfern. 

Schreibe einfach weiter. Du hast dir ja sicher (siehe oben, Besser schreiben) vor dem Start des Fließtexts stichpunktartig drunter deine Hauptgedanken und eine Idee für den Schluss geschrieben. Wenn du jetzt bei Punkt zwei hängst, dann schreibe einfach bei Punkt drei weiter. Meistens löst sich dann der Knoten weiter oben auf (nicht selten warst du oben schon in einer Sackgasse).

Versuche es kürzer. Noch kürzer. Viel kürzer. Ziemlich oft wird in der Mitte des Texts der Platz knapp. Und es gibt bei Hektik und Stress nichts Unnötigeres, als Text zu schreiben, der nachher doch wieder gestrichen werden muss. Konzentriere dich also in einem ersten Durchlauf auf das absolut Unumgängliche. Und alles Hübsche, Nette, Lustige bleibt vorerst in einem Reserveblock. Das macht den Text geradliniger und du bist viel schneller durch. Wenn du dann noch Platz hast, dann ergänze Ideen aus deinem Reserveblock.

Extra-Übung: Erinnerst du dich noch an die alten Reporter, die ihre Texte aus dem Stegreif diktierten? Probier doch die Steigerung davon: Du erzählst (vor dem Texten!) deinem Partner (oder deinem Smartphone) in einer Minute die Geschichte. Das führt zwingend zum Kern des Themas. Und dazu, den Beitrag schnell und erfolgversprechend bei möglichen Auftraggebern zu pitchen. 

Sicherer schreiben

Du kannst die größten Stars unserer Branche fragen: Auch sie haben nicht jedes Projekt erfolgreich zu Ende geführt. Aktuelle Beiträge sind unter Zeitdruck völlig in die Hosen gegangen (dagegen helfen die Tipps im vorigen Absatz), Stücke mit weniger Zeitdruck sind nie entstanden bzw. lungern halbfertig in diesem räudigen Laptop. Wie gelingt es dir, ein Schreibprojekt sicher zum Erfolg zu führen? Hier folgen ein paar Vorschläge. 

1. Trenne den Gliederungs-, Recherche- und Schreibprozess nicht voneinander. Integriere alle drei. Beginne mit dem Schreiben im Kopf und auf deinem Laptop, sobald du den Auftrag erhalten hast, und zwar während der gesamten Recherche.

2. Finde deinen Schwerpunkt vor Ort. Kämpfe um ihn. Wenn du wartest, bis du an deinen Schreibtisch zurückkehrst, und dann erst ermittelst, worum es in deiner Geschichte wirklich gehen wird, dann kannst du nicht mehr zurückgehen, um dir das Fehlende zu holen, die Geschichte rund zu bekommen. Oder es wird dich zumindest unnötig viel Zeit kosten.

3. Kommentiere deine Notizen, während du sie machst: "Möglicher Einstieg", "Anschlussgedanke an...", "Hier fehlt noch ein Zitat". Halte auch Absätze fest, die du noch gar nicht hast: "Für welche größere Geschichte steht dieses Detailthema?", "Statistik", "Vorgeschichte", "Einschätzungen von Beteiligten".

4. Du musst deinen Text doch kurzfristig noch umwerfen? Dann kritzele auch bei aller Hektik erst mal einen neuen Fünf-Punkte-Plan auf einen (gern digitalen) Notizzettel. Die kurze Zeit, die du dafür brauchst, wird dir am Ende wertvolle Zeit sparen. 

5. Fasse dich kurz. Oder anders gesagt. Baue erst mal eine Gartenhütte, die für sich steht - mit Fundament, Wänden und Dach. Danach baust du hier eine Veranda an und dort einen Garage und schließlich noch ein zweites Geschoss. Das ist sicher und geht auch viel leichter, als gleich eine Kathedrale errichten zu wollen. Das ist überhaupt ein Anfängerfehler: zu erwarten, das Problem liege darin, den Platz zu füllen. Es geht am Ende eigentlich immer darum auszuwählen. 

6. Bei einem zeitkritischen Thema (etwa einer Wahlberichterstattung) kannst du für ein Ergebnis planen ("Trump gewinnt wie erwartet") und dir ein anderes als Option offen halten ("Kamala schafft das Wunder"). Du wirst dich wundern, wie viele Absätze gleich bleiben können, auch wenn der Handlungsbogen plötzlich eine unerwartete Wendung nimmt.

7. Halte dich zunächst an maximal drei Hauptquellen. Viele Textende haben bei großen Geschichten oft uferlos viel Recherchematerial, in dem sie sich leicht verheddern. Wenn das der Fall ist: entscheide dich für ein paar Hauptquellen. Und checke dann erst, was noch fehlt. Tipp: Von manchen nicht ganz zentralen Recherchen verabschiedest du dich leichter, wenn du sie als Start eines zweiten Textes zur Seite legst.

8. Vorsicht vor deinen Lieblingsformulierungen. Bei diesem einen Absatz warst du so gut im Flow und es klingt auch alles richtig gut - dummerweise führen dich gerade solche Absätze gern aufs Abstellgleis. Lass dich nicht von deiner Wortklingelei verführen. Und wenn du nicht selbst entscheiden kannst, lass es einen Freund tun. 

9. Bleibe dran! Jeder kennt diese unteren Bereiche von Todo-Listen, in denen seit Wochen und Monaten das Unerledigte hängt. Und vieles fällt irgendwann hinten runter. Das ist natürlich das Unbefriedigendste: sich erst viel Arbeit gemacht zu haben und am Ende alles in die Tonne zu treten. Bemühe dich deshalb, nur weniger anzugehen und wenigstens eine Dreiviertelstunde am Tag dran zu bleiben. hast du es einmal eine Woche abgebrochen, dann wird es in aller Regel nichts mehr.     

Unverwechselbarer schreiben

Warum? Weil Standard schon bald aus der Maschine kommen wird. Wir werden uns an Texte gewöhnen, bei denen ein Mensch nur die Stichwörter gepromptet und am Ende einmal drüber geschaut hat. Umso wichtiger ist es, dass deine Schreibe einzigartig wird. Wie?

  • Kopiere nicht (auch nicht die Üblichkeiten deiner Redaktion), sondern vertraue auf deine eigene Kreativität. 
  • Mache es wie die Künstler: Baue Leben, Emotion, Empathie in deine Stücke ein. 
  • Erlaube dir, variabel zu sein, auf deine und die Stimmungslagen der Lesenden zu reagieren.
  • Brich bewusst ab und zu die Erwartung. Damit schaffst du deinen eigenen Stil – das wird ein Computer nie können.  
  • Sei authentisch und gib deinen Texten die persönliche Note, die die Lesenden an dich erinnert.
  • Habe Mut. Trau dich, Wörter und Redewendungen zu erfinden. Nicht zehn pro Artikel, aber gern mal, wenn es nichts wirklich Passendes gibt oder dich die Muse küsst. Die deutsche Sprache mit ihren zusammengesetzten Substantiven ist da perfekt geeignet.
  • Spiele außer mit der Schreibe auch mit den Darstellungsformen. Ein Ansatz dafür ist die Verschmelzung zweier Darstellungsformen, etwa Feature und Interview. Ein anderer der Blick auf junge Medien und die Adaption für deine Textformen. Welche Entsprechung z.B. könnten Reels in deinen Reportagen finden?  
  • Verwechsle Kreativität nicht mit fehlendem Handwerk. Nur wer den Standard beherrscht, wird sich dauerhaft vom Einerlei absetzen.

Okay: Individualität führt vermutlich nicht zum schnellen Zusatzverdienst. Aber sie dürfte auf Dauer ein oder sogar das wichtigste Mittel sein, damit du auch in Zeiten von KI journalistisch überlebst.


Bearbeitung: Hans Werner Rodrian
Datum und Uhrzeit: 2024-08-21 18:30:00
Inhalt der Änderung

Jede von uns hatte schon mal eine Schreibblockade. Keiner ist frei davon, auch mal ein unterdurchschnittliches Stück zu produzieren. Aber wir können daran arbeiten, dass das immer seltener passiert. Denn journalistisches Schreiben ist keine Kunst, sondern Handwerk.

Und dieses handwerkliche Können lässt sich optimieren, um selbst in schwieriger Lage den Restart zu schaffen. Natürlich wird der Markt immer enger. Aber wer zuverlässig handwerklich ordentliche Stücke produziert, nicht jedes zweite an die Wand fährt und sich beim Recherchen und Texten nicht verzettelt, der bleibt obenauf, wenn andere längst unter Wasser sind.

Viel zu viele von uns wissen selbst nicht recht, wie ihre Artikel entstehen. Sie kauen an Bleistiften, machen Notizen auf Blöcken und hoffen, dass sie irgendwann in den Flow kommen und ihre Geschichte dann wie von selbst entsteht.

Das ist keine gute Basis. So wird man zum Alkoholiker.

Zehn Tipps, besser zu schreiben:  

  1. Schreibe zumindest bei größeren Texten nicht drauflos, sondern überlege dir vorher eine Struktur: erst Arbeitstitel und Teaser, dann Einstieg, dann Schluss und dazwischen die zentralen Argumente oder Stationen. So hast du einen Fahrplan und behältst die Hauptroute im Blick, anstatt dich in irgendwelchen Sackgassen zu verzetteln.  
  2. Auf Basis dieser Hauptroute recherchierst du. Und du hältst deine Recherche-Ergebnisse detailliert fest. Dann kannst du später aus dem Vollen schöpfen. Wichtig: Lass dir beim Recherchieren immer auch Raum offen für Unvorhergesehenes. Es sind ja diese Überraschungsmomente, die am Ende das Salz in der Suppe ausmachen. Extratipp: Wenn du weniger als 25 Prozent Überraschendes gefunden hast, dann lohnt es sich vielleicht, noch mal zu suchen. 
  3. Aus den Rechercheergebnissen übernimmst du Stichwörter und Bestandteile in den Rohtext, der sich dadurch aufbaut. Wenn du vorher bereits einen groben Fahrplan des Texts skizziert hast, dann stehen die Recherchen jetzt schon mal in der richtigen Reihenfolge. 
  4. Und sobald du die Fakten beieinander hast, schreibst du das Stück oder zumindest den Absatz runter. Dabei gilt: Verständlichkeit vor Genialität, klare Ausdrucksweise vor Formulierungslust. Und: das Wichtigste nach vorn. Denn was hast du davon, wenn du dein Feuerwerk erst zündest, wenn drei Viertel der Leser längst abgesprungen sind? 
  5. Gleiche bereits beim Schreiben und später beim Durchlesen (du liest doch jeden fertigen Artikel noch mal ganz durch oder etwa nicht?) Titel, Teaser, Kernaussage und Hauptpunkte aufeinander ab. Bist du auf der Hauptroute geblieben? Gibt es vielleicht eine bessere Szene für diesen Gedanken? Stimmen die Längen der einzelnen Absätze? 
  6. Nachdem der Artikel fertig und abgegeben ist: Gleiche ihn mit der späteren Veröffentlichung ab und lerne auf diese Weise von den Redigierenden (Macht niemand gern, hilft aber ungemein).
  7. Bilde Redigierzirkel mit anderen guten Schreibern.
  8. Begreife schreiberische Kritik als wichtige Hilfestellung und nicht als persönliche Kränkung.
  9. Such dir die besten Schreiber in deinem Bereich und seziere ihre Texte. Leiste dir die Zeit, täglich andere gute Texte zu lesen und zu analysieren. Tipp: Texte, die Journalistgenpreise gewonnen haben, sind da ein guter Einstieg.
  10. Lerne von dir selbst. Wie ist es dir neulich gelungen, diesen einen guten Text zu schreiben? Was davon ist wiederholbar?  

Schneller schreiben

Ich bewundere sie noch heute: die Reporter (es waren eigentlich immer Männer) aus der vordigitalen Zeit, die mit dem Papst unterwegs waren oder in irgendeinem Krieg. Und kaum kamen sie an ein Telefon, riefen sie in der Redaktion an und diktierten ihre Reportage nur von ihrer Kladde gestützt durch. Heute diktieren die wirklich schnellen Sport- oder Politikreporter wieder,  sie sprechen ihre Berichte ins Textprogramm. Wie machen sie das nur? Mit viel Routine, aber auch mit einer Reihe von Tricks. Auch wenn du (wie ich) lieber tippst als sprichst, kannst du dir ein paar Turbo-Tipps aneignen. Denn jede Minute, die du schneller schreibst, bist du früher fertig. 

Starte mit der Kernaussage. Die darf sich nicht erst beim Schreiben ergeben. Packe sie in einen Arbeitstitel und einen Arbeitsteaser und in einen Arbeitsvorspann. Der Trick sorgt dafür, dass du nicht stundenlang auf die geniale Eingebung wartest, sondern gleich vom Fleck kommst. Und dann, während du am Text arbeitest, stets auch die Titelei verbesserst.

Nutze Textgerüste. Erfahrene Schreiber haben immer mehrere Varianten von Textgerüsten in der Hinterhand. Ein Klassiker ist das Feature, in dem sich Szenen und Aussagen abwechseln bzw. aufeinander aufbauen. Die Szene wird zum Beleg, aus dem die Aussage folgt. Oder umgekehrt. Ein anderer Typ ist die Reportage, in der du aus zwei (oder mehr) Handlungssträngen einen Zopf flechtest. Die Gerüste sind vielleicht andere, wenn du Fußball-Reporterin oder Social-Media-Spezialist bist, Lokalvideos drehst oder Interviews führst - aber es gibt sie eigentlich immer.  

Lieber Satzfetzen als gar nichts. Es fließt gerade nicht? Dann schreibe halbe Sätze, Stichwörter, Gedanken nieder. Und mache dann mit dem nächsten Absatz weiter, der dir gerade leichter fällt. Niemand schreibt dir vor, dass du den Text in der Lesereihenfolge geschrieben haben musst. Oft geht genau der Knoten, den du gerade hast, beim nächsten Anlauf ganz einfach auf. Oder du stellst fest, dass du sowieso keinen Platz mehr für diesen komplizierten Gedanken hast. Tipp: Schraube deine Ansprüche an den ersten Entwurf herunter. Bei der Überarbeitung erhöhst du sie dann.

Umfänge einteilen. Schreibe nichts, was hinterher doch nicht gebraucht wird. Wenn 10.000 Zeichen bestellt sind, ziehst du je 1000 Zeichen für Einstieg und Schluss ab und teilst den Rest durch deine 5 Hauptgedanken. Dann weißt du, dass ein Gedanke in 1600 Zeichen abgearbeitet sein muss. Oder du musst einen Gedanken opfern. 

Schreibe einfach weiter. Du hast dir ja sicher (siehe oben, Besser schreiben) vor dem Start des Fließtexts stichpunktartig drunter deine Hauptgedanken und eine Idee für den Schluss geschrieben. Wenn du jetzt bei Punkt zwei hängst, dann schreibe einfach bei Punkt drei weiter. Meistens löst sich dann der Knoten weiter oben auf (nicht selten warst du oben schon in einer Sackgasse).

Versuche es kürzer. Noch kürzer. Viel kürzer. Ziemlich oft wird in der Mitte des Texts der Platz knapp. Und es gibt bei Hektik und Stress nichts Unnötigeres, als Text zu schreiben, der nachher doch wieder gestrichen werden muss. Konzentriere dich also in einem ersten Durchlauf auf das absolut Unumgängliche. Und alles Hübsche, Nette, Lustige bleibt vorerst in einem Reserveblock. Das macht den Text geradliniger und du bist viel schneller durch. Wenn du dann noch Platz hast, dann ergänze Ideen aus deinem Reserveblock.

Extra-Übung: Erinnerst du dich noch an die alten Reporter, die ihre Texte aus dem Stegreif diktierten? Probier doch die Steigerung davon: Du erzählst (vor dem Texten!) deinem Partner (oder deinem Smartphone) in einer Minute die Geschichte. Das führt zwingend zum Kern des Themas. Und dazu, den Beitrag schnell und erfolgversprechend bei möglichen Auftraggebern zu pitchen. 

Sicherer schreiben

Du kannst die größten Stars unserer Branche fragen: Auch sie haben nicht jedes Projekt erfolgreich zu Ende geführt. Aktuelle Beiträge sind unter Zeitdruck völlig in die Hosen gegangen (dagegen helfen die Tipps im vorigen Absatz), Stücke mit weniger Zeitdruck sind nie entstanden bzw. lungern halbfertig in diesem räudigen Laptop. Wie gelingt es dir, ein Schreibprojekt sicher zum Erfolg zu führen? Hier folgen ein paar Vorschläge. 

1. Trenne den Gliederungs-, Recherche- und Schreibprozess nicht voneinander. Integriere alle drei. Beginne mit dem Schreiben im Kopf und auf deinem Laptop, sobald du den Auftrag erhalten hast, und zwar während der gesamten Recherche.

2. Finde deinen Schwerpunkt vor Ort. Kämpfe um ihn. Wenn du wartest, bis du an deinen Schreibtisch zurückkehrst, und dann erst ermittelst, worum es in deiner Geschichte wirklich gehen wird, dann kannst du nicht mehr zurückgehen, um dir das Fehlende zu holen, die Geschichte rund zu bekommen. Oder es wird dich zumindest unnötig viel Zeit kosten.

3. Kommentiere deine Notizen, während du sie machst: "Möglicher Einstieg", "Anschlussgedanke an...", "Hier fehlt noch ein Zitat". Halte auch Absätze fest, die du noch gar nicht hast: "Für welche größere Geschichte steht dieses Detailthema?", "Statistik", "Vorgeschichte", "Einschätzungen von Beteiligten".

4. Du musst deinen Text doch kurzfristig noch umwerfen? Dann kritzele auch bei aller Hektik erst mal einen neuen Fünf-Punkte-Plan auf einen (gern digitalen) Notizzettel. Die kurze Zeit, die du dafür brauchst, wird dir am Ende wertvolle Zeit sparen. 

5. Fasse dich kurz. Oder anders gesagt. Baue erst mal eine Gartenhütte, die für sich steht - mit Fundament, Wänden und Dach. Danach baust du hier eine Veranda an und dort einen Garage und schließlich noch ein zweites Geschoss. Das ist sicher und geht auch viel leichter, als gleich eine Kathedrale errichten zu wollen. Das ist überhaupt ein Anfängerfehler: zu erwarten, das Problem liege darin, den Platz zu füllen. Es geht am Ende eigentlich immer darum auszuwählen. 

