Redaktionelle Bearbeitung

Der Artikel wurde ursprünglich verfasst von: matthias

Revisionen

Bearbeitung: Hans Werner Rodrian
Datum und Uhrzeit: 2024-05-18 21:14:35
Inhalt der Änderung

Der Gedanke ist verlockend: den Text, den ich gerade geschrieben und Zeitschrift A verkauft habe, auch noch Zeitung B und Fachmagazin C anzubieten. Das nennt man Mehrfachverwertung. Und, ja, das ist möglich. Und es ist nicht nur möglich, sondern es ist für viele Freie ein wichtiger Teil des Einkommens.

Hinweis: Hier geht es darum, komplette, weitgehend fertige Beiträge außer an den Erstabnehmer auch noch an weitere Kunden zu verkaufen. Dass du Recherchen und dein Know-how immer wieder neu verwertest, versteht sich von selbst.

Der schnelle Überblick: So funktioniert’s 

Wie stellt man es an? Die meisten Freien schreiben einfach eine Mail an mehrere Redaktionen in der "Blind Copy", so dass keiner sieht, an wen die Mail noch gegangen ist, aber jeder weiß, dass er nicht der einzige ist. Der Text hängt dann als Word-Anhang an, Bilder besser per Link zu einer Cloud. Du kannst aber auch in mehreren Stufen versenden (das sogenannte ABC-Modell, siehe unten).   

Was bringt’s? Erwarte keine Wunderdinge. Den Löwenanteil muss die Erstverwertung bringen. Für den du das Stück erstellst, das muss also ein "guter" Kunde sein. Aber warum solltest du nicht noch ein paar hundert Euro mit ein paar regionalen Tageszeitungen machen?

Worauf ist zu achten? Du darfst keine Exklusivrechte verkauft haben. Pass darauf auf, dass du keine Exklusivvereinbarungen ("Knebnelverträge") unterschreibst, wie sie manche Verlage einem gern unterschieben. 

Was ist wichtig? Die Verhältnisse klar halten. Die Redaktionen müssen wissen, ob sie und nur sie den Text  erhalten (und dafür dann unbedingt mehr zahlen sollten) oder ob auch andere Medien den Beitrag erhalten haben oder werden.

Dürfen Konkurrenten bedient werden? Im Prinzip ja, wenn jeder Bescheid weiß. dpa macht es ja auch nicht anders. Cleverer ist es aber meistens, direkte Konkurrenten nicht mit dem gleichen Beitrag zu beliefern. Sondern besser Medien unterschiedlicher Art aus unterschiedlichen Regionen. 

Wen ansprechen? Das weiß man als Einsteiger oft nicht genau und mailt entsprechend allgemein das Feuilleton oder die Sportredaktion an. Das darf aber nicht so bleiben: In der Folge heißt es fleißig telefonieren und so Strukturen und Ansprechpartner herausfinden.

Welche Beiträge mehrfachverwerten? Natürlich alles, was geht. Aber in der Praxis geht es meist um Themen, die weder zu aktuell noch zu regional noch zu speziell sind.  

Tipp: Hast du schon mal daran gedacht, deine Texte vom vergangenen und vorvergangenen Jahr darauf zu checken, was sich zweitverwerten lässt? Oft ist das Timing der Schlüssel zum Erfolg: das Steuererklärungsthema im Mai, die Fernreisereportage zur Reisemesse. 

Für größere Verteiler: Das ABC-Modell

Was tun, wenn man wie viele Freie einen „Bauchladen“ von Kunden bedient und individuelles Verhandeln mit jedem einzelnen Abnehmer gar nicht wirklich möglich ist? Für solche Fälle hat sich das Konzept der Einteilung in ABC-Kunden bewährt: Für A-Kunden schreibe ich. Für B-Kunden schreibe ich um. Und C-Kunden erhalten den Text halt hinterher noch, wie er ist.

Für A-Kunden schreibe ich den Beitrag. Für B-Kunden schreibe ich ihn um. Und C-Kunden erhalten den Text dann halt hinterher noch, wie er ist.

Dieses Konzept ist aus der Materialwirtschaft von Großunternehmen entlehnt, passt aber gut auf die Verwertungskette von freien Journalisten. Der ideale Ablauf ist, das Thema zuerst als Auftragsarbeit zum Exklusivhonorar für einen A-Kunden zu erstellen, dann nach Veröffentlichung zielgruppenspezifisch für andere attraktive Einzelkunden abzuwandeln: die B-Kunden, und schließlich breiter gestreut an weitere Kunden, die Individualarbeit nicht honorieren: die C-Kunden.

Wie lässt sich das eigene Kundenportefeuille in A-, B- und C-Kunden einteilen? Dazu ordnet man sie, z.B. nach dem mit dem jeweiligen Kunden erzielten Umsatz im vergangenen Jahr. Daraus siehst du sofort, welches Medium dir den meisten Umsatz bringt, also höchste Priorität haben sollte (A-Kunde), wo mittlere Priorität angebracht ist (B-Kunde) oder niedrige Priorität (C-Kunde). Besonders übersichtlich wird das Ganze, wenn du die Umsatzzahlen gleich in Prozente Ihres Gesamtumsatzes umrechnest. Bei insgesamt 20 Kunden könnten die ersten zwei bis drei A-Kunden werden, die folgenden vier oder fünf B-Kunden und der Rest C-Kunden. Oft ergeben sich übrigens von ganz allein drei eng zusammen liegende Kundengruppen. Fachleute nennen das die 80/20-Regel: Mit 20 Prozent der Kunden erzielen die meisten Unternehmen 80 Prozent ihres Umsatzes – egal, um welche Branche es sich handelt.

Standardstrategien für die Mehrfachverwertung

Was lässt sich nun mit der frisch gewonnenen ABC-Analyse anstellen? Man kann und sollte danach handeln! Hier meine Standard-Strategien:

Die A-Kunden müssen ständig und aktiv „gepflegt“ werden, neue Textproduktionen sollten nur für sie entstehen. Dazu ist regelmäßiger, vertrauensvoller und vor allem persönlicher Kontakt unabdingbar. Angestrebter Umsatz- und Zeitaufwandsanteil: 50 bis 60 Prozent. Faustregeln: A-Kunden werden mindestens alle 2 Wochen kontaktiert, auch und gerade, wenn gerade kein Auftrag läuft. Nur so bleibt man am Ball. Dabei heißt es freilich: Keine Abhängigkeit aufkommen lassen. Kein einzelner Abnehmer darf so viel Gewicht haben, dass einen sein plötzlicher Wegfall ins Trudeln bringt. 25 Prozent sind für einen Freiberufler ein guter Wert. Also nehme ich mir vor, jedes Jahr einen neuen A-Kunden zu gewinnen – wegfallen wird leider von allein einer.

