Ein Recht für arbeitnehmerähnliche Personen – was heißt das?
Arbeitnehmerähnliche Personen haben seit dem 1. Januar 2015 einen gesetzlichen Anspruch auf Familienpflegezeit, der den bereits bestehenden Anspruch auf Pflegezeit ergänzt. Als arbeitnehmerähnlich ist jede frei journalistisch tätige Person einzustufen, die von ihrem Auftraggebenden wirtschaftlich abhängig gilt und als sozial schutzbedürftig einzustufen ist. Das wird regelmäßig der Fall sein, wenn ein Drittel des Einkommens von einem einzigen Auftraggebenden stammt. Auf die Einstufung bei der Sozialversicherung kommt es nicht an. Arbeitnehmerähnlich können daher sowohl solche Freien sein, die über eine Rundfunkanstalt sozialversichert sind als auch diejenigen, die in der Künstlersozialversicherung versichert sind.
Damit sind arbeitnehmerähnliche Freie beim gesetzlichen Anspruch auf Pflegezeit Angestellten gleichgestellt. Insofern gelten die nachfolgenden Punkte selbstverständlich auch für Angestellte gegenüber ihren Arbeitgebern, auch wenn hier nur von arbeitnehmerähnlichen Personen und Auftraggebenden die Rede ist.
Freie, die ständig wechselnde Auftraggebende haben, fallen nicht unter die Regelungen zur Pflegezeit. Der DJV hat ihre Berücksichtigung bei der Politik eingefordert.
Ein Recht für arbeitnehmerähnliche Personen – was heißt das?
Als pflegebedürftig gelten keinesfalls alle kranken Personen, nicht einmal alle schwer kranken nahen Angehörigen. Es muss sich vielmehr um Personen handeln, die in erheblichem oder höherem Maße hilfsbedürftig sind. Etwa bei Lähmungen, Gehbehinderungen oder Gedächtnisstörungen. Wer eine Pflegezeit beanspruchen will, die länger als zehn Tage dauern soll, muss für den nahen Angehörigen eine so genannte Pflegestufe nachweisen. Die genauen Voraussetzungen sind im Sozialgesetzbuch XI genannt, dort in den Paragraphen 14 und 15.
Kurzzeitige Pflege
Arbeitnehmerähnliche Personen haben folgende Rechte bei kurzzeitigem Pflegebedarf:
– Recht auf zehn Tage Abwesenheit von der Arbeit, wenn der Pflegebedarf eines nahen Angehörigen akut auftritt.
– Die Abwesenheit darf dazu genutzt werden, entweder selbst die Pflege zu erbringen oder einen Pflegedienst zu organisieren.
– Dem Auftraggebenden ist dazu die Abwesenheit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen.
– Wenn der Auftraggebende es verlangt, sind eine ärztliche Bescheinigung über den Pflegebedarf einzureichen und die Umstände des Pflegebedarfs darzulegen.
– Eine Wartezeit oder Zustimmung des Auftraggebenden ist nicht erforderlich.
– Es besteht Kündigungsschutz für die Zeit ab Mitteilung des Pflegebedarfs.
– Das Recht besteht gegenüber allen Auftraggebenden, unabhängig von der Größe des Betriebs.
Da es bei kurzfristigem Pflegebedarf natürlich kaum möglich sein wird, die recht aufwändige Anerkennung einer Pflegestufe auf die Schnelle zu erhalten, muss hier mit einer Prognose gearbeitet werden – es kommt dafür darauf an, dass der Eintritt der Pflegebedürftigkeit nach der Tatsachenlage überwiegend wahrscheinlich ist. Wenn der Auftraggebende es verlangt, muss eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt werden, in der diese Einschätzung bestätigt wird.Der Auftraggebende hat die Vergütung nur weiterzuzahlen, wenn er dazu durch Vereinbarung oder Gesetz verpflichtet ist. Besteht keine Verpflichtung des Auftraggebenden, haben arbeitnehmerähnliche Personen einen Anspruch gegenüber der Pflegekasse des Angehörigen auf Zahlung von Pflegeunterstützungsgeld.
Handelt es sich um die eigenen Kinder bis zum Alter von 12 Jahren, besteht gegen die Krankenkasse ein Anspruch auf Zahlung von Kinderkrankengeld. Dieser Anspruch gilt auch für Freie, die nicht arbeitnehmerähnlich, sondern „voll“ selbständig sind.
Pflege für bis zu sechs Monate
Ein Rechtsanspruch auf volle oder teilweise Freistellung für eine bis zu sechs Monate andauernden Pflege besteht nur gegenüber Auftraggebenden mit mindestens 16 Beschäftigten (hierbei zählen auch andere arbeitnehmerähnliche Personen mit, nicht aber die Auszubildenden).
Hier bestehen folgende Rechte:
- Vollständige oder teilweise Freistellung von der Arbeit.