6. Bei einem zeitkritischen Thema (etwa einer Wahlberichterstattung) kannst du für ein Ergebnis planen ("Trump gewinnt wie erwartet") und dir ein anderes als Option offen halten ("Kamala schafft das Wunder"). Du wirst dich wundern, wie viele Absätze gleich bleiben können, auch wenn der Handlungsbogen plötzlich eine unerwartete Wendung nimmt.

7. Halte dich zunächst an maximal drei Hauptquellen. Viele Textende haben bei großen Geschichten oft uferlos viel Recherchematerial, in dem sie sich leicht verheddern. Wenn das der Fall ist: entscheide dich für ein paar Hauptquellen. Und checke dann erst, was noch fehlt. Tipp: Von manchen nicht ganz zentralen Recherchen verabschiedest du dich leichter, wenn du sie als Start eines zweiten Textes zur Seite legst.

8. Vorsicht vor deinen Lieblingsformulierungen. Bei diesem einen Absatz warst du so gut im Flow und es klingt auch alles richtig gut - dummerweise führen dich gerade solche Absätze gern aufs Abstellgleis. Lass dich nicht von deiner Wortklingelei verführen. Und wenn du nicht selbst entscheiden kannst, lass es einen Freund tun. 

9. Bleibe dran! Jeder kennt diese unteren Bereiche von Todo-Listen, in denen seit Wochen und Monaten das Unerledigte hängt. Und vieles fällt irgendwann hinten runter. Das ist natürlich das Unbefriedigendste: sich erst viel Arbeit gemacht zu haben und am Ende alles in die Tonne zu treten. Bemühe dich deshalb, nur weniger anzugehen und wenigstens eine Dreiviertelstunde am Tag dran zu bleiben. hast du es einmal eine Woche abgebrochen, dann wird es in aller Regel nichts mehr.     


Bearbeitung: Hans Werner Rodrian
Datum und Uhrzeit: 2024-08-21 18:24:24
Inhalt der Änderung

Jede von uns hatte schon mal eine Schreibblockade. Keiner ist frei davon, auch mal ein unterdurchschnittliches Stück zu produzieren. Aber wir können daran arbeiten, dass das immer seltener passiert. Denn journalistisches Schreiben ist keine Kunst, sondern Handwerk.

Und dieses handwerkliche Können lässt sich optimieren, um selbst in schwieriger Lage den Restart zu schaffen. Natürlich wird der Markt immer enger. Aber wer zuverlässig handwerklich ordentliche Stücke produziert, nicht jedes zweite an die Wand fährt und sich beim Recherchen und Texten nicht verzettelt, der bleibt obenauf, wenn andere längst unter Wasser sind.

Viel zu viele von uns wissen selbst nicht recht, wie ihre Artikel entstehen. Sie kauen an Bleistiften, machen Notizen auf Blöcken und hoffen, dass sie irgendwann in den Flow kommen und ihre Geschichte dann wie von selbst entsteht.

Das ist keine gute Basis. So wird man zum Alkoholiker.

Zehn Tipps, besser zu schreiben:  

  1. Schreibe zumindest bei größeren Texten nicht drauflos, sondern überlege dir vorher eine Struktur: erst Arbeitstitel und Teaser, dann Einstieg, dann Schluss und dazwischen die zentralen Argumente oder Stationen. So hast du einen Fahrplan und behältst die Hauptroute im Blick, anstatt dich in irgendwelchen Sackgassen zu verzetteln.  
  2. Auf Basis dieser Hauptroute recherchierst du. Und du hältst deine Recherche-Ergebnisse detailliert fest. Dann kannst du später aus dem Vollen schöpfen. Wichtig: Lass dir beim Recherchieren immer auch Raum offen für Unvorhergesehenes. Es sind ja diese Überraschungsmomente, die am Ende das Salz in der Suppe ausmachen. Extratipp: Wenn du weniger als 25 Prozent Überraschendes gefunden hast, dann lohnt es sich vielleicht, noch mal zu suchen. 
  3. Aus den Rechercheergebnissen übernimmst du Stichwörter und Bestandteile in den Rohtext, der sich dadurch aufbaut. Wenn du vorher bereits einen groben Fahrplan des Texts skizziert hast, dann stehen die Recherchen jetzt schon mal in der richtigen Reihenfolge. 
  4. Und sobald du die Fakten beieinander hast, schreibst du das Stück oder zumindest den Absatz runter. Dabei gilt: Verständlichkeit vor Genialität, klare Ausdrucksweise vor Formulierungslust. Und: das Wichtigste nach vorn. Denn was hast du davon, wenn du dein Feuerwerk erst zündest, wenn drei Viertel der Leser längst abgesprungen sind? 
  5. Gleiche bereits beim Schreiben und später beim Durchlesen (du liest doch jeden fertigen Artikel noch mal ganz durch oder etwa nicht?) Titel, Teaser, Kernaussage und Hauptpunkte aufeinander ab. Bist du auf der Hauptroute geblieben? Gibt es vielleicht eine bessere Szene für diesen Gedanken? Stimmen die Längen der einzelnen Absätze? 
  6. Nachdem der Artikel fertig und abgegeben ist: Gleiche ihn mit der späteren Veröffentlichung ab und lerne auf diese Weise von den Redigierenden (Macht niemand gern, hilft aber ungemein).
  7. Bilde Redigierzirkel mit anderen guten Schreibern.
  8. Begreife schreiberische Kritik als wichtige Hilfestellung und nicht als persönliche Kränkung.
  9. Such dir die besten Schreiber in deinem Bereich und seziere ihre Texte. Leiste dir die Zeit, täglich andere gute Texte zu lesen und zu analysieren. Tipp: Texte, die Journalistgenpreise gewonnen haben, sind da ein guter Einstieg.
  10. Lerne von dir selbst. Wie ist es dir neulich gelungen, diesen einen guten Text zu schreiben? Was davon ist wiederholbar?  

Schneller schreiben

Ich bewundere sie noch heute: die Reporter (es waren eigentlich immer Männer) aus der vordigitalen Zeit, die mit dem Papst unterwegs waren oder in irgendeinem Krieg. Und kaum kamen sie an ein Telefon, riefen sie in der Redaktion an und diktierten ihre Reportage nur von ihrer Kladde gestützt durch. Heute diktieren die wirklich schnellen Sport- oder Politikreporter wieder,  sie sprechen ihre Berichte ins Textprogramm. Wie machen sie das nur? Mit viel Routine, aber auch mit einer Reihe von Tricks. Auch wenn du (wie ich) lieber tippst als sprichst, kannst du dir ein paar Turbo-Tipps aneignen. Denn jede Minute, die du schneller schreibst, bist du früher fertig. 

Starte mit der Kernaussage. Die darf sich nicht erst beim Schreiben ergeben. Packe sie in einen Arbeitstitel und einen Arbeitsteaser und in einen Arbeitsvorspann. Der Trick sorgt dafür, dass du nicht stundenlang auf die geniale Eingebung wartest, sondern gleich vom Fleck kommst. Und dann, während du am Text arbeitest, stets auch die Titelei verbesserst.

Nutze Textgerüste. Erfahrene Schreiber haben immer mehrere Varianten von Textgerüsten in der Hinterhand. Ein Klassiker ist das Feature, in dem sich Szenen und Aussagen abwechseln bzw. aufeinander aufbauen. Die Szene wird zum Beleg, aus dem die Aussage folgt. Oder umgekehrt. Ein anderer Typ ist die Reportage, in der du aus zwei (oder mehr) Handlungssträngen einen Zopf flechtest. Die Gerüste sind vielleicht andere, wenn du Fußball-Reporterin oder Social-Media-Spezialist bist, Lokalvideos drehst oder Interviews führst - aber es gibt sie eigentlich immer.  

Lieber Satzfetzen als gar nichts. Es fließt gerade nicht? Dann schreibe halbe Sätze, Stichwörter, Gedanken nieder. Und mache dann mit dem nächsten Absatz weiter, der dir gerade leichter fällt. Niemand schreibt dir vor, dass du den Text in der Lesereihenfolge geschrieben haben musst. Oft geht genau der Knoten, den du gerade hast, beim nächsten Anlauf ganz einfach auf. Oder du stellst fest, dass du sowieso keinen Platz mehr für diesen komplizierten Gedanken hast. Tipp: Schraube deine Ansprüche an den ersten Entwurf herunter. Bei der Überarbeitung erhöhst du sie dann.

Umfänge einteilen. Schreibe nichts, was hinterher doch nicht gebraucht wird. Wenn 10.000 Zeichen bestellt sind, ziehst du je 1000 Zeichen für Einstieg und Schluss ab und teilst den Rest durch deine 5 Hauptgedanken. Dann weißt du, dass ein Gedanke in 1600 Zeichen abgearbeitet sein muss. Oder du musst einen Gedanken opfern. 

Schreibe einfach weiter. Du hast dir ja sicher (siehe oben, Besser schreiben) vor dem Start des Fließtexts stichpunktartig drunter deine Hauptgedanken und eine Idee für den Schluss geschrieben. Wenn du jetzt bei Punkt zwei hängst, dann schreibe einfach bei Punkt drei weiter. Meistens löst sich dann der Knoten weiter oben auf (nicht selten warst du oben schon in einer Sackgasse).

Versuche es kürzer. Noch kürzer. Viel kürzer. Ziemlich oft wird in der Mitte des Texts der Platz knapp. Und es gibt bei Hektik und Stress nichts Unnötigeres, als Text zu schreiben, der nachher doch wieder gestrichen werden muss. Konzentriere dich also in einem ersten Durchlauf auf das absolut Unumgängliche. Und alles Hübsche, Nette, Lustige bleibt vorerst in einem Reserveblock. Das macht den Text geradliniger und du bist viel schneller durch. Wenn du dann noch Platz hast, dann ergänze Ideen aus deinem Reserveblock.

Extra-Übung: Erinnerst du dich noch an die alten Reporter, die ihre Texte aus dem Stegreif diktierten? Probier doch die Steigerung davon: Du erzählst (vor dem Texten!) deinem Partner (oder deinem Smartphone) in einer Minute die Geschichte. Das führt zwingend zum Kern des Themas. Und dazu, den Beitrag schnell und erfolgversprechend bei möglichen Auftraggebern zu pitchen. 

Sicherer schreiben

Du kannst die größten Stars unserer Branche fragen: Auch sie haben nicht jedes Projekt erfolgreich zu Ende geführt. Aktuelle Beiträge sind unter Zeitdruck völlig in die Hosen gegangen (dagegen helfen die Tipps im vorigen Absatz), Stücke mit weniger Zeitdruck sind nie entstanden bzw. lungern halbfertig in diesem räudigen Laptop. Wie gelingt es dir, ein Schreibprojekt sicher zum Erfolg zu führen? Hier folgen ein paar Vorschläge. 

1. Trenne den Gliederungs-, Recherche- und Schreibprozess nicht voneinander. Integriere alle drei. Beginne mit dem Schreiben im Kopf und auf deinem Laptop, sobald du den Auftrag erhalten hast, und zwar während der gesamten Recherche.

2. Finde deinen Schwerpunkt vor Ort. Kämpfe um ihn. Wenn du wartest, bis du an deinen Schreibtisch zurückkehrst, und dann erst ermittelst, worum es in deiner Geschichte wirklich gehen wird, dann kannst du nicht mehr zurückgehen, um dir das Fehlende zu holen, die Geschichte rund zu bekommen. Oder es wird dich zumindest unnötig viel Zeit kosten.

3. Kommentiere deine Notizen, während du sie machst: "Möglicher Einstieg", "Anschlussgedanke an...", "Hier fehlt noch ein Zitat". Halte auch Absätze fest, die du noch gar nicht hast: "Für welche größere Geschichte steht dieses Detailthema?", "Statistik", "Vorgeschichte", "Einschätzungen von Beteiligten".

4. Du musst deinen Text doch kurzfristig noch umwerfen? Dann kritzele auch bei aller Hektik erst mal einen neuen Fünf-Punkte-Plan auf einen (gern digitalen) Notizzettel. Die kurze Zeit, die du dafür brauchst, wird dir am Ende wertvolle Zeit sparen. 

5. Fasse dich kurz. Oder anders gesagt. Baue erst mal eine Gartenhütte, die für sich steht - mit Fundament, Wänden und Dach. Danach baust du hier eine Veranda an und dort einen Garage und schließlich noch ein zweites Geschoss. Das ist sicher und geht auch viel leichter, als gleich eine Kathedrale errichten zu wollen. Das ist überhaupt ein Anfängerfehler: zu erwarten, das Problem liege darin, den Platz zu füllen. Es geht am Ende eigentlich immer darum auszuwählen. 

6. Bei einem zeitkritischen Thema (etwa einer Wahlberichterstattung) kannst du für ein Ergebnis planen ("Trump gewinnt wie erwartet") und dir ein anderes als Option offen halten ("Kamala schafft das Wunder"). Du wirst dich wundern, wie viele Absätze gleich bleiben können, auch wenn der Handlungsbogen plötzlich eine unerwartete Wendung nimmt.

7. Halte dich zunächst an maximal drei Hauptquellen. Viele Textende haben bei großen Geschichten oft uferlos viel Recherchematerial, in dem sie sich leicht verheddern. Wenn das der Fall ist: entscheide dich für ein paar Hauptquellen. Und checke dann erst, was noch fehlt. Tipp: Von manchen nicht ganz zentralen Recherchen verabschiedest du dich leichter, wenn du sie als Start eines zweiten Textes zur Seite legst.

8. Vorsicht vor deinen Lieblingsformulierungen. Bei diesem einen Absatz warst du so gut im Flow und es klingt auch alles richtig gut - dummerweise führen dich gerade solche Absätze gern aufs Abstellgleis. Lass dich nicht von deiner Wortklingelei verführen. Und wenn du nicht selbst entscheiden kannst, lass es einen Freund tun. 

9. Bleibe dran! Jeder kennt diese unteren Bereich von Todo-Listen, in denen seit Wochen und Monaten das Unerledigte hängt. Und vieles fällt irgendwann hinten runter. Das ist natürlich das Unbefriedigendste: sich erst viel Arbeit gemacht zu haben und am Ende alles in die Tonne zu treten. Bemühe dich deshalb, nur weniger anzugehen und wenigstens eine Dreiviertelstunde am Tag dran zu bleiben. hast du es einmal eine Woche abgebrochen, dann wird es in aller Regel nichts mehr.     


Bearbeitung: Hans Werner Rodrian
Datum und Uhrzeit: 2024-08-21 18:23:11
Inhalt der Änderung

Jede von uns hatte schon mal eine Schreibblockade. Keiner ist frei davon, auch mal ein unterdurchschnittliches Stück zu produzieren. Aber wir können daran arbeiten, dass das immer seltener passiert. Denn journalistisches Schreiben ist keine Kunst, sondern Handwerk.

Und dieses handwerkliche Können lässt sich optimieren, um selbst in schwieriger Lage den Restart zu schaffen. Natürlich wird der Markt immer enger. Aber wer zuverlässig handwerklich ordentliche Stücke produziert, nicht jedes zweite an die Wand fährt und sich beim Recherchen und Texten nicht verzettelt, der bleibt obenauf, wenn andere längst unter Wasser sind.

Viel zu viele von uns wissen selbst nicht recht, wie ihre Artikel entstehen. Sie kauen an Bleistiften, machen Notizen auf Blöcken und hoffen, dass sie irgendwann in den Flow kommen und ihre Geschichte dann wie von selbst entsteht.

Das ist keine gute Basis. So wird man zum Alkoholiker.

Zehn Tipps, besser zu schreiben:  

  1. Schreibe zumindest bei größeren Texten nicht drauflos, sondern überlege dir vorher eine Struktur: erst Arbeitstitel und Teaser, dann Einstieg, dann Schluss und dazwischen die zentralen Argumente oder Stationen. So hast du einen Fahrplan und behältst die Hauptroute im Blick, anstatt dich in irgendwelchen Sackgassen zu verzetteln.  
  2. Auf Basis dieser Hauptroute recherchierst du. Und du hältst deine Recherche-Ergebnisse detailliert fest. Dann kannst du später aus dem Vollen schöpfen. Wichtig: Lass dir beim Recherchieren immer auch Raum offen für Unvorhergesehenes. Es sind ja diese Überraschungsmomente, die am Ende das Salz in der Suppe ausmachen. Extratipp: Wenn du weniger als 25 Prozent Überraschendes gefunden hast, dann lohnt es sich vielleicht, noch mal zu suchen. 
  3. Aus den Rechercheergebnissen übernimmst du Stichwörter und Bestandteile in den Rohtext, der sich dadurch aufbaut. Wenn du vorher bereits einen groben Fahrplan des Texts skizziert hast, dann stehen die Recherchen jetzt schon mal in der richtigen Reihenfolge. 
  4. Und sobald du die Fakten beieinander hast, schreibst du das Stück oder zumindest den Absatz runter. Dabei gilt: Verständlichkeit vor Genialität, klare Ausdrucksweise vor Formulierungslust. Und: das Wichtigste nach vorn. Denn was hast du davon, wenn du dein Feuerwerk erst zündest, wenn drei Viertel der Leser längst abgesprungen sind? 
  5. Gleiche bereits beim Schreiben und später beim Durchlesen (du liest doch jeden fertigen Artikel noch mal ganz durch oder etwa nicht?) Titel, Teaser, Kernaussage und Hauptpunkte aufeinander ab. Bist du auf der Hauptroute geblieben? Gibt es vielleicht eine bessere Szene für diesen Gedanken? Stimmen die Längen der einzelnen Absätze? 
  6. Nachdem der Artikel fertig und abgegeben ist: Gleiche ihn mit der späteren Veröffentlichung ab und lerne auf diese Weise von den Redigierenden. (Macht niemand gern, hilft aber ungemein)
  7. Bilde Redigierzirkel mit anderen guten Schreibern.
  8. Begreife schreiberische Kritik als wichtige Hilfestellung und nicht als persönliche Kränkung.
  9. Such dir die besten Schreiber in deinem Bereich und seziere ihre Texte. Leiste dir die Zeit, täglich andere gute Texte zu lesen und zu analysieren. Tipp: Texte, die Journalistgenpreise gewonnen haben, sind da ein guter Einstieg.
  10. Lerne von dir selbst. Wie ist es dir neulich gelungen, diesen einen guten Text zu schreiben? Was davon ist wiederholbar?  