Den B-Kunden werden aktiv zielgruppengerecht abgewandelte Beiträge angeboten. Hier darf der Kontakt ruhig etwas „geschäftsmäßiger“ sein, sollte aber nicht unter sechsmal jährlich sinken. Angestrebter Umsatz- und Zeitaufwandsanteil: 10 bis 30 Prozent. Wichtigste Frage bei der Betrachtung dieser Gruppe: Aus wem ließe sich vielleicht ein A-Kunde machen?

Den C-Kunden werden schließlich nicht oder nur minimal umgeschriebene Beiträge, die ursprünglich für die A- und B-Kunden erstellt worden sind, angeboten. Der Kontakt erfolgt im Wesentlichen schriftlich, aber zumindest alle zwei bis drei Monate, um stets in Erinnerung zu bleiben. Erwartung an Umsatz und Zeitaufwand: 5 bis 20 Prozent. C-Kunden – und nur sie – können auch in unpersönlicher Form kontaktiert werden, also zum Beispiel im Team oder über eine Hilfskraft. C-Kunden sind oft auch Kunden, die erst welche werden sollen, das heißt, die noch überhaupt keine Umsätze bringen.

Tipp: Mach dir ruhig einmal die Mühe: Addiere deine einzelnen Kundenumsätze und trage sie in einem Diagramm auf! Schon dieser erste Schritt öffnet oft die Augen: Investiere ich den Hauptteil meiner Zeit in die wirklich wichtigen Kunden? Welcher B- oder gar C-Kunde erhält regelmäßig A-Kunden-Service – und damit Zeit, die dann für die wirklichen A-Kunden fehlt? Welcher Kunde hat umgekehrt vielleicht große Bedeutung für mich, erfährt aber gar nicht die Wertschätzung und Behandlung, die ihm zukäme?

Strategien für den "Longtail"

Der "Longtail" ist keine Hunderasse, sondern eine Idee aus der Welt des Web-Marketing: die Konzentration auf die vielen kleinen weniger attraktiven Abnehmer – die C-Kunden. Dahinter steckt die Überzeugung, dass auch aus dem "Rattenschwanz" der vermeintlich Unattraktiven (hier also den Kunden mit dem geringen Umsatz) ein Geschäft zu machen ist. Das scheint vor allem dann eine Überlegung wert, wenn wegen eines mörderischen Wettbewerbs bei den A- und B-Kunden da für einen selbst nichts mehr zu holen ist.
Erstellt worden ist dieses Konzept für kleinere Online-Shops, die es sich nicht leisten können, um die vielgesuchten und entsprechend teuren Google-Keywords mitzubieten. Es passt aber ganz gut auch für manchen Freiberufler, der neben den großen Agenturen oder Fotostocks seine Nische sucht. Wichtig ist dann allerdings, sich auch taktisch und strategisch richtig aufzustellen, z.B.

➔ konsequent auch thematisch den "Großen" aus dem Weg zu gehen, gezielt deren Themen zu ergänzen

➔ ebenso konsequent den Vertriebs- und Fakturierungsaufwand zu erfassen und zu minimieren. 

➔ sich ggfs. mit anderen zusammen zu tun

➔ "skalierbare" Honorierungsmodelle zu entwickeln. Bei Dutzenden bis Hunderten von Minikunden funktioniert individuelles Verhandeln natürlich nicht mehr. 

➔ vor allem aber: sich eine passende Kundenakquise einfallen zu lassen, z.B. über Newsletter.

Konzentration auf die A-Kunden oder Pflege des Longtails?

Die Entscheidung für eine bestimmte Kundenkonstellation soll und muss deiner Mentalität entsprechen. Der eine "kann" besser mit Menschen als mit der Technik, gibt seine Artikel lieber persönlich als per E-Mail ab und akquiriert beim Plausch in der Redaktion meist gleich den nächsten Auftrag. Dann reichen vielleicht auch vier bis fünf Kunden insgesamt, und eine Segmentierung macht wenig Sinn. Die andere freut sich über einen großen Verteiler, arbeitet fröhlich mit Redakteuren, die sie nur vom Telefon kennt. Und es macht ihr Spaß, ihre eigene kleine Logistik mit Mail- und Social-Network-Verteilerlisten sowie Webdatenbanken zu pflegen. In so einem Fall dürfen die B- und C-Kunden ruhig überwiegen.

Das Verhältnis aus Aufwand und Ertrag durch Mehrfachverwertung darf nicht schlechter sein als die Produktion selbst. Sonst macht man besser gleich den nächsten Originaltext.

In jedem Fall ist die eigene Arbeitsplanung darauf abzustimmen. Will heißen: wenn ich mir vornehme, 25 Prozent meines Umsatzes mit C-Kunden zu erreichen, dann muss ich mich darauf einrichten, einen entsprechenden Teil meiner Arbeit dafür zu investieren. Denn auch die Umsätze mit den B- und C-Kunden fallen einem nicht in den Schoß. Die Mehrfachverwertung, auf der das Modell der ABC-Kunden aufbaut, ist für viele ein Zauberwort geworden. Dabei heißt es aber sehr wohl aufpassen: Das Verhältnis aus Aufwand und Ertrag durch Mehrfachverwertung darf nicht schlechter sein als die Produktion selbst. Sonst macht man besser gleich den nächsten Originaltext.


Bearbeitung: Hans Werner Rodrian
Datum und Uhrzeit: 2023-12-03 21:32:44
Inhalt der Änderung

Der Gedanke ist verlockend: den Text, den ich gerade geschrieben und Zeitschrift A verkauft habe, auch noch Zeitung B und Fachmagazin C anzubieten. Das nennt man Mehrfachverwertung. Und, ja, das ist möglich. Und es ist nicht nur möglich, sondern es ist für viele Freie ein wichtiger Teil des Einkommens.

Hinweis: Hier geht es darum, komplette, weitgehend fertige Beiträge außer an den Erstabnehmer auch noch an weitere Kunden zu verkaufen. Dass du Recherchen und dein Know-how immer wieder neu verwertest, versteht sich von selbst.