- Pflege eines nahe stehenden Angehörigen, der nach einer Bescheinigung der Pflegekasse pflegebedürftig ist.
- Die Pflege muss in häuslicher Umgebung erfolgen. Bei minderjährigen Angehörigen besteht der
- Anspruch auch bei außerhäuslicher Pflege.
- Der Pflegebedarf ist zehn Tage vor beabsichtigten Beginn der Pflegezeit schriftlich mitzuteilen und dabei Dauer und Umfang der Freistellung mitzuteilen, bei nur teilweisem Freistellungswunsch außerdem die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit.
- Der Auftraggeber kann der gewünschten Verteilung der Arbeitszeit nur aus dringenden betrieblichen Gründen widersprechen.
- Die Vereinbarung über die teilweise Reduzierung der Arbeit muss schriftlich fixiert werden.
- Die Höchstdauer der Freistellung beträgt für jeden nahen Angehörigen sechs Monate.
Ein entsprechender Anspruch auf Freistellung gilt für die Sterbebegleitung, wenn der nahe Angehörige an einer fortschreitenden schweren Krankheit leidet, die nach ärztlicher Einschätzung unheilbar ist und binnen Wochen oder weniger Monate zum Tod führen wird. Hier beträgt die Maximaldauer der Freistellung allerdings nur drei Monate.
Es besteht kein Anspruch auf Lohnzahlung gegenüber dem Auftraggeber oder ein sonstiger Unterstützungsanspruch gegenüber der Pflegekasse. Nur bei Versicherten, die wegen der Sterbebegleitung bei einem Kind im Alter bis zu 12 Jahren von der Arbeit freigestellt werden, besteht für den gesamten Zeitraum ein Krankengeldanspruch. Es besteht hier auch keine Begrenzung auf drei Monate.
Sofern ein Urlaubsanspruch gegen den Auftraggebenden besteht, kann dieser pro Monat der Freistellung um ein Zwölftel gekürzt werden.
Ab Ankündigung der Verhinderung oder Freistellung wegen Pflege stehen arbeitnehmerähnliche Personen unter Kündigungsschutz, höchstens aber bis zwölf Wochen vor Beginn dieser Auszeit. Aus Sicht des DJV schützt dieser Kündigungsschutz diesen Personenkreis nicht nur vor einer Beendigungs- oder Einschränkungsmitteilung der Rundfunkanstalt, sondern sorgt auch dafür, dass ihr Status als arbeitnehmerähnliche Person während der Pflege erhalten bleibt. Ausführlicher dazu unter Punkt 8.
Als nahe Angehörige gelten:
Großeltern, Eltern, Schwiegereltern, Stiefeltern,
Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, Geschwister, Schwägerinnen und Schwäger,
Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder, die Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten oder Lebenspartners, Schwiegerkinder und Enkelkinder.
Das Recht auf Pflegezeit kann vertraglich nicht ausgeschlossen werden.
Teilweise Freistellung für bis zu 24 Monate (Familienpflegezeit)
Ganz neu ist seit dem 1. Januar 2015 die Familienpflegezeit. Hier haben arbeitnehmerähnliche Personen folgende Rechtsansprüche:
Teilweise Freistellung von der Arbeit zur Pflege eines nahe stehenden Angehörigen für eine Dauer von bis zu 24 Monaten.
Es muss sich um eine häusliche Pflege handeln, bei minderjährigen Pflegebedürftigen ist auch eine außerhäusliche Pflege zulässig.
Es muss im Durchschnitt mindestens noch 15 Stunden pro Woche weiter gearbeitet werden.
Der Wunsch nach Freistellung muss 8 Wochen vorher mitgeteilt werden.
Der Auftraggebende muss mehr als 25 Beschäftigte haben (hierbei zählen auch arbeitnehmerähnliche Personen mit, nicht aber die Auszubildenden).
Der Auftraggebende muss hier nichts zahlen, auch die Pflegekassen nicht.
Darlehen bei Pflege und Familienpflegezeit
Pflegende können ein zinsloses Darlehen vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben erhalten, das einen Teil ihres Einkommensausfalls kompensieren soll. Es wird dabei maximal die Hälfte des Einkommensausfalls als Darlehen gewährt, der durch die Familienpflegezeit entstanden ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ohnehin 15 Stunden weiter gearbeitet werden soll. Das bedeutet bei einer normalen Arbeitswoche von 40 Stunden den Entfall von 25 Wochenstunden durch die Familienpflegezeit, von denen die Hälfte per Darlehen ausgeglichen wird.
Freie Journalisten, die ohne feste vertragliche Arbeitszeit tätig sind und daher bei diesen Berechnungen wegen der Anerkennung ihrer Wochenstundenzeit Probleme mit dem zuständigen Bundesamt bekommen, sollten den DJV informieren. Ein plausible Auflistung der regelmäßigen Arbeitszeit bis zur Freistellung sollte aber im Regelfall ausreichend sein.