Schneller schreiben

Ich bewundere sie noch heute: die Reporter (es waren eigentlich immer Männer) aus der vordigitalen Zeit, die mit dem Papst unterwegs waren oder in irgendeinem Krieg. Und kaum kamen sie an ein Telefon, riefen sie in der Redaktion an und diktierten ihre Reportage nur von ihrer Kladde gestützt durch. Heute diktieren die wirklich schnellen Sport- oder Politikreporter wieder,  sie sprechen ihre Berichte ins Textprogramm. Wie machen sie das nur? Mit viel Routine, aber auch mit einer Reihe von Tricks. Auch wenn du (wie ich) lieber tippst als sprichst, kannst du dir ein paar Turbo-Tipps aneignen. Denn jede Minute, die du schneller schreibst, bist du früher fertig. 

Starte mit der Kernaussage. Die darf sich nicht erst beim Schreiben ergeben. Packe sie in einen Arbeitstitel und einen Arbeitsteaser und in einen Arbeitsvorspann. Der Trick sorgt dafür, dass du nicht stundenlang auf die geniale Eingebung wartest, sondern gleich vom Fleck kommst. Und dann, während du am Text arbeitest, stets auch die Titelei verbesserst.

Nutze Textgerüste. Erfahrene Schreiber haben immer mehrere Varianten von Textgerüsten in der Hinterhand. Ein Klassiker ist das Feature, in dem sich Szenen und Aussagen abwechseln bzw. aufeinander aufbauen. Die Szene wird zum Beleg, aus dem die Aussage folgt. Oder umgekehrt. Ein anderer Typ ist die Reportage, in der du aus zwei (oder mehr) Handlungssträngen einen Zopf flechtest. Die Gerüste sind vielleicht andere, wenn du Fußball-Reporterin oder Social-Media-Spezialist bist, Lokalvideos drehst oder Interviews führst - aber es gibt sie eigentlich immer.  

Lieber Satzfetzen als gar nichts. Es fließt gerade nicht? Dann schreibe halbe Sätze, Stichwörter, Gedanken nieder. Und mache dann mit dem nächsten Absatz weiter, der dir gerade leichter fällt. Niemand schreibt dir vor, dass du den Text in der Lesereihenfolge geschrieben haben musst. Oft geht genau der Knoten, den du gerade hast, beim nächsten Anlauf ganz einfach auf. Oder du stellst fest, dass du sowieso keinen Platz mehr für diesen komplizierten Gedanken hast. Tipp: Schraube deine Ansprüche an den ersten Entwurf herunter. Bei der Überarbeitung erhöhst du sie dann.

Umfänge einteilen. Schreibe nichts, was hinterher doch nicht gebraucht wird. Wenn 10.000 Zeichen bestellt sind, ziehst du je 1000 Zeichen für Einstieg und Schluss ab und teilst den Rest durch deine 5 Hauptgedanken. Dann weißt du, dass ein Gedanke in 1600 Zeichen abgearbeitet sein muss. Oder du musst einen Gedanken opfern. 

Schreibe einfach weiter. Du hast dir ja sicher (siehe oben, Besser schreiben) vor dem Start des Fließtexts stichpunktartig drunter deine Hauptgedanken und eine Idee für den Schluss geschrieben. Wenn du jetzt bei Punkt zwei hängst, dann schreibe einfach bei Punkt drei weiter. Meistens löst sich dann der Knoten weiter oben auf (nicht selten warst du oben schon in einer Sackgasse).

Versuche es kürzer. Noch kürzer. Viel kürzer. Ziemlich oft wird in der Mitte des Texts der Platz knapp. Und es gibt bei Hektik und Stress nichts Unnötigeres, als Text zu schreiben, der nachher doch wieder gestrichen werden muss. Konzentriere dich also in einem ersten Durchlauf auf das absolut Unumgängliche. Und alles Hübsche, Nette, Lustige bleibt vorerst in einem Reserveblock. Das macht den Text geradliniger und du bist viel schneller durch. Wenn du dann noch Platz hast, dann ergänze Ideen aus deinem Reserveblock.

Extra-Übung: Erinnerst du dich noch an die alten Reporter, die ihre Texte aus dem Stegreif diktierten? Probier doch die Steigerung davon: Du erzählst (vor dem Texten!) deinem Partner (oder deinem Smartphone) in einer Minute die Geschichte. Das führt zwingend zum Kern des Themas. Und dazu, den Beitrag schnell und erfolgversprechend bei möglichen Auftraggebern zu pitchen. 

Sicherer schreiben

Du kannst die größten Stars unserer Branche fragen: Auch sie haben nicht jedes Projekt erfolgreich zu Ende geführt. Aktuelle Beiträge sind unter Zeitdruck völlig in die Hosen gegangen (dagegen helfen die Tipps im vorigen Absatz), Stücke mit weniger Zeitdruck sind nie entstanden bzw. lungern halbfertig in diesem räudigen Laptop. Wie gelingt es dir, ein Schreibprojekt sicher zum Erfolg zu führen? Hier folgen ein paar Vorschläge. 

1. Trenne den Gliederungs-, Recherche- und Schreibprozess nicht voneinander. Integriere alle drei. Beginne mit dem Schreiben im Kopf und auf deinem Laptop, sobald du den Auftrag erhalten hast, und zwar während der gesamten Recherche.

2. Finde deinen Schwerpunkt vor Ort. Kämpfe um ihn. Wenn du wartest, bis du an deinen Schreibtisch zurückkehrst, und dann erst ermittelst, worum es in deiner Geschichte wirklich gehen wird, dann kannst du nicht mehr zurückgehen, um dir das Fehlende zu holen, die Geschichte rund zu bekommen. Oder es wird dich zumindest unnötig viel Zeit kosten.

3. Kommentiere deine Notizen, während du sie machst: "Möglicher Einstieg", "Anschlussgedanke an...", "Hier fehlt noch ein Zitat". Halte auch Absätze fest, die du noch gar nicht hast: "Für welche größere Geschichte steht dieses Detailthema?", "Statistik", "Vorgeschichte", "Einschätzungen von Beteiligten".

4. Du musst deinen Text doch kurzfristig noch umwerfen? Dann kritzele auch bei aller Hektik erst mal einen neuen Fünf-Punkte-Plan auf einen (gern digitalen) Notizzettel. Die kurze Zeit, die du dafür brauchst, wird dir am Ende wertvolle Zeit sparen. 

5. Fasse dich kurz. Oder anders gesagt. Baue erst mal eine Gartenhütte, die für sich steht - mit Fundament, Wänden und Dach. Danach baust du hier eine Veranda an und dort einen Garage und schließlich noch ein zweites Geschoss. Das ist sicher und geht auch viel leichter, als gleich eine Kathedrale errichten zu wollen. Das ist überhaupt ein Anfängerfehler: zu erwarten, das Problem liege darin, den Platz zu füllen. Es geht am Ende eigentlich immer darum auszuwählen. 

6. Bei einem zeitkritischen Thema (etwa einer Wahlberichterstattung) kannst du für ein Ergebnis planen ("Trump gewinnt wie erwartet") und dir ein anderes als Option offen halten ("Kamala schafft das Wunder"). Du wirst dich wundern, wie viele Absätze gleich bleiben können, auch wenn der Handlungsbogen plötzlich eine unerwartete Wendung nimmt.

7. Halte dich zunächst an maximal drei Hauptquellen. Viele Textende haben bei großen Geschichten oft uferlos viel Recherchematerial, in dem sie sich leicht verheddern. Wenn das der Fall ist: entscheide dich für ein paar Hauptquellen. Und checke dann erst, was noch fehlt. Tipp: Von manchen nicht ganz zentralen Recherchen verabschiedest du dich leichter, wenn du sie als Start eines zweiten Textes zur Seite legst.

8. Vorsicht vor deinen Lieblingsformulierungen. Bei diesem einen Absatz warst du so gut im Flow und es klingt auch alles richtig gut - dummerweise führen dich gerade solche Absätze gern aufs Abstellgleis. Lass dich nicht von deiner Wortklingelei verführen. Und wenn du nicht selbst entscheiden kannst, lass es einen Freund tun. 

9. Bleibe dran! Jeder kennt diese unteren Bereich von Todo-Listen, in denen seit Wochen und Monaten das Unerledigte hängt. Und vieles fällt irgendwann hinten runter. Das ist natürlich das Unbefriedigendste: sich erst viel Arbeit gemacht zu haben und am Ende alles in die Tonne zu treten. Bemühe dich deshalb, nur weniger anzugehen und wenigstens eine Dreiviertelstunde am Tag dran zu bleiben. hast du es einmal eine Woche abgebrochen, dann wird es in aller Regel nichts mehr.     


Bearbeitung: Hans Werner Rodrian
Datum und Uhrzeit: 2024-08-21 18:22:44
Inhalt der Änderung

Jede von uns hatte schon mal eine Schreibblockade. Keiner ist frei davon, auch mal ein unterdurchschnittliches Stück zu produzieren. Aber wir können daran arbeiten, dass das immer seltener passiert. Denn journalistisches Schreiben ist keine Kunst, sondern Handwerk.

Und dieses handwerkliche Können lässt sich optimieren, um selbst in schwieriger Lage den Restart zu schaffen. Natürlich wird der Markt immer enger. Aber wer zuverlässig handwerklich ordentliche Stücke produziert, nicht jedes zweite an die Wand fährt und sich beim Recherchen und Texten nicht verzettelt, der bleibt obenauf, wenn andere längst unter Wasser sind.

Viel zu viele von uns wissen selbst nicht recht, wie ihre Artikel entstehen. Sie kauen an Bleistiften, machen Notizen auf Blöcken und hoffen, dass sie irgendwann in den Flow kommen und ihre Geschichte dann wie von selbst entsteht.

Das ist keine gute Basis. So wird man zum Alkoholiker.

Zehn Tipps, besser zu schreiben:  

  1. Schreibe zumindest bei größeren Texten nicht drauflos, sondern überlege dir vorher eine Struktur: erst Arbeitstitel und Teaser, dann Einstieg, dann Schluss und dazwischen die zentralen Argumente oder Stationen. So hast du einen Fahrplan und behältst die Hauptroute im Blick, anstatt dich in irgendwelchen Sackgassen zu verzetteln.  
  2. Auf Basis dieser Hauptroute recherchierst du. Und du hältst deine Recherche-Ergebnisse detailliert fest. Dann kannst du später aus dem Vollen schöpfen. Wichtig: Lass dir beim Recherchieren immer auch Raum offen für Unvorhergesehenes. Es sind ja diese Überraschungsmomente, die am Ende das Salz in der Suppe ausmachen. Extratipp: Wenn du weniger als 25 Prozent Überraschendes gefunden hast, dann lohnt es sich vielleicht, noch mal zu suchen. 
  3. Aus den Rechercheergebnissen übernimmst du Stichwörter und Bestandteile in den Rohtext, der sich dadurch aufbaut. Wenn du vorher bereits einen groben Fahrplan des Texts skizziert hast, dann stehen die Recherchen jetzt schon mal in der richtigen Reihenfolge. 
  4. Und sobald du die Fakten beieinander hast, schreibst du das Stück oder zumindest den Absatz runter. Dabei gilt: Verständlichkeit vor Genialität, klare Ausdrucksweise vor Formulierungslust. Und: das Wichtigste nach vorn. Denn was hast du davon, wenn du dein Feuerwerk erst zündest, wenn drei Viertel der Leser längst abgesprungen sind? 
  5. Gleiche bereits beim Schreiben und später beim Durchlesen (du liest doch jeden fertigen Artikel noch mal ganz durch oder etwas nicht?) Titel, Teaser, Kernaussage und Hauptpunkte aufeinander ab. Bist du auf der Hauptroute geblieben? Gibt es vielleicht eine bessere Szene für diesen Gedanken? Stimmen die Längen der einzelnen Absätze? 
  6. Nachdem der Artikel fertig und abgegeben ist: Gleiche ihn mit der späteren Veröffentlichung ab und lerne auf diese Weise von den Redigierenden. (Macht niemand gern, hilft aber ungemein)
  7. Bilde Redigierzirkel mit anderen guten Schreibern.
  8. Begreife schreiberische Kritik als wichtige Hilfestellung und nicht als persönliche Kränkung.
  9. Such dir die besten Schreiber in deinem Bereich und seziere ihre Texte. Leiste dir die Zeit, täglich andere gute Texte zu lesen und zu analysieren. Tipp: Texte, die Journalistgenpreise gewonnen haben, sind da ein guter Einstieg.
  10. Lerne von dir selbst. Wie ist es dir neulich gelungen, diesen einen guten Text zu schreiben? Was davon ist wiederholbar?  

Schneller schreiben

Ich bewundere sie noch heute: die Reporter (es waren eigentlich immer Männer) aus der vordigitalen Zeit, die mit dem Papst unterwegs waren oder in irgendeinem Krieg. Und kaum kamen sie an ein Telefon, riefen sie in der Redaktion an und diktierten ihre Reportage nur von ihrer Kladde gestützt durch. Heute diktieren die wirklich schnellen Sport- oder Politikreporter wieder,  sie sprechen ihre Berichte ins Textprogramm. Wie machen sie das nur? Mit viel Routine, aber auch mit einer Reihe von Tricks. Auch wenn du (wie ich) lieber tippst als sprichst, kannst du dir ein paar Turbo-Tipps aneignen. Denn jede Minute, die du schneller schreibst, bist du früher fertig. 

Starte mit der Kernaussage. Die darf sich nicht erst beim Schreiben ergeben. Packe sie in einen Arbeitstitel und einen Arbeitsteaser und in einen Arbeitsvorspann. Der Trick sorgt dafür, dass du nicht stundenlang auf die geniale Eingebung wartest, sondern gleich vom Fleck kommst. Und dann, während du am Text arbeitest, stets auch die Titelei verbesserst.

Nutze Textgerüste. Erfahrene Schreiber haben immer mehrere Varianten von Textgerüsten in der Hinterhand. Ein Klassiker ist das Feature, in dem sich Szenen und Aussagen abwechseln bzw. aufeinander aufbauen. Die Szene wird zum Beleg, aus dem die Aussage folgt. Oder umgekehrt. Ein anderer Typ ist die Reportage, in der du aus zwei (oder mehr) Handlungssträngen einen Zopf flechtest. Die Gerüste sind vielleicht andere, wenn du Fußball-Reporterin oder Social-Media-Spezialist bist, Lokalvideos drehst oder Interviews führst - aber es gibt sie eigentlich immer.  

Lieber Satzfetzen als gar nichts. Es fließt gerade nicht? Dann schreibe halbe Sätze, Stichwörter, Gedanken nieder. Und mache dann mit dem nächsten Absatz weiter, der dir gerade leichter fällt. Niemand schreibt dir vor, dass du den Text in der Lesereihenfolge geschrieben haben musst. Oft geht genau der Knoten, den du gerade hast, beim nächsten Anlauf ganz einfach auf. Oder du stellst fest, dass du sowieso keinen Platz mehr für diesen komplizierten Gedanken hast. Tipp: Schraube deine Ansprüche an den ersten Entwurf herunter. Bei der Überarbeitung erhöhst du sie dann.

Umfänge einteilen. Schreibe nichts, was hinterher doch nicht gebraucht wird. Wenn 10.000 Zeichen bestellt sind, ziehst du je 1000 Zeichen für Einstieg und Schluss ab und teilst den Rest durch deine 5 Hauptgedanken. Dann weißt du, dass ein Gedanke in 1600 Zeichen abgearbeitet sein muss. Oder du musst einen Gedanken opfern. 

Schreibe einfach weiter. Du hast dir ja sicher (siehe oben, Besser schreiben) vor dem Start des Fließtexts stichpunktartig drunter deine Hauptgedanken und eine Idee für den Schluss geschrieben. Wenn du jetzt bei Punkt zwei hängst, dann schreibe einfach bei Punkt drei weiter. Meistens löst sich dann der Knoten weiter oben auf (nicht selten warst du oben schon in einer Sackgasse).

Versuche es kürzer. Noch kürzer. Viel kürzer. Ziemlich oft wird in der Mitte des Texts der Platz knapp. Und es gibt bei Hektik und Stress nichts Unnötigeres, als Text zu schreiben, der nachher doch wieder gestrichen werden muss. Konzentriere dich also in einem ersten Durchlauf auf das absolut Unumgängliche. Und alles Hübsche, Nette, Lustige bleibt vorerst in einem Reserveblock. Das macht den Text geradliniger und du bist viel schneller durch. Wenn du dann noch Platz hast, dann ergänze Ideen aus deinem Reserveblock.

Extra-Übung: Erinnerst du dich noch an die alten Reporter, die ihre Texte aus dem Stegreif diktierten? Probier doch die Steigerung davon: Du erzählst (vor dem Texten!) deinem Partner (oder deinem Smartphone) in einer Minute die Geschichte. Das führt zwingend zum Kern des Themas. Und dazu, den Beitrag schnell und erfolgversprechend bei möglichen Auftraggebern zu pitchen. 

Sicherer schreiben

Du kannst die größten Stars unserer Branche fragen: Auch sie haben nicht jedes Projekt erfolgreich zu Ende geführt. Aktuelle Beiträge sind unter Zeitdruck völlig in die Hosen gegangen (dagegen helfen die Tipps im vorigen Absatz), Stücke mit weniger Zeitdruck sind nie entstanden bzw. lungern halbfertig in diesem räudigen Laptop. Wie gelingt es dir, ein Schreibprojekt sicher zum Erfolg zu führen? Hier folgen ein paar Vorschläge. 

1. Trenne den Gliederungs-, Recherche- und Schreibprozess nicht voneinander. Integriere alle drei. Beginne mit dem Schreiben im Kopf und auf deinem Laptop, sobald du den Auftrag erhalten hast, und zwar während der gesamten Recherche.

2. Finde deinen Schwerpunkt vor Ort. Kämpfe um ihn. Wenn du wartest, bis du an deinen Schreibtisch zurückkehrst, und dann erst ermittelst, worum es in deiner Geschichte wirklich gehen wird, dann kannst du nicht mehr zurückgehen, um dir das Fehlende zu holen, die Geschichte rund zu bekommen. Oder es wird dich zumindest unnötig viel Zeit kosten.