Der schnelle Überblick: So funktioniert’s 

Wie stellt man es an? Die meisten Freien schreiben einfach eine Mail an mehrere Redaktionen in der "Blind Copy", so dass keiner sieht, an wen die Mail noch gegangen ist, aber jeder weiß, dass er nicht der einzige ist. Der Text hängt dann als Word-Anhang an, Bilder besser per Link zu einer Cloud. Du kannst aber auch in mehreren Stufen versenden (das sogenannte ABC-Modell, siehe unten).   

Was bringt’s? Erwarte keine Wunderdinge. Den Löwenanteil muss die Erstverwertung bringen. Für den du das Stück erstellst, das muss also ein "guter" Kunde sein. Aber warum solltest du nicht noch ein paar hundert Euro mit ein paar regionalen Tageszeitungen machen?

Worauf ist zu achten? Du darfst keine Exklusivrechte verkauft haben. Pass darauf auf, dass du keine Exklusivvereinbarungen ("Knebnelverträge") unterschreibst, wie sie manche Verlage einem gern unterschieben. 

Was ist wichtig? Die Verhältnisse klar halten. Die Redaktionen müssen wissen, ob sie und nur sie den Text  erhalten (und dafür dann unbedingt mehr zahlen sollten) oder ob auch andere Medien den Beitrag erhalten haben oder werden.

Dürfen Konkurrenten bedient werden? Im Prinzip ja, wenn jeder Bescheid weiß. dpa macht es ja auch nicht anders. Cleverer ist es aber meistens, direkte Konkurrenten nicht mit dem gleichen Beitrag zu beliefern. Sondern besser Medien unterschiedlicher Art aus unterschiedlichen Regionen. 

Wen ansprechen? Das weiß man als Einsteiger oft nicht genau und mailt entsprechend allgemein das Feuilleton oder die Sportredaktion an. Das darf aber nicht so bleiben: In der Folge heißt es fleißig telefonieren und so Strukturen und Ansprechpartner herausfinden.

Welche Beiträge mehrfachverwerten? Natürlich alles, was geht. Aber in der Praxis geht es meist um Themen, die weder zu aktuell noch zu regional noch zu speziell sind.  

Tipp: Hast du schon mal daran gedacht, deine Texte vom vergangenen und vorvergangenen Jahr darauf zu checken, was sich zweitverwerten lässt? Oft ist das Timing der Schlüssel zum Erfolg: das Steuererklärungsthema im Mai, die Fernreisereportage zur Reisemesse. 

Für größere Verteiler: Das ABC-Modell

Was tun, wenn man wie viele Freie einen „Bauchladen“ von Kunden bedient und individuelles Verhandeln mit jedem einzelnen Abnehmer gar nicht wirklich möglich ist? Für solche Fälle hat sich das Konzept der Einteilung in ABC-Kunden bewährt: Für A-Kunden schreibe ich. Für B-Kunden schreibe ich um. Und C-Kunden erhalten den Text halt hinterher noch, wie er ist.

Für A-Kunden schreibe ich den Beitrag. Für B-Kunden schreibe ich ihn um. Und C-Kunden erhalten den Text dann halt hinterher noch, wie er ist.

Dieses Konzept ist aus der Materialwirtschaft von Großunternehmen entlehnt, passt aber gut auf die Verwertungskette von freien Journalisten. Der ideale Ablauf ist, das Thema zuerst als Auftragsarbeit zum Exklusivhonorar für einen A-Kunden zu erstellen, dann nach Veröffentlichung zielgruppenspezifisch für andere attraktive Einzelkunden abzuwandeln: die B-Kunden, und schließlich breiter gestreut an weitere Kunden, die Individualarbeit nicht honorieren: die C-Kunden.

Wie lässt sich das eigene Kundenportefeuille in A-, B- und C-Kunden einteilen? Dazu ordnet man sie, z.B. nach dem mit dem jeweiligen Kunden erzielten Umsatz im vergangenen Jahr. Daraus siehst du sofort, welches Medium dir den meisten Umsatz bringt, also höchste Priorität haben sollte (A-Kunde), wo mittlere Priorität angebracht ist (B-Kunde) oder niedrige Priorität (C-Kunde). Besonders übersichtlich wird das Ganze, wenn du die Umsatzzahlen gleich in Prozente Ihres Gesamtumsatzes umrechnest. Bei insgesamt 20 Kunden könnten die ersten zwei bis drei A-Kunden werden, die folgenden vier oder fünf B-Kunden und der Rest C-Kunden. Oft ergeben sich übrigens von ganz allein drei eng zusammen liegende Kundengruppen. Fachleute nennen das die 80/20-Regel: Mit 20 Prozent der Kunden erzielen die meisten Unternehmen 80 Prozent ihres Umsatzes – egal, um welche Branche es sich handelt.

Standardstrategien für die Mehrfachverwertung

Was lässt sich nun mit der frisch gewonnenen ABC-Analyse anstellen? Man kann und sollte danach handeln! Hier meine Standard-Strategien:

Die A-Kunden müssen ständig und aktiv „gepflegt“ werden, neue Textproduktionen sollten nur für sie entstehen. Dazu ist regelmäßiger, vertrauensvoller und vor allem persönlicher Kontakt unabdingbar. Angestrebter Umsatz- und Zeitaufwandsanteil: 50 bis 60 Prozent. Faustregeln: A-Kunden werden mindestens alle 2 Wochen kontaktiert, auch und gerade, wenn gerade kein Auftrag läuft. Nur so bleibt man am Ball. Dabei heißt es freilich: Keine Abhängigkeit aufkommen lassen. Kein einzelner Abnehmer darf so viel Gewicht haben, dass einen sein plötzlicher Wegfall ins Trudeln bringt. 25 Prozent sind für einen Freiberufler ein guter Wert. Also nehme ich mir vor, jedes Jahr einen neuen A-Kunden zu gewinnen – wegfallen wird leider von allein einer.

Den B-Kunden werden aktiv zielgruppengerecht abgewandelte Beiträge angeboten. Hier darf der Kontakt ruhig etwas „geschäftsmäßiger“ sein, sollte aber nicht unter sechsmal jährlich sinken. Angestrebter Umsatz- und Zeitaufwandsanteil: 10 bis 30 Prozent. Wichtigste Frage bei der Betrachtung dieser Gruppe: Aus wem ließe sich vielleicht ein A-Kunde machen?