Das Darlehen muss innerhalb von 48 Monaten nach Ende der Freistellung zurückgezahlt werden. In Härtefällen wie Arbeitslosigkeit kann das Darlehen gestundet werden, bei Bezug von Bürgergeld über einen Zeitraum von zwei Jahren oder bei Tod erlischt das Darlehen.
Der Anspruch auf das Darlehen besteht nur für arbeitnehmerähnliche Personen und Angestellte, aber nicht für solche Freien, die ständig wechselnde Auftraggebende haben.Da viele Freie nur ein sehr begrenztes Einkommen haben, aus dem eine Rückzahlung mitunter schwierig sein kann, stellt sich natürlich die Frage, ob es sinnvoll ist, überhaupt ein Darlehen einzugehen. Es ist daher dazu zu raten, diesen Weg nur in Extremfällen zu gehen, wenn ansonsten das Geld wirklich nicht ausreicht.Weiterhin besteht die Möglichkeit für Pflegende, von der Pflegekasse ihres Angehörigen Pflegegeld zu erhalten, das nach der Schwere der Pflegestufe gestaffelt ist. Diese Beträge sind aber gering, die höheren Stufen sehr schwierig zu erhalten.
Tarifvertragliche Regelungen erforderlich
Auch wenn das Gesetz den Kündigungsschutz regelt, drohen arbeitnehmerähnlichen Journalisten Probleme, wenn sie in die Pflegezeit gehen. So stellt sich die Frage, ob sie durch eine längere Abwesenheit nicht aus den Tarifverträgen für arbeitnehmerähnliche Personen fallen, zu deren Voraussetzungen eine bestimmte Mindestanzahl von Arbeitstagen im Halbjahr (meist 42 Tage) oder ganzem Jahr (meist 72 Tage) verlangt werden. Richtig erscheint die Auffassung, dass während der Pflegezeit weder eine Kündigung noch eine „kalte Kündigung“ durch Verlust der tariflichen Regelungen erfolgen darf. Vielmehr muss die Mitarbeit bis zur Rückkehr lediglich als ruhend eingestuft werden; ist der Mitarbeiter weiter in reduziertem Umfang tätig, aber wegen der Pflege weniger als 42/72 Tage im Betrieb, so hat er dennoch weiter als arbeitnehmerähnlich im Sinne des Tarifvertrags zu gelten. Natürlich besteht die Gefahr, dass die zuständigen Personen in den Personalabteilungen eine solche Interpretation ablehnen. Auch kann es zu Unsicherheiten kommen, wie sich die Pflegezeit auf Urlaubsansprüche auswirkt und sonstigen Regelungen verträgt.
Daher erscheint es als notwendig, an allen Rundfunkanstalten Tarifverträge für die Pflegezeit einzufordern, mit dem solche oder ähnliche Grundsätze klar geregelt werden. Der DJV sieht die Rundfunkanstalten in der sozialen Verpflichtung für ihre arbeitnehmerähnlichen Mitarbeitenden.
Die Politik und die ganz Selbständigen
Der DJV hat gegenüber der Bundesregierung bereits gefordert, dass das Pflegezeitgesetz nicht nur für den Kreis der arbeitnehmerähnlichen Personen, sondern – soweit es beispielsweise um das Pflegeunterstützungsgeld gehe – auch für die sonstigen Selbständigen gelten sollte. Der DJV verwies dabei darauf, dass der Gesetzgeber auch die selbständigen Landwirte im Pflegezeitgesetz berücksichtigt und in der Vergangenheit zumindest die selbständigen Künstler und Publizisten als besonders schutzbedürftige Selbständige eingestuft wurden. Die Bundesregierung hat dem DJV mit Schreiben des Staatssekretärs im Bundesministerium für Gesundheit Lutz Stroppe vom 2. März 2015 nach relativ langen Ausführungen zum Geltungsbereich des Pflegezeitgesetzes mitgeteilt, die Berücksichtigung von Landwirten sei wie folgt zu begründen:
„…bei landwirtschaftlichen Unternehmern kann eine Situation eintreten, die kurzzeitig eine Fortführung des Betriebs unmöglich macht“, zudem bestehe für Landwirte „eine Pflichtversicherung im Sondersystem der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung“, so dass es diesen anders als anderen Selbständigen an Wahlmöglichkeiten fehle, welche Art der Absicherung sie für den Fall ihrer Krankheit sie treffen könnten.
Aus Sicht des DJV erscheint diese Begründung wenig überzeugend. Auch selbständige Künstler und Publizisten sind in einem Sondersystem versicherungspflichtig, der Künstlersozialversicherung. Auch sie haben damit wenige Wahlmöglichkeiten, wie sie sich absichern können. Aus diesem Grund wird der DJV sich weiter dafür einsetzen, dass auch Künstler und Publizisten (und damit die freien Journalisten) Ansprüche auf Pflegeunterstützungsgeld geltend machen können.