3. Kommentiere deine Notizen, während du sie machst: "Möglicher Einstieg", "Anschlussgedanke an...", "Hier fehlt noch ein Zitat". Halte auch Absätze fest, die du noch gar nicht hast: "Für welche größere Geschichte steht dieses Detailthema?", "Statistik", "Vorgeschichte", "Einschätzungen von Beteiligten".

4. Du musst deinen Text doch kurzfristig noch umwerfen? Dann kritzele auch bei aller Hektik erst mal einen neuen Fünf-Punkte-Plan auf einen (gern digitalen) Notizzettel. Die kurze Zeit, die du dafür brauchst, wird dir am Ende wertvolle Zeit sparen. 

5. Fasse dich kurz. Oder anders gesagt. Baue erst mal eine Gartenhütte, die für sich steht - mit Fundament, Wänden und Dach. Danach baust du hier eine Veranda an und dort einen Garage und schließlich noch ein zweites Geschoss. Das ist sicher und geht auch viel leichter, als gleich eine Kathedrale errichten zu wollen. Das ist überhaupt ein Anfängerfehler: zu erwarten, das Problem liege darin, den Platz zu füllen. Es geht am Ende eigentlich immer darum auszuwählen. 

6. Bei einem zeitkritischen Thema (etwa einer Wahlberichterstattung) kannst du für ein Ergebnis planen ("Trump gewinnt wie erwartet") und dir ein anderes als Option offen halten ("Kamala schafft das Wunder"). Du wirst dich wundern, wie viele Absätze gleich bleiben können, auch wenn der Handlungsbogen plötzlich eine unerwartete Wendung nimmt.

7. Halte dich zunächst an maximal drei Hauptquellen. Viele Textende haben bei großen Geschichten oft uferlos viel Recherchematerial, in dem sie sich leicht verheddern. Wenn das der Fall ist: entscheide dich für ein paar Hauptquellen. Und checke dann erst, was noch fehlt. Tipp: Von manchen nicht ganz zentralen Recherchen verabschiedest du dich leichter, wenn du sie als Start eines zweiten Textes zur Seite legst.

8. Vorsicht vor deinen Lieblingsformulierungen. Bei diesem einen Absatz warst du so gut im Flow und es klingt auch alles richtig gut - dummerweise führen dich gerade solche Absätze gern aufs Abstellgleis. Lass dich nicht von deiner Wortklingelei verführen. Und wenn du nicht selbst entscheiden kannst, lass es einen Freund tun. 

9. Bleibe dran! Jeder kennt diese unteren Bereich von Todo-Listen, in denen seit Wochen und Monaten das Unerledigte hängt. Und vieles fällt irgendwann hinten runter. Das ist natürlich das Unbefriedigendste: sich erst viel Arbeit gemacht zu haben und am Ende alles in die Tonne zu treten. Bemühe dich deshalb, nur weniger anzugehen und wenigstens eine Dreiviertelstunde am Tag dran zu bleiben. hast du es einmal eine Woche abgebrochen, dann wird es in aller Regel nichts mehr.     


Bearbeitung: Hans Werner Rodrian
Datum und Uhrzeit: 2024-08-21 18:02:13
Inhalt der Änderung

Jede von uns hatte schon mal eine Schreibblockade. Keiner ist frei davon, auch mal ein unterdurchschnittliches Stück zu produzieren. Aber wir können daran arbeiten, dass das immer seltener passiert. Denn journalistisches Schreiben ist keine Kunst, sondern Handwerk.

Und dieses handwerkliche Können lässt sich optimieren, um selbst in schwieriger Lage den Restart zu schaffen. Natürlich wird der Markt immer enger. Aber wer zuverlässig handwerklich ordentliche Stücke produziert, nicht jedes zweite an die Wand fährt und sich beim Recherchen und Texten nicht verzettelt, der bleibt obenauf, wenn andere längst unter Wasser sind.

Viel zu viele von uns wissen selbst nicht recht, wie ihre Artikel entstehen. Sie kauen an Bleistiften, machen Notizen auf Blöcken und hoffen, dass sie irgendwann in den Flow kommen und ihre Geschichte dann wie von selbst entsteht.

Das ist keine gute Basis. So wird man zum Alkoholiker.

Zehn Tipps, besser zu schreiben:  

  1. Schreibe zumindest bei größeren Texten nicht drauflos, sondern überlege dir vorher eine Struktur: erst Arbeitstitel und Teaser, dann Einstieg, dann Schluss und dazwischen die zentralen Argumente oder Stationen. So hast du einen Fahrplan und behältst die Hauptroute im Blick, anstatt dich in irgendwelchen Sackgassen zu verzetteln.  
  2. Auf Basis dieser Hauptroute recherchierst du. Und du hältst deine Recherche-Ergebnisse detailliert fest. Dann kannst du später aus dem Vollen schöpfen. Wichtig: Lass dir beim Recherchieren immer auch Raum offen für Unvorhergesehenes. Es sind ja diese Überraschungsmomente, die am Ende das Salz in der Suppe ausmachen. Extratipp: Wenn du weniger als 25 Prozent Überraschendes gefunden hast, dann lohnt es sich vielleicht, noch mal zu suchen. 
  3. Aus den Rechercheergebnissen übernimmst du Stichwörter und Bestandteile in den Rohtext, der sich dadurch aufbaut. Wenn du vorher bereits einen groben Fahrplan des Texts skizziert hast, dann stehen die Recherchen jetzt schon mal in der richtigen Reihenfolge. 
  4. Und sobald du die Fakten beieinander hast, schreibst du das Stück oder zumindest den Absatz runter. Dabei gilt: Verständlichkeit vor Genialität, klare Ausdrucksweise vor Formulierungslust. Und: das Wichtigste nach vorn. Denn was hast du davon, wenn du dein Feuerwerk erst zündest, wen drei Viertel der Leser längst abgesprungen sind? 
  5. Gleiche bereits beim Schreiben und später beim Durchlesen (du liest doch jeden fertigen Artikel noch mal ganz durch oder etwas nicht?) Titel, Teaser, Kernaussage und Hauptpunkte aufeinander ab. Bist du auf der Hauptroute geblieben? Gibt es vielleicht eine bessere Szene für diesen Gedanken? Stimmen die Längen der einzelnen Absätze? 
  6. Nachdem der Artikel fertig und abgegeben ist: Gleiche ihn mit der späteren Veröffentlichung ab und lerne auf diese Weise von den Redigierenden. (Macht niemand gern, hilft aber ungemein)
  7. Bilde Redigierzirkel mit anderen guten Schreibern.
  8. Begreife schreiberische Kritik als wichtige Hilfestellung und nicht als persönliche Kränkung.
  9. Such dir die besten Schreiber in deinem Bereich und seziere ihre Texte. Leiste dir die Zeit, täglich andere gute Texte zu lesen und zu analysieren. Tipp: Texte, die Journalistgenpreise gewonnen haben, sind da ein guter Einstieg.
  10. Lerne von dir selbst. Wie ist es dir neulich gelungen, diesen einen guten Text zu schreiben? Was davon ist wiederholbar?  

Schneller schreiben

Ich bewundere sie noch heute: die Reporter (es waren eigentlich immer Männer) aus der vordigitalen Zeit, die mit dem Papst unterwegs waren oder in irgendeinem Krieg. Und kaum kamen sie an ein Telefon, riefen sie in der Redaktion an und diktierten ihre Reportage nur von ihrer Kladde gestützt durch. Heute diktieren die wirklich schnellen Sport- oder Politikreporter wieder,  sie sprechen ihre Berichte ins Textprogramm. Wie machen sie das nur? Mit viel Routine, aber auch mit einer Reihe von Tricks. Auch wenn du (wie ich) lieber tippst als sprichst, kannst du dir ein paar Turbo-Tipps aneignen. Denn jede Minute, die du schneller schreibst, bist du früher fertig. 

Starte mit der Kernaussage. Die darf sich nicht erst beim Schreiben ergeben. Packe sie in einen Arbeitstitel und einen Arbeitsteaser und in einen Arbeitsvorspann. Der Trick sorgt dafür, dass du nicht stundenlang auf die geniale Eingebung wartest, sondern gleich vom Fleck kommst. Und dann, während du am Text arbeitest, stets auch die Titelei verbesserst.

Nutze Textgerüste. Erfahrene Schreiber haben immer mehrere Varianten von Textgerüsten in der Hinterhand. Ein Klassiker ist das Feature, in dem sich Szenen und Aussagen abwechseln bzw. aufeinander aufbauen. Die Szene wird zum Beleg, aus dem die Aussage folgt. Oder umgekehrt. Ein anderer Typ ist die Reportage, in der du aus zwei (oder mehr) Handlungssträngen einen Zopf flechtest. Die Gerüste sind vielleicht andere, wenn du Fußball-Reporterin oder Social-Media-Spezialist bist, Lokalvideos drehst oder Interviews führst - aber es gibt sie eigentlich immer.  

Lieber Satzfetzen als gar nichts. Es fließt gerade nicht? Dann schreibe halbe Sätze, Stichwörter, Gedanken nieder. Und mache dann mit dem nächsten Absatz weiter, der dir gerade leichter fällt. Niemand schreibt dir vor, dass du den Text in der Lesereihenfolge geschrieben haben musst. Oft geht genau der Knoten, den du gerade hast, beim nächsten Anlauf ganz einfach auf. Oder du stellst fest, dass du sowieso keinen Platz mehr für diesen komplizierten Gedanken hast. Tipp: Schraube deine Ansprüche an den ersten Entwurf herunter. Bei der Überarbeitung erhöhst du sie dann.

Umfänge einteilen. Schreibe nichts, was hinterher doch nicht gebraucht wird. Wenn 10.000 Zeichen bestellt sind, ziehst du je 1000 Zeichen für Einstieg und Schluss ab und teilst den Rest durch deine 5 Hauptgedanken. Dann weißt du, dass ein Gedanke in 1600 Zeichen abgearbeitet sein muss. Oder du musst einen Gedanken opfern. 

Schreibe einfach weiter. Du hast dir ja sicher (siehe oben, Besser schreiben) vor dem Start des Fließtexts stichpunktartig drunter deine Hauptgedanken und eine Idee für den Schluss geschrieben. Wenn du jetzt bei Punkt zwei hängst, dann schreibe einfach bei Punkt drei weiter. Meistens löst sich dann der Knoten weiter oben auf (nicht selten warst du oben schon in einer Sackgasse).

Versuche es kürzer. Noch kürzer. Viel kürzer. Ziemlich oft wird in der Mitte des Texts der Platz knapp. Und es gibt bei Hektik und Stress nichts Unnötigeres, als Text zu schreiben, der nachher doch wieder gestrichen werden muss. Konzentriere dich also in einem ersten Durchlauf auf das absolut Unumgängliche. Und alles Hübsche, Nette, Lustige bleibt vorerst in einem Reserveblock. Das macht den Text geradliniger und du bist viel schneller durch. Wenn du dann noch Platz hast, dann ergänze Ideen aus deinem Reserveblock.

Extra-Übung: Erinnerst du dich noch an die alten Reporter, die ihre Texte aus dem Stegreif diktierten? Probier doch die Steigerung davon: Du erzählst (vor dem Texten!) deinem Partner (oder deinem Smartphone) in einer Minute die Geschichte. Das führt zwingend zum Kern des Themas. Und dazu, den Beitrag schnell und erfolgversprechend bei möglichen Auftraggebern zu pitchen. 

Sicherer schreiben

Du kannst die größten Stars unserer Branche fragen: Auch sie haben nicht jedes Projekt erfolgreich zu Ende geführt. Aktuelle Beiträge sind unter Zeitdruck völlig in die Hosen gegangen (dagegen helfen die Tipps im vorigen Absatz), Stücke mit weniger Zeitdruck sind nie entstanden bzw. lungern halbfertig in diesem räudigen Laptop. Wie gelingt es dir, ein Schreibprojekt sicher zum Erfolg zu führen? Hier folgen ein paar Vorschläge. 

1. Trenne den Gliederungs-, Recherche- und Schreibprozess nicht voneinander. Integriere alle drei. Beginne mit dem Schreiben im Kopf und auf deinem Laptop, sobald du den Auftrag erhalten hast, und zwar während der gesamten Recherche.

2. Finde deinen Schwerpunkt vor Ort. Kämpfe um ihn. Wenn du wartest, bis du an deinen Schreibtisch zurückkehrst, und dann erst ermittelst, worum es in deiner Geschichte wirklich gehen wird, dann kannst du nicht mehr zurückgehen, um dir das Fehlende zu holen, die Geschichte rund zu bekommen. Oder es wird dich zumindest unnötig viel Zeit kosten.

3. Kommentiere deine Notizen, während du sie machst: "Möglicher Einstieg", "Anschlussgedanke an...", "Hier fehlt noch ein Zitat". Halte auch Absätze fest, die du noch gar nicht hast: "Für welche größere Geschichte steht dieses Detailthema?", "Statistik", "Vorgeschichte", "Einschätzungen von Beteiligten".

4. Du musst deinen Text doch kurzfristig noch umwerfen? Dann kritzele auch bei aller Hektik erst mal einen neuen Fünf-Punkte-Plan auf einen (gern digitalen) Notizzettel. Die kurze Zeit, die du dafür brauchst, wird dir am Ende wertvolle Zeit sparen. 

5. Fasse dich kurz. Oder anders gesagt. Baue erst mal eine Gartenhütte, die für sich steht - mit Fundament, Wänden und Dach. Danach baust du hier eine Veranda an und dort einen Garage und schließlich noch ein zweites Geschoss. Das ist sicher und geht auch viel leichter, als gleich eine Kathedrale errichten zu wollen. Das ist überhaupt ein Anfängerfehler: zu erwarten, das Problem liege darin, den Platz zu füllen. Es geht am Ende eigentlich immer darum auszuwählen. 

6. Bei einem zeitkritischen Thema (etwa einer Wahlberichterstattung) kannst du für ein Ergebnis planen ("Trump gewinnt wie erwartet") und dir ein anderes als Option offen halten ("Kamala schafft das Wunder"). Du wirst dich wundern, wie viele Absätze gleich bleiben können, auch wenn der Handlungsbogen plötzlich eine unerwartete Wendung nimmt.

7. Halte dich zunächst an maximal drei Hauptquellen. Viele Textende haben bei großen Geschichten oft uferlos viel Recherchematerial, in dem sie sich leicht verheddern. Wenn das der Fall ist: entscheide dich für ein paar Hauptquellen. Und checke dann erst, was noch fehlt. Tipp: Von manchen nicht ganz zentralen Recherchen verabschiedest du dich leichter, wenn du sie als Start eines zweiten Textes zur Seite legst.

8. Vorsicht vor deinen Lieblingsformulierungen. Bei diesem einen Absatz warst du so gut im Flow und es klingt auch alles richtig gut - dummerweise führen dich gerade solche Absätze gern aufs Abstellgleis. Lass dich nicht von deiner Wortklingelei verführen. Und wenn du nicht selbst entscheiden kannst, lass es einen Freund tun. 

9. Bleibe dran! Jeder kennt diese unteren Bereich von Todo-Listen, in denen seit Wochen und Monaten das Unerledigte hängt. Und vieles fällt irgendwann hinten runter. Das ist natürlich das Unbefriedigendste: sich erst viel Arbeit gemacht zu haben und am Ende alles in die Tonne zu treten. Bemühe dich deshalb, nur weniger anzugehen und wenigstens eine Dreiviertelstunde am Tag dran zu bleiben. hast du es einmal eine Woche abgebrochen, dann wird es in aller Regel nichts mehr.     


Bearbeitung: Hans Werner Rodrian
Datum und Uhrzeit: 2024-07-25 21:24:08
Inhalt der Änderung

Jede von uns hatte schon mal eine Schreibblockade. Keiner ist frei davon, auch mal ein unterdurchschnittliches Stück zu produzieren. Aber wir können daran arbeiten, dass das immer seltener passiert. Denn journalistisches Schreiben ist keine Kunst, sondern Handwerk.

Viel zu viele von uns wissen selbst nicht recht, wie ihre Artikel entstehen. Sie kauen an Bleistiften, machen Notizen auf Blöcken und hoffen, dass sie irgendwann in den Flow kommen und ihre Geschichte dann wie von selbst entsteht.

Das ist keine gute Basis. So wird man zum Alkoholiker.

Zehn Tipps, besser zu schreiben:  

  1. Schreibe zumindest bei größeren Texten nicht drauflos, sondern überlege dir vorher eine Struktur: erst Arbeitstitel und Teaser, dann Einstieg, dann Schluss und dazwischen die zentralen Argumente oder Stationen. So hast du einen Fahrplan und behältst die Hauptroute im Blick, anstatt dich in irgendwelchen Sackgassen zu verzetteln.  
  2. Auf Basis dieser Hauptroute recherchierst du. Und du hältst deine Recherche-Ergebnisse detailliert fest. Dann kannst du später aus dem Vollen schöpfen. Wichtig: Lass dir beim Recherchieren immer auch Raum offen für Unvorhergesehenes. Es sind ja diese Überraschungsmomente, die am Ende das Salz in der Suppe ausmachen. Extratipp: Wenn du weniger als 25 Prozent Überraschendes gefunden hast, dann lohnt es sich vielleicht, noch mal zu suchen. 
  3. Aus den Rechercheergebnissen übernimmst du Stichwörter und Bestandteile in den Rohtext, der sich dadurch aufbaut. Wenn du vorher bereits einen groben Fahrplan des Texts skizziert hast, dann stehen die Recherchen jetzt schon mal in der richtigen Reihenfolge. 
  4. Und sobald du die Fakten beieinander hast, schreibst du das Stück oder zumindest den Absatz runter. Dabei gilt: Verständlichkeit vor Genialität, klare Ausdrucksweise vor Formulierungslust. Und: das Wichtigste nach vorn. Denn was hast du davon, wenn du dein Feuerwerk erst zündest, wen drei Viertel der Leser längst abgesprungen sind? 
  5. Gleiche bereits beim Schreiben und später beim Durchlesen (du liest doch jeden fertigen Artikel noch mal ganz durch oder etwas nicht?) Titel, Teaser, Kernaussage und Hauptpunkte aufeinander ab. Bist du auf der Hauptroute geblieben? Gibt es vielleicht eine bessere Szene für diesen Gedanken? Stimmen die Längen der einzelnen Absätze? 
  6. Nachdem der Artikel fertig und abgegeben ist: Gleiche ihn mit der späteren Veröffentlichung ab und lerne auf diese Weise von den Redigierenden. (Macht niemand gern, hilft aber ungemein)
  7. Bilde Redigierzirkel mit anderen guten Schreibern.
  8. Begreife schreiberische Kritik als wichtige Hilfestellung und nicht als persönliche Kränkung.
  9. Such dir die besten Schreiber in deinem Bereich und seziere ihre Texte. Leiste dir die Zeit, täglich andere gute Texte zu lesen und zu analysieren. Tipp: Texte, die Journalistgenpreise gewonnen haben, sind da ein guter Einstieg.
  10. Lerne von dir selbst. Wie ist es dir neulich gelungen, diesen einen guten Text zu schreiben? Was davon ist wiederholbar?  