Den C-Kunden werden schließlich nicht oder nur minimal umgeschriebene Beiträge, die ursprünglich für die A- und B-Kunden erstellt worden sind, angeboten. Der Kontakt erfolgt im Wesentlichen schriftlich, aber zumindest alle zwei bis drei Monate, um stets in Erinnerung zu bleiben. Erwartung an Umsatz und Zeitaufwand: 5 bis 20 Prozent. C-Kunden – und nur sie – können auch in unpersönlicher Form kontaktiert werden, also zum Beispiel im Team oder über eine Hilfskraft. C-Kunden sind oft auch Kunden, die erst welche werden sollen, das heißt, die noch überhaupt keine Umsätze bringen.

Tipp: Mach dir ruhig einmal die Mühe: Addiere deine einzelnen Kundenumsätze und trage sie in einem Diagramm auf! Schon dieser erste Schritt öffnet oft die Augen: Investiere ich den Hauptteil meiner Zeit in die wirklich wichtigen Kunden? Welcher B- oder gar C-Kunde erhält regelmäßig A-Kunden-Service – und damit Zeit, die dann für die wirklichen A-Kunden fehlt? Welcher Kunde hat umgekehrt vielleicht große Bedeutung für mich, erfährt aber gar nicht die Wertschätzung und Behandlung, die ihm zukäme?

Strategien für den "Longtail"

Der "Longtail" ist keine Hunderasse, sondern eine Idee aus der Welt des Web-Marketing: die Konzentration auf die vielen kleinen weniger attraktiven Abnehmer – die C-Kunden. Dahinter steckt die Überzeugung, dass auch aus dem "Rattenschwanz" der vermeintlich Unattraktiven (hier also den Kunden mit dem geringen Umsatz) ein Geschäft zu machen ist. Das scheint vor allem dann eine Überlegung wert, wenn wegen eines mörderischen Wettbewerbs bei den A- und B-Kunden da für einen selbst nichts mehr zu holen ist.
Erstellt worden ist dieses Konzept für kleinere Online-Shops, die es sich nicht leisten können, um die vielgesuchten und entsprechend teuren Google-Keywords mitzubieten. Es passt aber ganz gut auch für manchen Freiberufler, der neben den großen Agenturen oder Fotostocks seine Nische sucht. Wichtig ist dann allerdings, sich auch taktisch und strategisch richtig aufzustellen, z.B.

➔ konsequent auch thematisch den "Großen" aus dem Weg zu gehen, gezielt deren Themen zu ergänzen

➔ ebenso konsequent den Vertriebs- und Fakturierungsaufwand zu erfassen und zu minimieren. 

➔ sich ggfs. mit anderen zusammen zu tun

➔ "skalierbare" Honorierungsmodelle zu entwickeln. Bei Dutzenden bis Hunderten von Minikunden funktioniert individuelles Verhandeln natürlich nicht mehr. 

➔ vor allem aber: sich eine passende Kundenakquise einfallen zu lassen, z.B. über Newsletter.

Konzentration auf die A-Kunden oder Pflege des Longtails?

Die Entscheidung für eine bestimmte Kundenkonstellation soll und muss deiner Mentalität entsprechen. Der eine "kann" besser mit Menschen als mit der Technik, gibt seine Artikel lieber persönlich als per E-Mail ab und akquiriert beim Plausch in der Redaktion meist gleich den nächsten Auftrag. Dann reichen vielleicht auch vier bis fünf Kunden insgesamt, und eine Segmentierung macht wenig Sinn. Die andere freut sich über einen großen Verteiler, arbeitet fröhlich mit Redakteuren, die sie nur vom Telefon kennt. Und es macht ihr Spaß, ihre eigene kleine Logistik mit Mail- und Social-Network-Verteilerlisten sowie Webdatenbanken zu pflegen. In so einem Fall dürfen die B- und C-Kunden ruhig überwiegen.

Das Verhältnis aus Aufwand und Ertrag durch Mehrfachverwertung darf nicht schlechter sein als die Produktion selbst. Sonst macht man besser gleich den nächsten Originaltext.

In jedem Fall ist die eigene Arbeitsplanung darauf abzustimmen. Will heißen: wenn ich mir vornehme, 25 Prozent meines Umsatzes mit C-Kunden zu erreichen, dann muss ich mich darauf einrichten, einen entsprechenden Teil meiner Arbeit dafür zu investieren. Denn auch die Umsätze mit den B- und C-Kunden fallen einem nicht in den Schoß. Die Mehrfachverwertung, auf der das Modell der ABC-Kunden aufbaut, ist für viele ein Zauberwort geworden. Dabei heißt es aber sehr wohl aufpassen: Das Verhältnis aus Aufwand und Ertrag durch Mehrfachverwertung darf nicht schlechter sein als die Produktion selbst. Sonst macht man besser gleich den nächsten Originaltext.


Bearbeitung: Hans Werner Rodrian
Datum und Uhrzeit: 2023-12-03 21:32:15
Inhalt der Änderung

Der Gedanke ist verlockend: den Text, den ich gerade geschrieben und Zeitschrift A verkauft habe, auch noch Zeitung B und Fachmagazin C anzubieten. Das nennt man Mehrfachverwertung. Und, ja, das ist möglich. Und es ist nicht nur möglich, sondern es ist für viele Freie ein wichtiger Teil des Einkommens.

Hinweis: Hier geht es darum, komplette, weitgehend fertige Beiträge außer an den Erstabnehmer auch noch an weitere Kunden zu verkaufen. Dass du Recherchen und dein Know-how immer wieder neu verwertest, versteht sich von selbst.

Der schnelle Überblick: So funktioniert’s 

Wie stellt man es an? Die meisten Freien schreiben einfach eine Mail an mehrere Redaktionen in der "Blind Copy", so dass keiner sieht, an wen die Mail noch gegangen ist, aber jeder weiß, dass er nicht der einzige ist. Der Text hängt dann als Word-Anhang an, Bilder besser per Link zu einer Cloud. Du kannst aber auch in mehreren Stufen versenden (das sogenannte ABC-Modell, siehe unten).   

Was bringt’s? Erwarte keine Wunderdinge. Den Löwenanteil muss die Erstverwertung bringen. Für den du das Stück erstellst, das muss also ein "guter" Kunde sein. Aber warum solltest du nicht noch ein paar hundert Euro mit ein paar regionalen Tageszeitungen machen?

Worauf ist zu achten? Du darfst keine Exklusivrechte verkauft haben. Pass darauf auf, dass du keine Exklusivvereinbarungen ("Knebnelverträge") unterschreibst, wie sie manche Verlage einem gern unterschieben. 

Was ist wichtig? Die Verhältnisse klar halten. Die Redaktionen müssen wissen, ob sie und nur sie den Text  erhalten (und dafür dann unbedingt mehr zahlen sollten) oder ob auch andere Medien den Beitrag erhalten haben oder werden.

Dürfen Konkurrenten bedient werden? Im Prinzip ja, wenn jeder Bescheid weiß. dpa macht es ja auch nicht anders. Cleverer ist es aber meistens, direkte Konkurrenten nicht mit dem gleichen Beitrag zu beliefern. Sondern besser Medien unterschiedlicher Art aus unterschiedlichen Regionen. 

Wen ansprechen? Das weiß man als Einsteiger oft nicht genau und mailt entsprechend allgemein das Feuilleton oder die Sportredaktion an. Das darf aber nicht so bleiben: In der Folge heißt es fleißig telefonieren und so Strukturen und Ansprechpartner herausfinden.

Welche Beiträge mehrfachverwerten? Natürlich alles, was geht. Aber in der Praxis geht es meist um Themen, die weder zu aktuell noch zu regional noch zu speziell sind.  

Tipp: Hast du schon mal daran gedacht, deine Texte vom vergangenen und vorvergangenen Jahr darauf zu checken, was sich zweitverwerten lässt? Oft ist das Timing der Schlüssel zum Erfolg: das Steuererklärungsthema im Mai, die Fernreisereportage zur Reisemesse. 

Für größere Verteiler: Das ABC-Modell

Was tun, wenn man wie viele Freie einen „Bauchladen“ von Kunden bedient und individuelles Verhandeln mit jedem einzelnen Abnehmer gar nicht wirklich möglich ist? Für solche Fälle hat sich das Konzept der Einteilung in ABC-Kunden bewährt: Für A-Kunden schreibe ich. Für B-Kunden schreibe ich um. Und C-Kunden erhalten den Text halt hinterher noch, wie er ist.

Für A-Kunden schreibe ich den Beitrag. Für B-Kunden schreibe ich ihn um. Und C-Kunden erhalten den Text dann halt hinterher noch, wie er ist.

Dieses Konzept ist aus der Materialwirtschaft von Großunternehmen entlehnt, passt aber gut auf die Verwertungskette von freien Journalisten. Der ideale Ablauf ist, das Thema zuerst als Auftragsarbeit zum Exklusivhonorar für einen A-Kunden zu erstellen, dann nach Veröffentlichung zielgruppenspezifisch für andere attraktive Einzelkunden abzuwandeln: die B-Kunden, und schließlich breiter gestreut an weitere Kunden, die Individualarbeit nicht honorieren: die C-Kunden.

Wie lässt sich das eigene Kundenportefeuille in A-, B- und C-Kunden einteilen? Dazu ordnet man sie, z.B. nach dem mit dem jeweiligen Kunden erzielten Umsatz im vergangenen Jahr. Daraus siehst du sofort, welches Medium dir den meisten Umsatz bringt, also höchste Priorität haben sollte (A-Kunde), wo mittlere Priorität angebracht ist (B-Kunde) oder niedrige Priorität (C-Kunde). Besonders übersichtlich wird das Ganze, wenn du die Umsatzzahlen gleich in Prozente Ihres Gesamtumsatzes umrechnest. Bei insgesamt 20 Kunden könnten die ersten zwei bis drei A-Kunden werden, die folgenden vier oder fünf B-Kunden und der Rest C-Kunden. Oft ergeben sich übrigens von ganz allein drei eng zusammen liegende Kundengruppen. Fachleute nennen das die 80/20-Regel: Mit 20 Prozent der Kunden erzielen die meisten Unternehmen 80 Prozent ihres Umsatzes – egal, um welche Branche es sich handelt.

Standardstrategien für die Mehrfachverwertung

Was lässt sich nun mit der frisch gewonnenen ABC-Analyse anstellen? Man kann und sollte danach handeln! Hier meine Standard-Strategien:

Die A-Kunden müssen ständig und aktiv „gepflegt“ werden, neue Textproduktionen sollten nur für sie entstehen. Dazu ist regelmäßiger, vertrauensvoller und vor allem persönlicher Kontakt unabdingbar. Angestrebter Umsatz- und Zeitaufwandsanteil: 50 bis 60 Prozent. Faustregeln: A-Kunden werden mindestens alle 2 Wochen kontaktiert, auch und gerade, wenn gerade kein Auftrag läuft. Nur so bleibt man am Ball. Dabei heißt es freilich: Keine Abhängigkeit aufkommen lassen. Kein einzelner Abnehmer darf so viel Gewicht haben, dass einen sein plötzlicher Wegfall ins Trudeln bringt. 25 Prozent sind für einen Freiberufler ein guter Wert. Also nehme ich mir vor, jedes Jahr einen neuen A-Kunden zu gewinnen – wegfallen wird leider von allein einer.

Den B-Kunden werden aktiv zielgruppengerecht abgewandelte Beiträge angeboten. Hier darf der Kontakt ruhig etwas „geschäftsmäßiger“ sein, sollte aber nicht unter sechsmal jährlich sinken. Angestrebter Umsatz- und Zeitaufwandsanteil: 10 bis 30 Prozent. Wichtigste Frage bei der Betrachtung dieser Gruppe: Aus wem ließe sich vielleicht ein A-Kunde machen?

Den C-Kunden werden schließlich nicht oder nur minimal umgeschriebene Beiträge, die ursprünglich für die A- und B-Kunden erstellt worden sind, angeboten. Der Kontakt erfolgt im Wesentlichen schriftlich, aber zumindest alle zwei bis drei Monate, um stets in Erinnerung zu bleiben. Erwartung an Umsatz und Zeitaufwand: 5 bis 20 Prozent. C-Kunden – und nur sie – können auch in unpersönlicher Form kontaktiert werden, also zum Beispiel im Team oder über eine Hilfskraft. C-Kunden sind oft auch Kunden, die erst welche werden sollen, das heißt, die noch überhaupt keine Umsätze bringen.