Schneller schreiben

Ich bewundere sie noch heute: die Reporter (es waren eigentlich immer Männer) aus der vordigitalen Zeit, die mit dem Papst unterwegs waren oder in irgendeinem Krieg. Und kaum kamen sie an ein Telefon, riefen sie in der Redaktion an und diktierten ihre Reportage nur von ihrer Kladde gestützt durch. Heute diktieren die wirklich schnellen Sport- oder Politikreporter wieder,  sie sprechen ihre Berichte ins Textprogramm. Wie machen sie das nur? Mit viel Routine, aber auch mit einer Reihe von Tricks. Auch wenn du (wie ich) lieber tippst als sprichst, kannst du dir ein paar Turbo-Tipps aneignen. Denn jede Minute, die du schneller schreibst, bist du früher fertig. 

Starte mit der Kernaussage. Die darf sich nicht erst beim Schreiben ergeben. Packe sie in einen Arbeitstitel und einen Arbeitsteaser und in einen Arbeitsvorspann. Der Trick sorgt dafür, dass du nicht stundenlang auf die geniale Eingebung wartest, sondern gleich vom Fleck kommst. Und dann, während du am Text arbeitest, stets auch die Titelei verbesserst.

Nutze Textgerüste. Erfahrene Schreiber haben immer mehrere Varianten von Textgerüsten in der Hinterhand. Ein Klassiker ist das Feature, in dem sich Szenen und Aussagen abwechseln bzw. aufeinander aufbauen. Die Szene wird zum Beleg, aus dem die Aussage folgt. Oder umgekehrt. Ein anderer Typ ist die Reportage, in der du aus zwei (oder mehr) Handlungssträngen einen Zopf flechtest. Die Gerüste sind vielleicht andere, wenn du Fußball-Reporterin oder Social-Media-Spezialist bist, Lokalvideos drehst oder Interviews führst - aber es gibt sie eigentlich immer.  

Lieber Satzfetzen als gar nichts. Es fließt gerade nicht? Dann schreibe halbe Sätze, Stichwörter, Gedanken nieder. Und mache dann mit dem nächsten Absatz weiter, der dir gerade leichter fällt. Niemand schreibt dir vor, dass du den Text in der Lesereihenfolge geschrieben haben musst. Oft geht genau der Knoten, den du gerade hast, beim nächsten Anlauf ganz einfach auf. Oder du stellst fest, dass du sowieso keinen Platz mehr für diesen komplizierten Gedanken hast. Tipp: Schraube deine Ansprüche an den ersten Entwurf herunter. Bei der Überarbeitung erhöhst du sie dann.

Umfänge einteilen. Schreibe nichts, was hinterher doch nicht gebraucht wird. Wenn 10.000 Zeichen bestellt sind, ziehst du je 1000 Zeichen für Einstieg und Schluss ab und teilst den Rest durch deine 5 Hauptgedanken. Dann weißt du, dass ein Gedanke in 1600 Zeichen abgearbeitet sein muss. Oder du musst einen Gedanken opfern. 

Schreibe einfach weiter. Du hast dir ja sicher (siehe oben, Besser schreiben) vor dem Start des Fließtexts stichpunktartig drunter deine Hauptgedanken und eine Idee für den Schluss geschrieben. Wenn du jetzt bei Punkt zwei hängst, dann schreibe einfach bei Punkt drei weiter. Meistens löst sich dann der Knoten weiter oben auf (nicht selten warst du oben schon in einer Sackgasse).

Versuche es kürzer. Noch kürzer. Viel kürzer. Ziemlich oft wird in der Mitte des Texts der Platz knapp. Und es gibt bei Hektik und Stress nichts Unnötigeres, als Text zu schreiben, der nachher doch wieder gestrichen werden muss. Konzentriere dich also in einem ersten Durchlauf auf das absolut Unumgängliche. Und alles Hübsche, Nette, Lustige bleibt vorerst in einem Reserveblock. Das macht den Text geradliniger und du bist viel schneller durch. Wenn du dann noch Platz hast, dann ergänze Ideen aus deinem Reserveblock.

Extra-Übung: Erinnerst du dich noch an die alten Reporter, die ihre Texte aus dem Stegreif diktierten? Probier doch die Steigerung davon: Du erzählst (vor dem Texten!) deinem Partner (oder deinem Smartphone) in einer Minute die Geschichte. Das führt zwingend zum Kern des Themas. Und dazu, den Beitrag schnell und erfolgversprechend bei möglichen Auftraggebern zu pitchen. 

Sicherer schreiben

Du kannst die größten Stars unserer Branche fragen: Auch sie haben nicht jedes Projekt erfolgreich zu Ende geführt. Aktuelle Beiträge sind unter Zeitdruck völlig in die Hosen gegangen (dagegen helfen die Tipps im vorigen Absatz), Stücke mit weniger Zeitdruck sind nie entstanden bzw. lungern halbfertig in diesem räudigen Laptop. Wie gelingt es dir, ein Schreibprojekt sicher zum Erfolg zu führen? Hier folgen ein paar Vorschläge. 

1. Trenne den Gliederungs-, Recherche- und Schreibprozess nicht voneinander. Integriere alle drei. Beginne mit dem Schreiben im Kopf und auf deinem Laptop, sobald du den Auftrag erhalten hast, und zwar während der gesamten Recherche.

2. Finde deinen Schwerpunkt vor Ort. Kämpfe um ihn. Wenn du wartest, bis du an deinen Schreibtisch zurückkehrst, und dann erst ermittelst, worum es in deiner Geschichte wirklich gehen wird, dann kannst du nicht mehr zurückgehen, um dir das Fehlende zu holen, die Geschichte rund zu bekommen. Oder es wird dich zumindest unnötig viel Zeit kosten.

3. Kommentiere deine Notizen, während du sie machst: "Möglicher Einstieg", "Anschlussgedanke an...", "Hier fehlt noch ein Zitat". Halte auch Absätze fest, die du noch gar nicht hast: "Für welche größere Geschichte steht dieses Detailthema?", "Statistik", "Vorgeschichte", "Einschätzungen von Beteiligten".

4. Du musst deinen Text doch kurzfristig noch umwerfen? Dann kritzele auch bei aller Hektik erst mal einen neuen Fünf-Punkte-Plan auf einen (gern digitalen) Notizzettel. Die kurze Zeit, die du dafür brauchst, wird dir am Ende wertvolle Zeit sparen. 

5. Fasse dich kurz. Oder anders gesagt. Baue erst mal eine Gartenhütte, die für sich steht - mit Fundament, Wänden und Dach. Danach baust du hier eine Veranda an und dort einen Garage und schließlich noch ein zweites Geschoss. Das ist sicher und geht auch viel leichter, als gleich eine Kathedrale errichten zu wollen. Das ist überhaupt ein Anfängerfehler: zu erwarten, das Problem liege darin, den Platz zu füllen. Es geht am Ende eigentlich immer darum auszuwählen. 

6. Bei einem zeitkritischen Thema (etwa einer Wahlberichterstattung) kannst du für ein Ergebnis planen ("Trump gewinnt wie erwartet") und dir ein anderes als Option offen halten ("Kamala schafft das Wunder"). Du wirst dich wundern, wie viele Absätze gleich bleiben können, auch wenn der Handlungsbogen plötzlich eine unerwartete Wendung nimmt.

7. Halte dich zunächst an maximal drei Hauptquellen. Viele Textende haben bei großen Geschichten oft uferlos viel Recherchematerial, in dem sie sich leicht verheddern. Wenn das der Fall ist: entscheide dich für ein paar Hauptquellen. Und checke dann erst, was noch fehlt. Tipp: Von manchen nicht ganz zentralen Recherchen verabschiedest du dich leichter, wenn du sie als Start eines zweiten Textes zur Seite legst.

8. Vorsicht vor deinen Lieblingsformulierungen. Bei diesem einen Absatz warst du so gut im Flow und es klingt auch alles richtig gut - dummerweise führen dich gerade solche Absätze gern aufs Abstellgleis. Lass dich nicht von deiner Wortklingelei verführen. Und wenn du nicht selbst entscheiden kannst, lass es einen Freund tun. 

9. Bleibe dran! Jeder kennt diese unteren Bereich von Todo-Listen, in denen seit Wochen und Monaten das Unerledigte hängt. Und vieles fällt irgendwann hinten runter. Das ist natürlich das Unbefriedigendste: sich erst viel Arbeit gemacht zu haben und am Ende alles in die Tonne zu treten. Bemühe dich deshalb, nur weniger anzugehen und wenigstens eine Dreiviertelstunde am Tag dran zu bleiben. hast du es einmal eine Woche abgebrochen, dann wird es in aller Regel nichts mehr.     


Bearbeitung: Hans Werner Rodrian
Datum und Uhrzeit: 2024-07-25 21:21:20
Inhalt der Änderung

Jede von uns hatte schon mal eine Schreibblockade. Keiner ist frei davon, auch mal ein unterdurchschnittliches Stück zu produzieren. Aber wir können daran arbeiten, dass das immer seltener passiert. Denn journalistisches Schreiben ist keine Kunst, sondern Handwerk.

Viel zu viele von uns wissen selbst nicht recht, wie ihre Artikel entstehen. Sie kauen an Bleistiften, machen Notizen auf Blöcken und hoffen, dass sie irgendwann in den Flow kommen und ihre Geschichte dann wie von selbst entsteht.

Das ist keine gute Basis. So wird man zum Alkoholiker.

Zehn Tipps, besser zu schreiben:  

  1. Schreibe zumindest bei größeren Texten nicht drauflos, sondern überlege dir vorher eine Struktur: erst Arbeitstitel und Teaser, dann Einstieg, dann Schluss und dazwischen die zentralen Argumente oder Stationen. So hast du einen Fahrplan und behältst die Hauptroute im Blick, anstatt dich in irgendwelchen Sackgassen zu verzetteln.  
  2. Auf Basis dieser Hauptroute recherchierst du. Und du hältst deine Recherche-Ergebnisse detailliert fest. Dann kannst du später aus dem Vollen schöpfen. Wichtig: Lass dir beim Recherchieren immer auch Raum offen für Unvorhergesehenes. Es sind ja diese Überraschungsmomente, die am Ende das Salz in der Suppe ausmachen. Extratipp: Wenn du weniger als 25 Prozent Überraschendes gefunden hast, dann lohnt es sich vielleicht, noch mal zu suchen. 
  3. Aus den Rechercheergebnissen übernimmst du Stichwörter und Bestandteile in den Rohtext, der sich dadurch aufbaut. Wenn du vorher bereits einen groben Fahrplan des Texts skizziert hast, dann stehen die Recherchen jetzt schon mal in der richtigen Reihenfolge. 
  4. Und sobald du die Fakten beieinander hast, schreibst du das Stück oder zumindest den Absatz runter. Dabei gilt: Verständlichkeit vor Genialität, klare Ausdrucksweise vor Formulierungslust. Und: das Wichtigste nach vorn. Denn was hast du davon, wenn du dein Feuerwerk erst zündest, wen drei Viertel der Leser längst abgesprungen sind? 
  5. Gleiche bereits beim Schreiben und später beim Durchlesen (du liest doch jeden fertigen Artikel noch mal ganz durch oder etwas nicht?) Titel, Teaser, Kernaussage und Hauptpunkte aufeinander ab. Bist du auf der Hauptroute geblieben? Gibt es vielleicht eine bessere Szene für diesen Gedanken? Stimmen die Längen der einzelnen Absätze? 
  6. Nachdem der Artikel fertig und abgegeben ist: Gleiche ihn mit der späteren Veröffentlichung ab und lerne auf diese Weise von den Redigierenden. (Macht niemand gern, hilft aber ungemein)
  7. Bilde Redigierzirkel mit anderen guten Schreibern.
  8. Begreife schreiberische Kritik als wichtige Hilfestellung und nicht als persönliche Kränkung.
  9. Such dir die besten Schreiber in deinem Bereich und seziere ihre Texte. Leiste dir die Zeit, täglich andere gute Texte zu lesen und zu analysieren. Tipp: Texte, die Journalistgenpreise gewonnen haben, sind da ein guter Einstieg.
  10. Lerne von dir selbst. Wie ist es dir neulich gelungen, diesen einen guten Text zu schreiben? Was davon ist wiederholbar?  

Schneller schreiben

Ich bewundere sie noch heute: die Reporter (es waren eigentlich immer Männer) aus der vordigitalen Zeit, die mit dem Papst unterwegs waren oder in irgendeinem Krieg. Und kaum kamen sie an ein Telefon, riefen sie in der Redaktion an und diktierten ihre Reportage nur von ihrer Kladde gestützt durch. Heute diktieren die wirklich schnellen Sport- oder Politikreporter wieder,  sie sprechen ihre Berichte ins Textprogramm. Wie machen sie das nur? Mit viel Routine, aber auch mit einer Reihe von Tricks. Auch wenn du (wie ich) lieber tippst als sprichst, kannst du dir ein paar Turbo-Tipps aneignen. Denn jede Minute, die du schneller schreibst, bist du früher fertig. 

Starte mit der Kernaussage. Die darf sich nicht erst beim Schreiben ergeben. Packe sie in einen Arbeitstitel und einen Arbeitsteaser und in einen Arbeitsvorspann. Der Trick sorgt dafür, dass du nicht stundenlang auf die geniale Eingebung wartest, sondern gleich vom Fleck kommst. Und dann, während du am Text arbeitest, stets auch die Titelei verbesserst.

Nutze Textgerüste. Erfahrene Schreiber haben immer mehrere Varianten von Textgerüsten in der Hinterhand. Ein Klassiker ist das Feature, in dem sich Szenen und Aussagen abwechseln bzw. aufeinander aufbauen. Die Szene wird zum Beleg, aus dem die Aussage folgt. Oder umgekehrt. Ein anderer Typ ist die Reportage, in der du aus zwei (oder mehr) Handlungssträngen einen Zopf flechtest. Die Gerüste sind vielleicht andere, wenn du Fußball-Reporterin oder Social-Media-Spezialist bist, Lokalvideos drehst oder Interviews führst - aber es gibt sie eigentlich immer.  

Lieber Satzfetzen als gar nichts. Es fließt gerade nicht? Dann schreibe halbe Sätze, Stichwörter, Gedanken nieder. Und mache dann mit dem nächsten Absatz weiter, der dir gerade leichter fällt. Niemand schreibt dir vor, dass du den Text in der Lesereihenfolge geschrieben haben musst. Oft geht genau der Knoten, den du gerade hast, beim nächsten Anlauf ganz einfach auf. Oder du stellst fest, dass du sowieso keinen Platz mehr für diesen komplizierten Gedanken hast. Tipp: Schraube deine Ansprüche an den ersten Entwurf herunter. Bei der Überarbeitung erhöhst du sie dann.

Umfänge einteilen. Schreibe nichts, was hinterher doch nicht gebraucht wird. Wenn 10.000 Zeichen bestellt sind, ziehst du je 1000 Zeichen für Einstieg und Schluss ab und teilst den Rest durch deine 5 Hauptgedanken. Dann weißt du, dass ein Gedanke in 1600 Zeichen abgearbeitet sein muss. Oder du musst einen Gedanken opfern. 

Schreibe einfach weiter. Du hast dir ja sicher (siehe oben, Besser schreiben) vor dem Start des Fließtexts stichpunktartig drunter deine Hauptgedanken und eine Idee für den Schluss geschrieben. Wenn du jetzt bei Punkt zwei hängst, dann schreibe einfach bei Punkt drei weiter. Meistens löst sich dann der Knoten weiter oben auf (nicht selten warst du oben schon in einer Sackgasse).

Versuche es kürzer. Noch kürzer. Viel kürzer. Ziemlich oft wird in der Mitte des Texts der Platz knapp. Und es gibt bei Hektik und Stress nichts Unnötigeres, als Text zu schreiben, der nachher doch wieder gestrichen werden muss. Konzentriere dich also in einem ersten Durchlauf auf das absolut Unumgängliche. Und alles Hübsche, Nette, Lustige bleibt vorerst in einem Reserveblock. Das macht den Text geradliniger und du bist viel schneller durch. Wenn du dann noch Platz hast, dann ergänze Ideen aus deinem Reserveblock.

Extra-Übung: Erinnerst du dich noch an die alten Reporter, die ihre Texte aus dem Stegreif diktierten? Probier doch die Steigerung davon: Du erzählst (vor dem Texten!) deinem Partner (oder deinem Smartphone) in einer Minute die Geschichte. Das führt zwingend zum Kern des Themas. Und dazu, den Beitrag schnell und erfolgversprechend bei möglichen Auftraggebern zu pitchen. 

Sicherer schreiben

Du kannst die größten Stars unserer Branche fragen: Auch sie haben nicht jedes Projekt erfolgreich zu Ende geführt. Aktuelle Beiträge sind unter Zeitdruck völlig in die Hosen gegangen (dagegen helfen die Tipps im vorigen Absatz), Stücke mit weniger Zeitdruck sind nie entstanden bzw. lungern halbfertig in diesem räudigen Laptop. Wie gelingt es dir, ein Schreibprojekt sicher zum Erfolg zu führen? Hier folgen ein paar Vorschläge. 

1. Trenne den Gliederungs-, Recherche- und Schreibprozess nicht voneinander. Integriere alle drei. Beginne mit dem Schreiben im Kopf und auf deinem Laptop, sobald du den Auftrag erhalten hast, und zwar während der gesamten Recherche.

2. Finde deinen Schwerpunkt vor Ort. Kämpfe um ihn. Wenn du wartest, bis du an deinen Schreibtisch zurückkehrst, und dann erst ermittelst, worum es in deiner Geschichte wirklich gehen wird, dann kannst du nicht mehr zurückgehen, um dir das Fehlende zu holen, die Geschichte rund zu bekommen. Oder es wird dich zumindest unnötig viel Zeit kosten.

3. Kommentiere deine Notizen, während du sie machst: "Möglicher Einstieg", "Anschlussgedanke an...", "Hier fehlt noch ein Zitat". Halte auch Absätze fest, die du noch gar nicht hast: "Für welche größere Geschichte steht dieses Detailthema?", "Statistik", "Vorgeschichte", "Einschätzungen von Beteiligten".

4. Du musst deinen Text doch kurzfristig noch umwerfen? Dann kritzele auch bei aller Hektik erst mal einen neuen Fünf-Punkte-Plan auf einen (gern digitalen) Notizzettel. Die kurze Zeit, die du dafür brauchst, wird dir am Ende wertvolle Zeit sparen. 

5. Fasse dich kurz. Oder anders gesagt. Baue erst mal eine Gartenhütte, die für sich steht - mit Fundament, Wänden und Dach. Danach baust du hier eine Veranda an und dort einen Garage und schließlich noch ein zweites Geschoss. Das ist sicher und geht auch viel leichter, als gleich eine Kathedrale errichten zu wollen. Das ist überhaupt ein Anfängerfehler: zu erwarten, das Problem liege darin, den Platz zu füllen. Es geht am Ende eigentlich immer darum auszuwählen. 

6. Bei einem zeitkritischen Thema (etwa einem Fußballspiel) kannst du für ein Ergebnis planen ("FC Bayern gewinnt wie immer") und dir ein anderes als Option offen halten ("Borussia Dortmund schafft das Wunder"). Du wirst dich wundern, wie viele Absätze gleich bleiben können, auch wenn der Handlungsbogen plötzlich eine unerwartete Wendung nimmt.

7. Halte dich zunächst an maximal drei Hauptquellen. Viele Textende haben bei großen Geschichten oft uferlos viel Recherchematerial, in dem sie sich leicht verheddern. Wenn das der Fall ist: entscheide dich für ein paar Hauptquellen. Und checke dann erst, was noch fehlt. Tipp: Von manchen nicht ganz zentralen Recherchen verabschiedest du dich leichter, wenn du sie als Start eines zweiten Textes zur Seite legst.

8. Vorsicht vor deinen Lieblingsformulierungen. Bei diesem einen Absatz warst du so gut im Flow und es klingt auch alles richtig gut - dummerweise führen dich gerade solche Absätze gern aufs Abstellgleis. Lass dich nicht von deiner Wortklingelei verführen. Und wenn du nicht selbst entscheiden kannst, lass es einen Freund tun. 

9. Bleibe dran! Jeder kennt diese unteren Bereich von Todo-Listen, in denen seit Wochen und Monaten das Unerledigte hängt. Und vieles fällt irgendwann hinten runter. Das ist natürlich das Unbefriedigendste: sich erst viel Arbeit gemacht zu haben und am Ende alles in die Tonne zu treten. Bemühe dich deshalb, nur weniger anzugehen und wenigstens eine Dreiviertelstunde am Tag dran zu bleiben. hast du es einmal eine Woche abgebrochen, dann wird es in aller Regel nichts mehr.     


Bearbeitung: Hans Werner Rodrian
Datum und Uhrzeit: 2024-07-25 21:20:13
Inhalt der Änderung

Jede von uns hatte schon mal eine Schreibblockade. Keiner ist frei davon, auch mal ein unterdurchschnittliches Stück zu produzieren. Aber wir können daran arbeiten, dass das immer seltener passiert. Denn journalistisches Schreiben ist keine Kunst, sondern Handwerk.

Viel zu viele von uns wissen selbst nicht recht, wie ihre Artikel entstehen. Sie kauen an Bleistiften, machen Notizen auf Blöcken und hoffen, dass sie irgendwann in den Flow kommen und ihre Geschichte dann wie von selbst entsteht.

Das ist keine gute Basis. So wird man zum Alkoholiker.

Zehn Tipps, besser zu schreiben:  

  1. Schreibe zumindest bei größeren Texten nicht drauflos, sondern überlege dir vorher eine Struktur: erst Arbeitstitel und Teaser, dann Einstieg, dann Schluss und dazwischen die zentralen Argumente oder Stationen. So hast du einen Fahrplan und behältst die Hauptroute im Blick, anstatt dich in irgendwelchen Sackgassen zu verzetteln.  
  2. Auf Basis dieser Hauptroute recherchierst du. Und du hältst deine Recherche-Ergebnisse detailliert fest. Dann kannst du später aus dem Vollen schöpfen. Wichtig: Lass dir beim Recherchieren immer auch Raum offen für Unvorhergesehenes. Es sind ja diese Überraschungsmomente, die am Ende das Salz in der Suppe ausmachen. Extratipp: Wenn du weniger als 25 Prozent Überraschendes gefunden hast, dann lohnt es sich vielleicht, noch mal zu suchen. 
  3. Aus den Rechercheergebnissen übernimmst du Stichwörter und Bestandteile in den Rohtext, der sich dadurch aufbaut. Wenn du vorher bereits einen groben Fahrplan des Texts skizziert hast, dann stehen die Recherchen jetzt schon mal in der richtigen Reihenfolge. 
  4. Und sobald du die Fakten beieinander hast, schreibst du das Stück oder zumindest den Absatz runter. Dabei gilt: Verständlichkeit vor Genialität, klare Ausdrucksweise vor Formulierungslust. Und: das Wichtigste nach vorn. Denn was hast du davon, wenn du dein Feuerwerk erst zündest, wen drei Viertel der Leser längst abgesprungen sind? 
  5. Gleiche bereits beim Schreiben und später beim Durchlesen (du liest doch jeden fertigen Artikel noch mal ganz durch oder etwas nicht?) Titel, Teaser, Kernaussage und Hauptpunkte aufeinander ab. Bist du auf der Hauptroute geblieben? Gibt es vielleicht eine bessere Szene für diesen Gedanken? Stimmen die Längen der einzelnen Absätze? 
  6. Nachdem der Artikel fertig und abgegeben ist: Gleiche ihn mit der späteren Veröffentlichung ab und lerne auf diese Weise von den Redigierenden. (Macht niemand gern, hilft aber ungemein)
  7. Bilde Redigierzirkel mit anderen guten Schreibern.
  8. Begreife schreiberische Kritik als wichtige Hilfestellung und nicht als persönliche Kränkung.
  9. Such dir die besten Schreiber in deinem Bereich und seziere ihre Texte. Leiste dir die Zeit, täglich andere gute Texte zu lesen und zu analysieren. Tipp: Texte, die Journalistgenpreise gewonnen haben, sind da ein guter Einstieg.
  10. Lerne von dir selbst. Wie ist es dir neulich gelungen, diesen einen guten Text zu schreiben? Was davon ist wiederholbar?  

Schneller schreiben

Ich bewundere sie noch heute: die Reporter (es waren eigentlich immer Männer) aus der vordigitalen Zeit, die mit dem Papst unterwegs waren oder in irgendeinem Krieg. Und kaum kamen sie an ein Telefon, riefen sie in der Redaktion an und diktierten ihre Reportage nur von ihrer Kladde gestützt durch. Heute diktieren die wirklich schnellen Sport- oder Politikreporter wieder,  sie sprechen ihre Berichte ins Textprogramm. Wie machen sie das nur? Mit viel Routine, aber auch mit einer Reihe von Tricks. Auch wenn du (wie ich) lieber tippst als sprichst, kannst du dir ein paar Turbo-Tipps aneignen. Denn jede Minute, die du schneller schreibst, bist du früher fertig. 

Starte mit der Kernaussage. Die darf sich nicht erst beim Schreiben ergeben. Packe sie in einen Arbeitstitel und einen Arbeitsteaser und in einen Arbeitsvorspann. Der Trick sorgt dafür, dass du nicht stundenlang auf die geniale Eingebung wartest, sondern gleich vom Fleck kommst. Und dann, während du am Text arbeitest, stets auch die Titelei verbesserst.

Nutze Textgerüste. Erfahrene Schreiber haben immer mehrere Varianten von Textgerüsten in der Hinterhand. Ein Klassiker ist das Feature, in dem sich Szenen und Aussagen abwechseln bzw. aufeinander aufbauen. Die Szene wird zum Beleg, aus dem die Aussage folgt. Oder umgekehrt. Ein anderer Typ ist die Reportage, in der du aus zwei (oder mehr) Handlungssträngen einen Zopf flechtest. Die Gerüste sind vielleicht andere, wenn du Fußball-Reporterin oder Social-Media-Spezialist bist, Lokalvideos drehst oder Interviews führst - aber es gibt sie eigentlich immer.  

Lieber Satzfetzen als gar nichts. Es fließt gerade nicht? Dann schreibe halbe Sätze, Stichwörter, Gedanken nieder. Und mache dann mit dem nächsten Absatz weiter, der dir gerade leichter fällt. Niemand schreibt dir vor, dass du den Text in der Lesereihenfolge geschrieben haben musst. Oft geht genau der Knoten, den du gerade hast, beim nächsten Anlauf ganz einfach auf. Oder du stellst fest, dass du sowieso keinen Platz mehr für diesen komplizierten Gedanken hast. Tipp: Schraube deine Ansprüche an den ersten Entwurf herunter. Bei der Überarbeitung erhöhst du sie dann.

Umfänge einteilen. Schreibe nichts, was hinterher doch nicht gebraucht wird. Wenn 10.000 Zeichen bestellt sind, ziehst du je 1000 Zeichen für Einstieg und Schluss ab und teilst den Rest durch deine 5 Hauptgedanken. Dann weißt du, dass ein Gedanke in 1600 Zeichen abgearbeitet sein muss. Oder du musst einen Gedanken opfern. 

Schreibe einfach weiter. Du hast dir ja sicher (siehe oben, Besser schreiben) vor dem Start des Fließtexts stichpunktartig drunter deine Hauptgedanken und eine Idee für den Schluss geschrieben. Wenn du jetzt bei Punkt zwei hängst, dann schreibe einfach bei Punkt drei weiter. Meistens löst sich dann der Knoten weiter oben auf (nicht selten warst du oben schon in einer Sackgasse).

Versuche es kürzer. Noch kürzer. Viel kürzer. Ziemlich oft wird in der Mitte des Texts der Platz knapp. Und es gibt bei Hektik und Stress nichts Unnötigeres, als Text zu schreiben, der nachher doch wieder gestrichen werden muss. Konzentriere dich also in einem ersten Durchlauf auf das absolut Unumgängliche. Und alles Hübsche, Nette, Lustige bleibt vorerst in einem Reserveblock. Das macht den Text geradliniger und du bist viel schneller durch. Wenn du dann noch Platz hast, dann ergänze Ideen aus deinem Reserveblock.

Extra-Übung: Erinnerst du dich noch an die alten Reporter, die ihre Texte aus dem Stegreif diktierten? Probier doch die Steigerung davon: Du erzählst (vor dem Texten!) deinem Partner (oder deinem Smartphone) in einer Minute die Geschichte. Das führt zwingend zum Kern des Themas. Und dazu, den Beitrag schnell und erfolgversprechend bei möglichen Auftraggebern zu pitchen. 

Sicherer schreiben

Du kannst die größten Stars unserer Branche fragen: Auch sie haben nicht jedes Projekt erfolgreich zu Ende geführt. Aktuelle Beiträge sind unter Zeitdruck völlig in die Hosen gegangen (dagegen helfen die Tipps im vorigen Absatz), Stücke mit weniger Zeitdruck sind nie entstanden bzw. lungern halbfertig in diesem räudigen Laptop. Wie gelingt es dir, ein Schreibprojekt sicher zum Erfolg zu führen? Hier folgen ein paar Vorschläge. 

1. Trenne den Gliederungs-, Recherche- und Schreibprozess nicht voneinander. Integriere alle drei. Beginne mit dem Schreiben im Kopf und auf deinem Laptop, sobald du den Auftrag erhalten hast, und zwar während der gesamten Recherche.

2. Finde deinen Schwerpunkt vor Ort. Wenn du wartest, bis du an deinen Schreibtisch zurückkehrst, und dann erst ermittelst, worum es in deiner Geschichte wirklich gehen wird, dann kannst du nicht mehr zurückgehen, um dir das Fehlende zu holen, die Geschichte rund zu bekommen. Oder es wird dich zumindest unnötig viel Zeit kosten.

3. Kommentiere deine Notizen, während du sie machst: "Möglicher Einstieg", "Anschlussgedanke an...", "Hier fehlt noch ein Zitat". Halte auch Absätze fest, die du noch gar nicht hast: "Für welche größere Geschichte steht dieses Detailthema?", "Statistik", "Vorgeschichte", "Einschätzungen von Beteiligten".

4. Du musst deinen Text doch kurzfristig noch umwerfen? Dann kritzele auch bei aller Hektik erst mal einen neuen Fünf-Punkte-Plan auf einen (gern digitalen) Notizzettel. Die kurze Zeit, die du dafür brauchst, wird dir am Ende wertvolle Zeit sparen. 

5. Fasse dich kurz. Oder anders gesagt. Baue erst mal eine Gartenhütte, die für sich steht - mit Fundament, Wänden und Dach. Danach baust du hier eine Veranda an und dort einen Garage und schließlich noch ein zweites Geschoss. Das ist sicher und geht auch viel leichter, als gleich eine Kathedrale errichten zu wollen. Das ist überhaupt ein Anfängerfehler: zu erwarten, das Problem liege darin, den Platz zu füllen. Es geht am Ende eigentlich immer darum auszuwählen. 

6. Bei einem zeitkritischen Thema (etwa einem Fußballspiel) kannst du für ein Ergebnis planen ("FC Bayern gewinnt wie immer") und dir ein anderes als Option offen halten ("Borussia Dortmund schafft das Wunder"). Du wirst dich wundern, wie viele Absätze gleich bleiben können, auch wenn der Handlungsbogen plötzlich eine unerwartete Wendung nimmt.

7. Halte dich zunächst an maximal drei Hauptquellen. Viele Textende haben bei großen Geschichten oft uferlos viel Recherchematerial, in dem sie sich leicht verheddern. Wenn das der Fall ist: entscheide dich für ein paar Hauptquellen. Und checke dann erst, was noch fehlt. Tipp: Von manchen nicht ganz zentralen Recherchen verabschiedest du dich leichter, wenn du sie als Start eines zweiten Textes zur Seite legst.

8. Vorsicht vor deinen Lieblingsformulierungen. Bei diesem einen Absatz warst du so gut im Flow und es klingt auch alles richtig gut - dummerweise führen dich gerade solche Absätze gern aufs Abstellgleis. Lass dich nicht von deiner Wortklingelei verführen. Und wenn du nicht selbst entscheiden kannst, lass es einen Freund tun. 

9. Bleibe dran! Jeder kennt diese unteren Bereich von Todo-Listen, in denen seit Wochen und Monaten das Unerledigte hängt. Und vieles fällt irgendwann hinten runter. Das ist natürlich das Unbefriedigendste: sich erst viel Arbeit gemacht zu haben und am Ende alles in die Tonne zu treten. Bemühe dich deshalb, nur weniger anzugehen und wenigstens eine Dreiviertelstunde am Tag dran zu bleiben. hast du es einmal eine Woche abgebrochen, dann wird es in aller Regel nichts mehr.     


Bearbeitung: Hans Werner Rodrian
Datum und Uhrzeit: 2024-07-25 21:18:32
Inhalt der Änderung

Jede von uns hatte schon mal eine Schreibblockade. Keiner ist frei davon, auch mal ein unterdurchschnittliches Stück zu produzieren. Aber wir können daran arbeiten, dass das immer seltener passiert. Denn journalistisches Schreiben ist keine Kunst, sondern Handwerk.

Viel zu viele von uns wissen selbst nicht recht, wie ihre Artikel entstehen. Sie kauen an Bleistiften, machen Notizen auf Blöcken und hoffen, dass sie irgendwann in den Flow kommen und ihre Geschichte dann wie von selbst entsteht.

Das ist keine gute Basis. So wird man zum Alkoholiker.

Zehn Tipps, besser zu schreiben:  

  1. Schreibe zumindest bei größeren Texten nicht drauflos, sondern überlege dir vorher eine Struktur: erst Arbeitstitel und Teaser, dann Einstieg, dann Schluss und dazwischen die zentralen Argumente oder Stationen. So hast du einen Fahrplan und behältst die Hauptroute im Blick, anstatt dich in irgendwelchen Sackgassen zu verzetteln.  
  2. Auf Basis dieser Hauptroute recherchierst du. Und du hältst deine Recherche-Ergebnisse detailliert fest. Dann kannst du später aus dem Vollen schöpfen. Wichtig: Lass dir beim Recherchieren immer auch Raum offen für Unvorhergesehenes. Es sind ja diese Überraschungsmomente, die am Ende das Salz in der Suppe ausmachen. Extratipp: Wenn du weniger als 25 Prozent Überraschendes gefunden hast, dann lohnt es sich vielleicht, noch mal zu suchen. 
  3. Aus den Rechercheergebnissen übernimmst du Stichwörter und Bestandteile in den Rohtext, der sich dadurch aufbaut. Wenn du vorher bereits einen groben Fahrplan des Texts skizziert hast, dann stehen die Recherchen jetzt schon mal in der richtigen Reihenfolge. 
  4. Und sobald du die Fakten beieinander hast, schreibst du das Stück oder zumindest den Absatz runter. Dabei gilt: Verständlichkeit vor Genialität, klare Ausdrucksweise vor Formulierungslust. Und: das Wichtigste nach vorn. Denn was hast du davon, wenn du dein Feuerwerk erst zündest, wen drei Viertel der Leser längst abgesprungen sind? 
  5. Gleiche bereits beim Schreiben und später beim Durchlesen (du liest doch jeden fertigen Artikel noch mal ganz durch oder etwas nicht?) Titel, Teaser, Kernaussage und Hauptpunkte aufeinander ab. Bist du auf der Hauptroute geblieben? Gibt es vielleicht eine bessere Szene für diesen Gedanken? Stimmen die Längen der einzelnen Absätze? 
  6. Nachdem der Artikel fertig und abgegeben ist: Gleiche ihn mit der späteren Veröffentlichung ab und lerne auf diese Weise von den Redigierenden. (Macht niemand gern, hilft aber ungemein)
  7. Bilde Redigierzirkel mit anderen guten Schreibern.
  8. Begreife schreiberische Kritik als wichtige Hilfestellung und nicht als persönliche Kränkung.
  9. Such dir die besten Schreiber in deinem Bereich und seziere ihre Texte. Leiste dir die Zeit, täglich andere gute Texte zu lesen und zu analysieren. Tipp: Texte, die Journalistgenpreise gewonnen haben, sind da ein guter Einstieg.
  10. Lerne von dir selbst. Wie ist es dir neulich gelungen, diesen einen guten Text zu schreiben? Was davon ist wiederholbar?  