Tipp: Mach dir ruhig einmal die Mühe: Addiere deine einzelnen Kundenumsätze und trage sie in einem Diagramm auf! Schon dieser erste Schritt öffnet oft die Augen: Investiere ich den Hauptteil meiner Zeit in die wirklich wichtigen Kunden? Welcher B- oder gar C-Kunde erhält regelmäßig A-Kunden-Service – und damit Zeit, die dann für die wirklichen A-Kunden fehlt? Welcher Kunde hat umgekehrt vielleicht große Bedeutung für mich, erfährt aber gar nicht die Wertschätzung und Behandlung, die ihm zukäme?

Strategien für den "Longtail"

Der "Longtail" ist keine Hunderasse, sondern eine Idee aus der Welt des Web-Marketing: die Konzentration auf die vielen kleinen weniger attraktiven Abnehmer – die C-Kunden. Dahinter steckt die Überzeugung, dass auch aus dem "Rattenschwanz" der vermeintlich Unattraktiven (hier also den Kunden mit dem geringen Umsatz) ein Geschäft zu machen ist. Das scheint vor allem dann eine Überlegung wert, wenn wegen eines mörderischen Wettbewerbs bei den A- und B-Kunden da für einen selbst nichts mehr zu holen ist.
Erstellt worden ist dieses Konzept für kleinere Online-Shops, die es sich nicht leisten können, um die vielgesuchten und entsprechend teuren Google-Keywords mitzubieten. Es passt aber ganz gut auch für manchen Freiberufler, der neben den großen Agenturen oder Fotostocks seine Nische sucht. Wichtig ist dann allerdings, sich auch taktisch und strategisch richtig aufzustellen, z.B.

➔ konsequent auch thematisch den "Großen" aus dem Weg zu gehen, gezielt deren Themen zu ergänzen

➔ ebenso konsequent den Vertriebs- und Fakturierungsaufwand zu erfassen und zu minimieren. 

➔ sich ggfs. mit anderen zusammen zu tun

➔ "skalierbare" Honorierungsmodelle zu entwickeln. Bei Dutzenden bis Hunderten von Minikunden funktioniert individuelles Verhandeln natürlich nicht mehr. 

➔ vor allem aber: sich eine passende Kundenakquise einfallen zu lassen, z.B. über Newsletter.

Konzentration auf die A-Kunden oder Pflege des Longtails?

Die Entscheidung für eine bestimmte Kundenkonstellation soll und muss deiner Mentalität entsprechen. Der eine "kann" besser mit Menschen als mit der Technik, gibt seine Artikel lieber persönlich als per E-Mail ab und akquiriert beim Plausch in der Redaktion meist gleich den nächsten Auftrag. Dann reichen vielleicht auch vier bis fünf Kunden insgesamt, und eine Segmentierung macht wenig Sinn. Die andere freut sich über einen großen Verteiler, arbeitet fröhlich mit Redakteuren, die sie nur vom Telefon kennt. Und es macht ihr Spaß, ihre eigene kleine Logistik mit Mail- und Social-Network-Verteilerlisten sowie Webdatenbanken zu pflegen. In so einem Fall dürfen die B- und C-Kunden ruhig überwiegen.

Das Verhältnis aus Aufwand und Ertrag durch Mehrfachverwertung darf nicht schlechter sein als die Produktion selbst. Sonst macht man besser gleich den nächsten Originaltext.

In jedem Fall ist die eigene Arbeitsplanung darauf abzustimmen. Will heißen: wenn ich mir vornehme, 25 Prozent meines Umsatzes mit C-Kunden zu erreichen, dann muss ich mich darauf einrichten, einen entsprechenden Teil meiner Arbeit dafür zu investieren. Denn auch die Umsätze mit den B- und C-Kunden fallen einem nicht in den Schoß. Die Mehrfachverwertung, auf der das Modell der ABC-Kunden aufbaut, ist für viele ein Zauberwort geworden. Dabei heißt es aber sehr wohl aufpassen: Das Verhältnis aus Aufwand und Ertrag durch Mehrfachverwertung darf nicht schlechter sein als die Produktion selbst. Sonst macht man besser gleich den nächsten Originaltext.


Bearbeitung: Hans Werner Rodrian
Datum und Uhrzeit: 2023-12-03 21:31:20
Inhalt der Änderung

Der Gedanke ist verlockend: den Text, den ich gerade geschrieben und Zeitschrift A verkauft habe, auch noch Zeitung B und Fachmagazin C anzubieten. Das nennt man Mehrfachverwertung. Und, ja, das ist möglich. Und es ist nicht nur möglich, sondern es ist für viele Freie ein wichtiger Teil des Einkommens.

Hinweis: Hier geht es darum, komplette, weitgehend fertige Beiträge außer an den Erstabnehmer auch noch an weitere Kunden zu verkaufen. Dass du Recherchen und dein Know-how immer wieder neu verwertest, versteht sich von selbst.

Der schnelle Überblick: So funktioniert’s 

Wie stellt man es an? Die meisten Freien schreiben einfach eine Mail an mehrere Redaktionen in der "Blind Copy", so dass keiner sieht, an wen die Mail noch gegangen ist, aber jeder weiß, dass er nicht der einzige ist. Der Text hängt dann als Word-Anhang an, Bilder besser per Link zu einer Cloud. Du kannst aber auch in mehreren Stufen versenden (das sogenannte ABC-Modell, siehe unten).   

Was bringt’s? Erwarte keine Wunderdinge. Den Löwenanteil muss die Erstverwertung bringen. Für den du das Stück erstellst, das muss also ein "guter" Kunde sein. Aber warum solltest du nicht noch ein paar hundert Euro mit ein paar regionalen Tageszeitungen machen?

Worauf ist zu achten? Du darfst keine Exklusivrechte verkauft haben. Pass darauf auf, dass du keine Exklusivvereinbarungen ("Knebnelverträge") unterschreibst, wie sie manche Verlage einem gern unterschieben. 

Was ist wichtig? Die Verhältnisse klar halten. Die Redaktionen müssen wissen, ob sie und nur sie den Text  erhalten (und dafür dann unbedingt mehr zahlen sollten) oder ob auch andere Medien den Beitrag erhalten haben oder werden.

Dürfen Konkurrenten bedient werden? Im Prinzip ja, wenn jeder Bescheid weiß. dpa macht es ja auch nicht anders. Cleverer ist es aber meistens, direkte Konkurrenten nicht mit dem gleichen Beitrag zu beliefern. Sondern besser Medien unterschiedlicher Art aus unterschiedlichen Regionen. 