Schneller schreiben

Ich bewundere sie noch heute: die Reporter (es waren eigentlich immer Männer) aus der vordigitalen Zeit, die mit dem Papst unterwegs waren oder in irgendeinem Krieg. Und kaum kamen sie an ein Telefon, riefen sie in der Redaktion an und diktierten ihre Reportage nur von ihrer Kladde gestützt durch. Heute diktieren die wirklich schnellen Sport- oder Politikreporter wieder,  sie sprechen ihre Berichte ins Textprogramm. Wie machen sie das nur? Mit viel Routine, aber auch mit einer Reihe von Tricks. Auch wenn du (wie ich) lieber tippst als sprichst, kannst du dir ein paar Turbo-Tipps aneignen. Denn jede Minute, die du schneller schreibst, bist du früher fertig. 

Starte mit der Kernaussage. Die darf sich nicht erst beim Schreiben ergeben. Packe sie in einen Arbeitstitel und einen Arbeitsteaser und in einen Arbeitsvorspann. Der Trick sorgt dafür, dass du nicht stundenlang auf die geniale Eingebung wartest, sondern gleich vom Fleck kommst. Und dann, während du am Text arbeitest, stets auch die Titelei verbesserst.

Nutze Textgerüste. Erfahrene Schreiber haben immer mehrere Varianten von Textgerüsten in der Hinterhand. Ein Klassiker ist das Feature, in dem sich Szenen und Aussagen abwechseln bzw. aufeinander aufbauen. Die Szene wird zum Beleg, aus dem die Aussage folgt. Oder umgekehrt. Ein anderer Typ ist die Reportage, in der du aus zwei (oder mehr) Handlungssträngen einen Zopf flechtest. Die Gerüste sind vielleicht andere, wenn du Fußball-Reporterin oder Social-Media-Spezialist bist, Lokalvideos drehst oder Interviews führst - aber es gibt sie eigentlich immer.  

Lieber Satzfetzen als gar nichts. Es fließt gerade nicht? Dann schreibe halbe Sätze, Stichwörter, Gedanken nieder. Und mache dann mit dem nächsten Absatz weiter, der dir gerade leichter fällt. Niemand schreibt dir vor, dass du den Text in der Lesereihenfolge geschrieben haben musst. Oft geht genau der Knoten, den du gerade hast, beim nächsten Anlauf ganz einfach auf. Oder du stellst fest, dass du sowieso keinen Platz mehr für diesen komplizierten Gedanken hast. Tipp: Schraube deine Ansprüche an den ersten Entwurf herunter. Bei der Überarbeitung erhöhst du sie dann.

Umfänge einteilen. Schreibe nichts, was hinterher doch nicht gebraucht wird. Wenn 10.000 Zeichen bestellt sind, ziehst du je 1000 Zeichen für Einstieg und Schluss ab und teilst den Rest durch deine 5 Hauptgedanken. Dann weißt du, dass ein Gedanke in 1600 Zeichen abgearbeitet sein muss. Oder du musst einen Gedanken opfern. 

Schreibe einfach weiter. Du hast dir ja sicher (siehe oben, Besser schreiben) vor dem Start des Fließtexts stichpunktartig drunter deine Hauptgedanken und eine Idee für den Schluss geschrieben. Wenn du jetzt bei Punkt zwei hängst, dann schreibe einfach bei Punkt drei weiter. Meistens löst sich dann der Knoten weiter oben auf (nicht selten warst du oben schon in einer Sackgasse).

Versuche es kürzer. Noch kürzer. Viel kürzer. Ziemlich oft wird in der Mitte des Texts der Platz knapp. Und es gibt bei Hektik und Stress nichts Unnötigeres, als Text zu schreiben, der nachher doch wieder gestrichen werden muss. Konzentriere dich also in einem ersten Durchlauf auf das absolut Unumgängliche. Und alles Hübsche, Nette, Lustige bleibt vorerst in einem Reserveblock. Das macht den Text geradliniger und du bist viel schneller durch. Wenn du dann noch Platz hast, dann ergänze Ideen aus deinem Reserveblock.

Extra-Übung: Erinnerst du dich noch an die alten Reporter, die ihre Texte aus dem Stegreif diktierten? Probier doch die Steigerung davon: Du erzählst (vor dem Texten!) deinem Partner (oder deinem Smartphone) in einer Minute die Geschichte. Das führt zwingend zum Kern des Themas. Und dazu, den Beitrag schnell und erfolgversprechend bei möglichen Auftraggebern zu pitchen. 


Bearbeitung: Hans Werner Rodrian
Datum und Uhrzeit: 2024-07-25 21:17:42
Inhalt der Änderung

Jede von uns hatte schon mal eine Schreibblockade. Keiner ist frei davon, auch mal ein unterdurchschnittliches Stück zu produzieren. Aber wir können daran arbeiten, dass das immer seltener passiert. Denn journalistisches Schreiben ist keine Kunst, sondern Handwerk.

Viel zu viele von uns wissen selbst nicht recht, wie ihre Artikel entstehen. Sie kauen an Bleistiften, machen Notizen auf Blöcken und hoffen, dass sie irgendwann in den Flow kommen und ihre Geschichte dann wie von selbst entsteht.

Das ist keine gute Basis. So wird man zum Alkoholiker.

Zehn Tipps, besser zu schreiben:  

  1. Schreibe zumindest bei größeren Texten nicht drauflos, sondern überlege dir vorher eine Struktur: erst Arbeitstitel und Teaser, dann Einstieg, dann Schluss und dazwischen die zentralen Argumente oder Stationen. So hast du einen Fahrplan und behältst die Hauptroute im Blick, anstatt dich in irgendwelchen Sackgassen zu verzetteln.  
  2. Auf Basis dieser Hauptroute recherchierst du. Und du hältst deine Recherche-Ergebnisse detailliert fest. Dann kannst du später aus dem Vollen schöpfen. Wichtig: Lass dir beim Recherchieren immer auch Raum offen für Unvorhergesehenes. Es sind ja diese Überraschungsmomente, die am Ende das Salz in der Suppe ausmachen. Extratipp: Wenn du weniger als 25 Prozent Überraschendes gefunden hast, dann lohnt es sich vielleicht, noch mal zu suchen. 
  3. Aus den Rechercheergebnissen übernimmst du Stichwörter und Bestandteile in den Rohtext, der sich dadurch aufbaut. Wenn du vorher bereits einen groben Fahrplan des Texts skizziert hast, dann stehen die Recherchen jetzt schon mal in der richtigen Reihenfolge. 
  4. Und sobald du die Fakten beieinander hast, schreibst du das Stück oder zumindest den Absatz runter. Dabei gilt: Verständlichkeit vor Genialität, klare Ausdrucksweise vor Formulierungslust. Und: das Wichtigste nach vorn. Denn was hast du davon, wenn du dein Feuerwerk erst zündest, wen drei Viertel der Leser längst abgesprungen sind? 
  5. Gleiche bereits beim Schreiben und später beim Durchlesen (du liest doch jeden fertigen Artikel noch mal ganz durch oder etwas nicht?) Titel, Teaser, Kernaussage und Hauptpunkte aufeinander ab. Bist du auf der Hauptroute geblieben? Gibt es vielleicht eine bessere Szene für diesen Gedanken? Stimmen die Längen der einzelnen Absätze? 
  6. Nachdem der Artikel fertig und abgegeben ist: Gleiche ihn mit der späteren Veröffentlichung ab und lerne auf diese Weise von den Redigierenden. (Macht niemand gern, hilft aber ungemein)
  7. Bilde Redigierzirkel mit anderen guten Schreibern.
  8. Begreife schreiberische Kritik als wichtige Hilfestellung und nicht als persönliche Kränkung.
  9. Such dir die besten Schreiber in deinem Bereich und seziere ihre Texte. Leiste dir die Zeit, täglich andere gute Texte zu lesen und zu analysieren. Tipp: Texte, die Journalistgenpreise gewonnen haben, sind da ein guter Einstieg.
  10. Lerne von dir selbst. Wie ist es dir neulich gelungen, diesen einen guten Text zu schreiben? Was davon ist wiederholbar?  

Schneller schreiben

Ich bewundere sie noch heute: die Reporter (es waren eigentlich immer Männer) aus der vordigitalen Zeit, die mit dem Papst unterwegs waren oder in irgendeinem Krieg. Und kaum kamen sie an ein Telefon, riefen sie in der Redaktion an und diktierten ihre Reportage nur von ihrer Kladde gestützt durch. Heute diktieren die wirklich schnellen Sport- oder Politikreporter wieder,  sie sprechen ihre Berichte ins Textprogramm. Wie machen sie das nur? Mit viel Routine, aber auch mit einer Reihe von Tricks. Auch wenn du (wie ich) lieber tippst als sprichst, kannst du dir ein paar Turbo-Tipps aneignen. Denn jede Minute, die du schneller schreibst, bist du früher fertig. 

Starte mit der Kernaussage. Die darf sich nicht erst beim Schreiben ergeben. Packe sie in einen Arbeitstitel und einen Arbeitsteaser und in einen Arbeitsvorspann. Der Trick sorgt dafür, dass du nicht stundenlang auf die geniale Eingebung wartest, sondern gleich vom Fleck kommst. Und dann, während du am Text arbeitest, stets auch die Titelei verbesserst.

Nutze Textgerüste. Erfahrene Schreiber haben immer mehrere Varianten von Textgerüsten in der Hinterhand. Ein Klassiker ist das Feature, in dem sich Szenen und Aussagen abwechseln bzw. aufeinander aufbauen. Die Szene wird zum Beleg, aus dem die Aussage folgt. Oder umgekehrt. Ein anderer Typ ist die Reportage, in der du aus zwei (oder mehr) Handlungssträngen einen Zopf flechtest. Die Gerüste sind vielleicht andere, wenn du Fußball-Reporterin oder Social-Media-Spezialist bist, Lokalvideos drehst oder Interviews führst - aber es gibt sie eigentlich immer.  

Lieber Satzfetzen als gar nichts. Es fließt gerade nicht? Dann schreibe halbe Sätze, Stichwörter, Gedanken nieder. Und mache dann mit dem nächsten Absatz weiter, der dir gerade leichter fällt. Niemand schreibt dir vor, dass du den Text in der Lesereihenfolge geschrieben haben musst. Oft geht genau der Knoten, den du gerade hast, beim nächsten Anlauf ganz einfach auf. Oder du stellst fest, dass du sowieso keinen Platz mehr für diesen komplizierten Gedanken hast. Tipp: Schraube deine Ansprüche an den ersten Entwurf herunter. Bei der Überarbeitung erhöhst du sie dann.

Umfänge einteilen. Schreibe nichts, was hinterher doch nicht gebraucht wird. Wenn 10.000 Zeichen bestellt sind, ziehst du je 1000 Zeichen für Einstieg und Schluss ab und teilst den Rest durch deine 5 Hauptgedanken. Dann weißt du, dass ein Gedanke in 1600 Zeichen abgearbeitet sein muss. Oder du musst einen Gedanken opfern. 

Schreibe einfach weiter. Du hast dir ja sicher (siehe oben, Besser schreiben) vor dem Start des Fließtexts stichpunktartig drunter deine Hauptgedanken und eine Idee für den Schluss geschrieben. Wenn du jetzt bei Punkt zwei hängst, dann schreibe einfach bei Punkt drei weiter. Meistens löst sich dann der Knoten weiter oben auf (nicht selten warst du oben schon in einer Sackgasse).

Versuche es kürzer. Noch kürzer. Viele kürzer. Ziemlich oft wird in der Mitte des Texts der Platz knapp. Und es gibt bei Hektik und Stress nichts Unnötigeres, als Text zu schreiben, der nachher doch wieder gestrichen werden muss. Konzentriere dich also in einem ersten Durchlauf auf das absolut Unumgängliche. Und alles Hübsche, Nette, Lustige bleibt vorerst in einem Reserveblock. Das macht den Text geradliniger und du bist viel schneller durch. Wenn du dann noch Platz hast, dann ergänze Ideen aus deinem Reserveblock.

Extra-Übung: Erinnerst du dich noch an die alten Reporter, die ihre Texte aus dem Stegreif diktierten? Probier doch die Steigerung davon: Du erzählst (vor dem Texten!) deinem Partner (oder deinem Smartphone) in einer Minute die Geschichte. Das führt zwingend zum Kern des Themas. Und dazu, den Beitrag schnell und erfolgversprechend bei möglichen Auftraggebern zu pitchen. 


Bearbeitung: Hans Werner Rodrian
Datum und Uhrzeit: 2024-07-25 21:15:47
Inhalt der Änderung

Jede von uns hatte schon mal eine Schreibblockade. Keiner ist frei davon, auch mal ein unterdurchschnittliches Stück zu produzieren. Aber wir können daran arbeiten, dass das immer seltener passiert. Denn journalistisches Schreiben ist keine Kunst, sondern Handwerk.

Viel zu viele von uns wissen selbst nicht recht, wie ihre Artikel entstehen. Sie kauen an Bleistiften, machen Notizen auf Blöcken und hoffen, dass sie irgendwann in den Flow kommen und ihre Geschichte dann wie von selbst entsteht.

Das ist keine gute Basis. So wird man zum Alkoholiker.

Zehn Tipps, besser zu schreiben:  

  1. Schreibe zumindest bei größeren Texten nicht drauflos, sondern überlege dir vorher eine Struktur: erst Arbeitstitel und Teaser, dann Einstieg, dann Schluss und dazwischen die zentralen Argumente oder Stationen. So hast du einen Fahrplan und behältst die Hauptroute im Blick, anstatt dich in irgendwelchen Sackgassen zu verzetteln.  
  2. Auf Basis dieser Hauptroute recherchierst du. Und du hältst deine Recherche-Ergebnisse detailliert fest. Dann kannst du später aus dem Vollen schöpfen. Wichtig: Lass dir beim Recherchieren immer auch Raum offen für Unvorhergesehenes. Es sind ja diese Überraschungsmomente, die am Ende das Salz in der Suppe ausmachen. Extratipp: Wenn du weniger als 25 Prozent Überraschendes gefunden hast, dann lohnt es sich vielleicht, noch mal zu suchen. 
  3. Aus den Rechercheergebnissen übernimmst du Stichwörter und Bestandteile in den Rohtext, der sich dadurch aufbaut. Wenn du vorher bereits einen groben Fahrplan des Texts skizziert hast, dann stehen die Recherchen jetzt schon mal in der richtigen Reihenfolge. 
  4. Und sobald du die Fakten beieinander hast, schreibst du das Stück oder zumindest den Absatz runter. Dabei gilt: Verständlichkeit vor Genialität, klare Ausdrucksweise vor Formulierungslust. Und: das Wichtigste nach vorn. Denn was hast du davon, wenn du dein Feuerwerk erst zündest, wen drei Viertel der Leser längst abgesprungen sind? 
  5. Gleiche bereits beim Schreiben und später beim Durchlesen (du liest doch jeden fertigen Artikel noch mal ganz durch oder etwas nicht?) Titel, Teaser, Kernaussage und Hauptpunkte aufeinander ab. Bist du auf der Hauptroute geblieben? Gibt es vielleicht eine bessere Szene für diesen Gedanken? Stimmen die Längen der einzelnen Absätze? 
  6. Nachdem der Artikel fertig und abgegeben ist: Gleiche ihn mit der späteren Veröffentlichung ab und lerne auf diese Weise von den Redigierenden. (Macht niemand gern, hilft aber ungemein)
  7. Bilde Redigierzirkel mit anderen guten Schreibern.
  8. Begreife schreiberische Kritik als wichtige Hilfestellung und nicht als persönliche Kränkung.
  9. Such dir die besten Schreiber in deinem Bereich und seziere ihre Texte. Leiste dir die Zeit, täglich andere gute Texte zu lesen und zu analysieren. Tipp: Texte, die Journalistgenpreise gewonnen haben, sind da ein guter Einstieg.
  10. Lerne von dir selbst. Wie ist es dir neulich gelungen, diesen einen guten Text zu schreiben? Was davon ist wiederholbar?  

Schneller schreiben

Ich bewundere sie noch heute: die Reporter (es waren eigentlich immer Männer) aus der vordigitalen Zeit, die mit dem Papst unterwegs waren oder in irgendeinem Krieg. Und kaum kamen sie an ein Telefon, riefen sie in der Redaktion an und diktierten ihre Reportage nur von ihrer Kladde gestützt durch. Heute diktieren die wirklich schnellen Sport- oder Politikreporter wieder,  sie sprechen ihre Berichte ins Textprogramm. Wie machen sie das nur? Mit viel Routine, aber auch mit einer Reihe von Tricks. Auch wenn du (wie ich) lieber tippst als sprichst, kannst du dir ein paar Turbo-Tipps aneignen. Denn jede Minute, die du schneller schreibst, bist du früher fertig. 

Starte mit der Kernaussage. Die darf sich nicht erst beim Schreiben ergeben. Packe sie in einen Arbeitstitel und einen Arbeitsteaser und in einen Arbeitsvorspann. Der Trick sorgt dafür, dass du nicht stundenlang auf die geniale Eingebung wartest, sondern gleich vom Fleck kommst. Und dann, während du am Text arbeitest, stets auch die Titelei verbesserst.

Nutze Textgerüste. Erfahrene Schreiber haben immer mehrere Varianten von Textgerüsten in der Hinterhand. Ein Klassiker ist das Feature, in dem sich Szenen und Aussagen abwechseln bzw. aufeinander aufbauen. Die Szene wird zum Beleg, aus dem die Aussage folgt. Oder umgekehrt. Ein anderer Typ ist die Reportage, in der du aus zwei (oder mehr) Handlungssträngen einen Zopf flechtest. Die Gerüste sind vielleicht andere, wenn du Fußball-Reporterin oder Social-Media-Spezialist bist, Lokalvideos drehst oder Interviews führst - aber es gibt sie eigentlich immer.  

Lieber Satzfetzen als gar nichts. Es fließt gerade nicht? Dann schreibe halbe Sätze, Stichwörter, Gedanken nieder. Und mache dann mit dem nächsten Absatz weiter, der dir gerade leichter fällt. Niemand schreibt dir vor, dass du den Text in der Lesereihenfolge geschrieben haben musst. Oft geht genau der Knoten, den du gerade hast, beim nächsten Anlauf ganz einfach auf. Oder du stellst fest, dass du sowieso keinen Platz mehr für diesen komplizierten Gedanken hast. Tipp: Schraube deine Ansprüche an den ersten Entwurf herunter. Bei der Überarbeitung erhöhst du sie dann.

Umfänge einteilen. Schreibe nichts, was hinterher doch nicht gebraucht wird. Wenn 10000 Zeichen bestellt sind, ziehst du je 1000 Zeichen für Einstieg und Schluss ab und teilst den Rest durch deine 5 Hauptgedanken. Dann weißt du, dass ein Gedanke in 1600 Zeichen abgearbeitet sein muss. Oder du musst einen Gedanken opfern. 

Schreibe einfach weiter. Du hast dir ja sicher (siehe oben, Besser schreiben) vor dem Start des Fließtexts stichpunktartig drunter deine Hauptgedanken und eine Idee für den Schluss geschrieben. Wenn du jetzt bei Punkt zwei hängst, dann schreibe einfach bei Punkt drei weiter. Meistens löst sich dann der Knoten weiter oben auf (nicht selten warst du oben schon in einer Sackgasse).

Versuche es kürzer. Noch kürzer. Viele kürzer. Ziemlich oft wird in der Mitte des Texts der Platz knapp. Und es gibt bei Hektik und Stress nichts Unnötigeres, als Text zu schreiben, der nachher doch wieder gestrichen werden muss. Konzentriere dich also in einem ersten Durchlauf auf das absolut Unumgängliche. Und alles Hübsche, Nette, Lustige bleibt vorerst in einem Reserveblock. Das macht den Text geradliniger und du bist viel schneller durch. Wenn du dann noch Platz hast, dann ergänze Ideen aus deinem Reserveblock.

Extra-Übung: Erinnerst du dich noch an die alten Reporter, die ihre Texte aus dem Stegreif diktierten? Probier doch die Steigerung davon: Du erzählst (vor dem Texten!) deinem Partner (oder deinem Smartphone) in einer Minute die Geschichte. Das führt zwingend zum Kern des Themas. Und dazu, den Beitrag schnell und erfolgversprechend bei möglichen Auftraggebern zu pitchen. 


Bearbeitung: Hans Werner Rodrian
Datum und Uhrzeit: 2024-07-25 21:15:03
Inhalt der Änderung

Jede von uns hatte schon mal eine Schreibblockade. Keiner ist frei davon, auch mal ein unterdurchschnittliches Stück zu produzieren. Aber wir können daran arbeiten, dass das immer seltener passiert. Denn journalistisches Schreiben ist keine Kunst, sondern Handwerk.

Viel zu viele von uns wissen selbst nicht recht, wie ihre Artikel entstehen. Sie kauen an Bleistiften, machen Notizen auf Blöcken und hoffen, dass sie irgendwann in den Flow kommen und ihre Geschichte dann wie von selbst entsteht.

Das ist keine gute Basis. So wird man zum Alkoholiker.

Zehn Tipps, besser zu schreiben:  

  1. Schreibe zumindest bei größeren Texten nicht drauflos, sondern überlege dir vorher eine Struktur: erst Arbeitstitel und Teaser, dann Einstieg, dann Schluss und dazwischen die zentralen Argumente oder Stationen. So hast du einen Fahrplan und behältst die Hauptroute im Blick, anstatt dich in irgendwelchen Sackgassen zu verzetteln.  
  2. Auf Basis dieser Hauptroute recherchierst du. Und du hältst deine Recherche-Ergebnisse detailliert fest. Dann kannst du später aus dem Vollen schöpfen. Wichtig: Lass dir beim Recherchieren immer auch Raum offen für Unvorhergesehenes. Es sind ja diese Überraschungsmomente, die am Ende das Salz in der Suppe ausmachen. Extratipp: Wenn du weniger als 25 Prozent Überraschendes gefunden hast, dann lohnt es sich vielleicht, noch mal zu suchen. 
  3. Aus den Rechercheergebnissen übernimmst du Stichwörter und Bestandteile in den Rohtext, der sich dadurch aufbaut. Wenn du vorher bereits einen groben Fahrplan des Texts skizziert hast, dann stehen die Recherchen jetzt schon mal in der richtigen Reihenfolge. 
  4. Und sobald du die Fakten beieinander hast, schreibst du das Stück oder zumindest den Absatz runter. Dabei gilt: Verständlichkeit vor Genialität, klare Ausdrucksweise vor Formulierungslust. Und: das Wichtigste nach vorn. Denn was hast du davon, wenn du dein Feuerwerk erst zündest, wen drei Viertel der Leser längst abgesprungen sind? 
  5. Gleiche bereits beim Schreiben und später beim Durchlesen (du liest doch jeden fertigen Artikel noch mal ganz durch oder etwas nicht?) Titel, Teaser, Kernaussage und Hauptpunkte aufeinander ab. Bist du auf der Hauptroute geblieben? Gibt es vielleicht eine bessere Szene für diesen Gedanken? Stimmen die Längen der einzelnen Absätze? 
  6. Nachdem der Artikel fertig und abgegeben ist: Gleiche ihn mit der späteren Veröffentlichung ab und lerne auf diese Weise von den Redigierenden. (Macht niemand gern, hilft aber ungemein)
  7. Bilde Redigierzirkel mit anderen guten Schreibern.
  8. Begreife schreiberische Kritik als wichtige Hilfestellung und nicht als persönliche Kränkung.
  9. Such dir die besten Schreiber in deinem Bereich und seziere ihre Texte. Leiste dir die Zeit, täglich andere gute Texte zu lesen und zu analysieren. Tipp: Texte, die Journalistgenpreise gewonnen haben, sind da ein guter Einstieg.
  10. Lerne von dir selbst. Wie ist es dir neulich gelungen, diesen einen guten Text zu schreiben? Was davon ist wiederholbar?  

Schneller schreiben

Ich bewundere sie noch heute: die Reporter (es waren eigentlich immer Männer) aus der vordigitalen Zeit, die mit dem Papst unterwegs waren oder in irgendeinem Krieg. Und kaum kamen sie an ein Telefon, riefen sie in der Redaktion an und diktierten ihre Reportage nur von ihrer Kladde gestützt durch. Heute diktieren die wirklich schnellen Sport- oder Politikreporter wieder,  sie sprechen ihre Berichte ins Textprogramm. Wie machen sie das nur? Mit viel Routine, aber auch mit einer Reihe von Tricks. Auch wenn du (wie ich) lieber tippst statt sprichst, kannst du dir ein paar Turbo-Tipps aneignen. Denn jede Minute, die du schneller schreibst, bist du früher fertig. 

Starte mit der Kernaussage. Die darf sich nicht erst beim Schreiben ergeben. Packe sie in einen Arbeitstitel und einen Arbeitsteaser und in einen Arbeitsvorspann. Der Trick sorgt dafür, dass du nicht stundenlang auf die geniale Eingebung wartest, sondern gleich vom Fleck kommst. Und dann, während du am Text arbeitest, stets auch die Titelei verbesserst.

Nutze Textgerüste. Erfahrene Schreiber haben immer mehrere Varianten von Textgerüsten in der Hinterhand. Ein Klassiker ist das Feature, in dem sich Szenen und Aussagen abwechseln bzw. aufeinander aufbauen. Die Szene wird zum Beleg, aus dem die Aussage folgt. Oder umgekehrt. Ein anderer Typ ist die Reportage, in der du aus zwei (oder mehr) Handlungssträngen einen Zopf flechtest. Die Gerüste sind vielleicht andere, wenn du Fußball-Reporterin oder Social-Media-Spezialist bist, Lokalvideos drehst oder Interviews führst - aber es gibt sie eigentlich immer.  

Lieber Satzfetzen als gar nichts. Es fließt gerade nicht? Dann schreibe halbe Sätze, Stichwörter, Gedanken nieder. Und mache dann mit dem nächsten Absatz weiter, der dir gerade leichter fällt. Niemand schreibt dir vor, dass du den Text in der Lesereihenfolge geschrieben haben musst. Oft geht genau der Knoten, den du gerade hast, beim nächsten Anlauf ganz einfach auf. Oder du stellst fest, dass du sowieso keinen Platz mehr für diesen komplizierten Gedanken hast. Tipp: Schraube deine Ansprüche an den ersten Entwurf herunter. Bei der Überarbeitung erhöhst du sie dann.

Umfänge einteilen. Schreibe nichts, was hinterher doch nicht gebraucht wird. Wenn 10000 Zeichen bestellt sind, ziehst du je 1000 Zeichen für Einstieg und Schluss ab und teilst den Rest durch deine 5 Hauptgedanken. Dann weißt du, dass ein Gedanke in 1600 Zeichen abgearbeitet sein muss. Oder du musst einen Gedanken opfern. 

Schreibe einfach weiter. Du hast dir ja sicher (siehe oben, Besser schreiben) vor dem Start des Fließtexts stichpunktartig drunter deine Hauptgedanken und eine Idee für den Schluss geschrieben. Wenn du jetzt bei Punkt zwei hängst, dann schreibe einfach bei Punkt drei weiter. Meistens löst sich dann der Knoten weiter oben auf (nicht selten warst du oben schon in einer Sackgasse).

Versuche es kürzer. Noch kürzer. Viele kürzer. Ziemlich oft wird in der Mitte des Texts der Platz knapp. Und es gibt bei Hektik und Stress nichts Unnötigeres, als Text zu schreiben, der nachher doch wieder gestrichen werden muss. Konzentriere dich also in einem ersten Durchlauf auf das absolut Unumgängliche. Und alles Hübsche, Nette, Lustige bleibt vorerst in einem Reserveblock. Das macht den Text geradliniger und du bist viel schneller durch. Wenn du dann noch Platz hast, dann ergänze Ideen aus deinem Reserveblock.

Extra-Übung: Erinnerst du dich noch an die alten Reporter, die ihre Texte aus dem Stegreif diktierten? Probier doch die Steigerung davon: Du erzählst (vor dem Texten!) deinem Partner (oder deinem Smartphone) in einer Minute die Geschichte. Das führt zwingend zum Kern des Themas. Und dazu, den Beitrag schnell und erfolgversprechend bei möglichen Auftraggebern zu pitchen. 


Bearbeitung: Hans Werner Rodrian
Datum und Uhrzeit: 2024-07-25 21:07:57
Inhalt der Änderung

Jede von uns hatte schon mal eine Schreibblockade. Keiner ist frei davon, auch mal ein unterdurchschnittliches Stück zu produzieren. Aber wir können daran arbeiten, dass das immer seltener passiert. Denn journalistisches Schreiben ist keine Kunst, sondern Handwerk.

Viel zu viele von uns wissen selbst nicht recht, wie ihre Artikel entstehen. Sie kauen an Bleistiften, machen Notizen auf Blöcken und hoffen, dass sie irgendwann in den Flow kommen und ihre Geschichte dann wie von selbst entsteht.

Das ist keine gute Basis. So wird man zum Alkoholiker.

Zehn Tipps, besser zu schreiben:  

  1. Schreibe zumindest bei größeren Texten nicht drauflos, sondern überlege dir vorher eine Struktur: erst Arbeitstitel und Teaser, dann Einstieg, dann Schluss und dazwischen die zentralen Argumente oder Stationen. So hast du einen Fahrplan und behältst die Hauptroute im Blick, anstatt dich in irgendwelchen Sackgassen zu verzetteln.  
  2. Auf Basis dieser Hauptroute recherchierst du. Und du hältst deine Recherche-Ergebnisse detailliert fest. Dann kannst du später aus dem Vollen schöpfen. Wichtig: Lass dir beim Recherchieren immer auch Raum offen für Unvorhergesehenes. Es sind ja diese Überraschungsmomente, die am Ende das Salz in der Suppe ausmachen. Extratipp: Wenn du weniger als 25 Prozent Überraschendes gefunden hast, dann lohnt es sich vielleicht, noch mal zu suchen. 
  3. Aus den Rechercheergebnissen übernimmst du Stichwörter und Bestandteile in den Rohtext, der sich dadurch aufbaut. Wenn du vorher bereits einen groben Fahrplan des Texts skizziert hast, dann stehen die Recherchen jetzt schon mal in der richtigen Reihenfolge. 
  4. Und sobald du die Fakten beieinander hast, schreibst du das Stück oder zumindest den Absatz runter. Dabei gilt: Verständlichkeit vor Genialität, klare Ausdrucksweise vor Formulierungslust. Und: das Wichtigste nach vorn. Denn was hast du davon, wenn du dein Feuerwerk erst zündest, wen drei Viertel der Leser längst abgesprungen sind? 
  5. Gleiche bereits beim Schreiben und später beim Durchlesen (du liest doch jeden fertigen Artikel noch mal ganz durch oder etwas nicht?) Titel, Teaser, Kernaussage und Hauptpunkte aufeinander ab. Bist du auf der Hauptroute geblieben? Gibt es vielleicht eine bessere Szene für diesen Gedanken? Stimmen die Längen der einzelnen Absätze? 
  6. Nachdem der Artikel fertig und abgegeben ist: Gleiche ihn mit der späteren Veröffentlichung ab und lerne auf diese Weise von den Redigierenden. (Macht niemand gern, hilft aber ungemein)
  7. Bilde Redigierzirkel mit anderen guten Schreibern.
  8. Begreife schreiberische Kritik als wichtige Hilfestellung und nicht als persönliche Kränkung.
  9. Such dir die besten Schreiber in deinem Bereich und seziere ihre Texte. Leiste dir die Zeit, täglich andere gute Texte zu lesen und zu analysieren. Tipp: Texte, die Journalistgenpreise gewonnen haben, sind da ein guter Einstieg.
  10. Lerne von dir selbst. Wie ist es dir neulich gelungen, diesen einen guten Text zu schreiben? Was davon ist wiederholbar?  


Bearbeitung: Hans Werner Rodrian
Datum und Uhrzeit: 2024-07-25 21:07:56
Inhalt der Änderung

Jede von uns hatte schon mal eine Schreibblockade. Keiner ist frei davon, auch mal ein unterdurchschnittliches Stück zu produzieren. Aber wir können daran arbeiten, dass das immer seltener passiert. Denn journalistisches Schreiben ist keine Kunst, sondern Handwerk.

Viel zu viele von uns wissen selbst nicht recht, wie ihre Artikel entstehen. Sie kauen an Bleistiften, machen Notizen auf Blöcken und hoffen, dass sie irgendwann in den Flow kommen und ihre Geschichte dann wie von selbst entsteht.

Das ist keine gute Basis. So wird man zum Alkoholiker.

Zehn Tipps, besser zu schreiben:  

  1. Schreibe zumindest bei größeren Texten nicht drauflos, sondern überlege dir vorher eine Struktur: erst Arbeitstitel und Teaser, dann Einstieg, dann Schluss und dazwischen die zentralen Argumente oder Stationen. So hast du einen Fahrplan und behältst die Hauptroute im Blick, anstatt dich in irgendwelchen Sackgassen zu verzetteln.  
  2. Auf Basis dieser Hauptroute recherchierst du. Und du hältst deine Recherche-Ergebnisse detailliert fest. Dann kannst du später aus dem Vollen schöpfen. Wichtig: Lass dir beim Recherchieren immer auch Raum offen für Unvorhergesehenes. Es sind ja diese Überraschungsmomente, die am Ende das Salz in der Suppe ausmachen. Extratipp: Wenn du weniger als 25 Prozent Überraschendes gefunden hast, dann lohnt es sich vielleicht, noch mal zu suchen. 
  3. Aus den Rechercheergebnissen übernimmst du Stichwörter und Bestandteile in den Rohtext, der sich dadurch aufbaut. Wenn du vorher bereits einen groben Fahrplan des Texts skizziert hast, dann stehen die Recherchen jetzt schon mal in der richtigen Reihenfolge. 
  4. Und sobald du die Fakten beieinander hast, schreibst du das Stück oder zumindest den Absatz runter. Dabei gilt: Verständlichkeit vor Genialität, klare Ausdrucksweise vor Formulierungslust. Und: das Wichtigste nach vorn. Denn was hast du davon, wenn du dein Feuerwerk erst zündest, wen drei Viertel der Leser längst abgesprungen sind? 
  5. Gleiche bereits beim Schreiben und später beim Durchlesen (du liest doch jeden fertigen Artikel noch mal ganz durch oder etwas nicht?) Titel, Teaser, Kernaussage und Hauptpunkte aufeinander ab. Bist du auf der Hauptroute geblieben? Gibt es vielleicht eine bessere Szene für diesen Gedanken? Stimmen die Längen der einzelnen Absätze? 
  6. Nachdem der Artikel fertig und abgegeben ist: Gleiche ihn mit der späteren Veröffentlichung ab und lerne auf diese Weise von den Redigierenden. (Macht niemand gern, hilft aber ungemein)
  7. Bilde Redigierzirkel mit anderen guten Schreibern.
  8. Begreife schreiberische Kritik als wichtige Hilfestellung und nicht als persönliche Kränkung.
  9. Such dir die besten Schreiber in deinem Bereich und seziere ihre Texte. Leiste dir die Zeit, täglich andere gute Texte zu lesen und zu analysieren. Tipp: Texte, die Journalistgenpreise gewonnen haben, sind da ein guter Einstieg.
  10. Lerne von dir selbst. Wie ist es dir neulich gelungen, diesen einen guten Text zu schreiben? Was davon ist wiederholbar?