Wen ansprechen? Das weiß man als Einsteiger oft nicht genau und mailt entsprechend allgemein das Feuilleton oder die Sportredaktion an. Das darf aber nicht so bleiben: In der Folge heißt es fleißig telefonieren und so Strukturen und Ansprechpartner herausfinden.

Welche Beiträge mehrfachverwerten? Natürlich alles, was geht. Aber in der Praxis geht es meist um Themen, die weder zu aktuell noch zu regional noch zu speziell sind.  

Tipp: Hast du schon mal daran gedacht, deine Texte vom vergangenen und vorvergangenen Jahr darauf zu checken, was sich zweitverwerten lässt? Oft ist das Timing der Schlüssel zum Erfolg: das Steuererklärungsthema im Mai, die Fernreisereportage zur Reisemesse. 

Für größere Verteiler: Das ABC-Modell

Was tun, wenn man wie viele Freie einen „Bauchladen“ von Kunden bedient und individuelles Verhandeln mit jedem einzelnen Abnehmer gar nicht wirklich möglich ist? Für solche Fälle hat sich das Konzept der Einteilung in ABC-Kunden bewährt: Für A-Kunden schreibe ich. Für B-Kunden schreibe ich um. Und C-Kunden erhalten den Text halt hinterher noch, wie er ist.

Für A-Kunden schreibe ich den Beitrag. Für B-Kunden schreibe ich ihn um. Und C-Kunden erhalten den Text dann halt hinterher noch, wie er ist.

Für A-Kunden schreibe ich den Beitrag. Für B-Kunden schreibe ich ihn um. Und C-Kunden erhalten den Text dann halt hinterher noch, wie er ist.

Dieses Konzept ist aus der Materialwirtschaft von Großunternehmen entlehnt, passt aber gut auf die Verwertungskette von freien Journalisten. Der ideale Ablauf ist, das Thema zuerst als Auftragsarbeit zum Exklusivhonorar für einen A-Kunden zu erstellen, dann nach Veröffentlichung zielgruppenspezifisch für andere attraktive Einzelkunden abzuwandeln: die B-Kunden, und schließlich breiter gestreut an weitere Kunden, die Individualarbeit nicht honorieren: die C-Kunden.

Wie lässt sich das eigene Kundenportefeuille in A-, B- und C-Kunden einteilen? Dazu ordnet man sie, z.B. nach dem mit dem jeweiligen Kunden erzielten Umsatz im vergangenen Jahr. Daraus siehst du sofort, welches Medium dir den meisten Umsatz bringt, also höchste Priorität haben sollte (A-Kunde), wo mittlere Priorität angebracht ist (B-Kunde) oder niedrige Priorität (C-Kunde). Besonders übersichtlich wird das Ganze, wenn du die Umsatzzahlen gleich in Prozente Ihres Gesamtumsatzes umrechnest. Bei insgesamt 20 Kunden könnten die ersten zwei bis drei A-Kunden werden, die folgenden vier oder fünf B-Kunden und der Rest C-Kunden. Oft ergeben sich übrigens von ganz allein drei eng zusammen liegende Kundengruppen. Fachleute nennen das die 80/20-Regel: Mit 20 Prozent der Kunden erzielen die meisten Unternehmen 80 Prozent ihres Umsatzes – egal, um welche Branche es sich handelt.

Standardstrategien für die Mehrfachverwertung

Was lässt sich nun mit der frisch gewonnenen ABC-Analyse anstellen? Man kann und sollte danach handeln! Hier meine Standard-Strategien:

Die A-Kunden müssen ständig und aktiv „gepflegt“ werden, neue Textproduktionen sollten nur für sie entstehen. Dazu ist regelmäßiger, vertrauensvoller und vor allem persönlicher Kontakt unabdingbar. Angestrebter Umsatz- und Zeitaufwandsanteil: 50 bis 60 Prozent. Faustregeln: A-Kunden werden mindestens alle 2 Wochen kontaktiert, auch und gerade, wenn gerade kein Auftrag läuft. Nur so bleibt man am Ball. Dabei heißt es freilich: Keine Abhängigkeit aufkommen lassen. Kein einzelner Abnehmer darf so viel Gewicht haben, dass einen sein plötzlicher Wegfall ins Trudeln bringt. 25 Prozent sind für einen Freiberufler ein guter Wert. Also nehme ich mir vor, jedes Jahr einen neuen A-Kunden zu gewinnen – wegfallen wird leider von allein einer.

Den B-Kunden werden aktiv zielgruppengerecht abgewandelte Beiträge angeboten. Hier darf der Kontakt ruhig etwas „geschäftsmäßiger“ sein, sollte aber nicht unter sechsmal jährlich sinken. Angestrebter Umsatz- und Zeitaufwandsanteil: 10 bis 30 Prozent. Wichtigste Frage bei der Betrachtung dieser Gruppe: Aus wem ließe sich vielleicht ein A-Kunde machen?

Den C-Kunden werden schließlich nicht oder nur minimal umgeschriebene Beiträge, die ursprünglich für die A- und B-Kunden erstellt worden sind, angeboten. Der Kontakt erfolgt im Wesentlichen schriftlich, aber zumindest alle zwei bis drei Monate, um stets in Erinnerung zu bleiben. Erwartung an Umsatz und Zeitaufwand: 5 bis 20 Prozent. C-Kunden – und nur sie – können auch in unpersönlicher Form kontaktiert werden, also zum Beispiel im Team oder über eine Hilfskraft. C-Kunden sind oft auch Kunden, die erst welche werden sollen, das heißt, die noch überhaupt keine Umsätze bringen.

Tipp: Mach dir ruhig einmal die Mühe: Addiere deine einzelnen Kundenumsätze und trage sie in einem Diagramm auf! Schon dieser erste Schritt öffnet oft die Augen: Investiere ich den Hauptteil meiner Zeit in die wirklich wichtigen Kunden? Welcher B- oder gar C-Kunde erhält regelmäßig A-Kunden-Service – und damit Zeit, die dann für die wirklichen A-Kunden fehlt? Welcher Kunde hat umgekehrt vielleicht große Bedeutung für mich, erfährt aber gar nicht die Wertschätzung und Behandlung, die ihm zukäme?

Strategien für den "Longtail"

Der "Longtail" ist keine Hunderasse, sondern eine Idee aus der Welt des Web-Marketing: die Konzentration auf die vielen kleinen weniger attraktiven Abnehmer – die C-Kunden. Dahinter steckt die Überzeugung, dass auch aus dem "Rattenschwanz" der vermeintlich Unattraktiven (hier also den Kunden mit dem geringen Umsatz) ein Geschäft zu machen ist. Das scheint vor allem dann eine Überlegung wert, wenn wegen eines mörderischen Wettbewerbs bei den A- und B-Kunden da für einen selbst nichts mehr zu holen ist.
Erstellt worden ist dieses Konzept für kleinere Online-Shops, die es sich nicht leisten können, um die vielgesuchten und entsprechend teuren Google-Keywords mitzubieten. Es passt aber ganz gut auch für manchen Freiberufler, der neben den großen Agenturen oder Fotostocks seine Nische sucht. Wichtig ist dann allerdings, sich auch taktisch und strategisch richtig aufzustellen, z.B.

➔ konsequent auch thematisch den "Großen" aus dem Weg zu gehen, gezielt deren Themen zu ergänzen

➔ ebenso konsequent den Vertriebs- und Fakturierungsaufwand zu erfassen und zu minimieren. 

➔ sich ggfs. mit anderen zusammen zu tun

➔ "skalierbare" Honorierungsmodelle zu entwickeln. Bei Dutzenden bis Hunderten von Minikunden funktioniert individuelles Verhandeln natürlich nicht mehr. 

➔ vor allem aber: sich eine passende Kundenakquise einfallen zu lassen, z.B. über Newsletter.

Konzentration auf die A-Kunden oder Pflege des Longtails?

Die Entscheidung für eine bestimmte Kundenkonstellation soll und muss deiner Mentalität entsprechen. Der eine "kann" besser mit Menschen als mit der Technik, gibt seine Artikel lieber persönlich als per E-Mail ab und akquiriert beim Plausch in der Redaktion meist gleich den nächsten Auftrag. Dann reichen vielleicht auch vier bis fünf Kunden insgesamt, und eine Segmentierung macht wenig Sinn. Die andere freut sich über einen großen Verteiler, arbeitet fröhlich mit Redakteuren, die sie nur vom Telefon kennt. Und es macht ihr Spaß, ihre eigene kleine Logistik mit Mail- und Social-Network-Verteilerlisten sowie Webdatenbanken zu pflegen. In so einem Fall dürfen die B- und C-Kunden ruhig überwiegen.

Das Verhältnis aus Aufwand und Ertrag durch Mehrfachverwertung darf nicht schlechter sein als die Produktion selbst. Sonst macht man besser gleich den nächsten Originaltext.

In jedem Fall ist die eigene Arbeitsplanung darauf abzustimmen. Will heißen: wenn ich mir vornehme, 25 Prozent meines Umsatzes mit C-Kunden zu erreichen, dann muss ich mich darauf einrichten, einen entsprechenden Teil meiner Arbeit dafür zu investieren. Denn auch die Umsätze mit den B- und C-Kunden fallen einem nicht in den Schoß. Die Mehrfachverwertung, auf der das Modell der ABC-Kunden aufbaut, ist für viele ein Zauberwort geworden. Dabei heißt es aber sehr wohl aufpassen: Das Verhältnis aus Aufwand und Ertrag durch Mehrfachverwertung darf nicht schlechter sein als die Produktion selbst. Sonst macht man besser gleich den nächsten Originaltext.


Bearbeitung: Hans Werner Rodrian
Datum und Uhrzeit: 2023-11-14 14:11:41
Inhalt der Änderung

Der Gedanke ist verlockend: den Text, den ich gerade geschrieben und Zeitschrift A verkauft habe, auch noch Zeitung B und Fachmagazin C anzubieten. Das nennt man Mehrfachverwertung. Und, ja, das ist möglich. Und es ist nicht nur möglich, sondern es ist für viele Freie ein wichtiger Teil des Einkommens.

Hinweis: Hier geht es darum, komplette, weitgehend fertige Beiträge außer an den Erstabnehmer auch noch an weitere Kunden zu verkaufen. Dass du Recherchen und dein Know-how immer wieder neu verwertest, versteht sich von selbst.

Der schnelle Überblick: So funktioniert’s 

Wie stellt man es an? Die meisten Freien schreiben einfach eine Mail an mehrere Redaktionen in der "Blind Copy", so dass keiner sieht, an wen die Mail noch gegangen ist, aber jeder weiß, dass er nicht der einzige ist. Der Text hängt dann als Word-Anhang an, Bilder besser per Link zu einer Cloud. Du kannst aber auch in mehreren Stufen versenden (das sogenannte ABC-Modell, siehe unten).   

Was bringt’s? Erwarte keine Wunderdinge. Den Löwenanteil muss die Erstverwertung bringen. Für den du das Stück erstellst, das muss also ein "guter" Kunde sein. Aber warum solltest du nicht noch ein paar hundert Euro mit ein paar regionalen Tageszeitungen machen?

Worauf ist zu achten? Du darfst keine Exklusivrechte verkauft haben. Pass darauf auf, dass du keine Exklusivvereinbarungen ("Knebnelverträge") unterschreibst, wie sie manche Verlage einem gern unterschieben. 

Was ist wichtig? Die Verhältnisse klar halten. Die Redaktionen müssen wissen, ob sie und nur sie den Text  erhalten (und dafür dann unbedingt mehr zahlen sollten) oder ob auch andere Medien den Beitrag erhalten haben oder werden.

Dürfen Konkurrenten bedient werden? Im Prinzip ja, wenn jeder Bescheid weiß. dpa macht es ja auch nicht anders. Cleverer ist es aber meistens, direkte Konkurrenten nicht mit dem gleichen Beitrag zu beliefern. Sondern besser Medien unterschiedlicher Art aus unterschiedlichen Regionen. 

Wen ansprechen? Das weiß man als Einsteiger oft nicht genau und mailt entsprechend allgemein das Feuilleton oder die Sportredaktion an. Das darf aber nicht so bleiben: In der Folge heißt es fleißig telefonieren und so Strukturen und Ansprechpartner herausfinden.

Welche Beiträge mehrfachverwerten? Natürlich alles, was geht. Aber in der Praxis geht es meist um Themen, die weder zu aktuell noch zu regional noch zu speziell sind.  

Tipp: Hast du schon mal daran gedacht, deine Texte vom vergangenen und vorvergangenen Jahr darauf zu checken, was sich zweitverwerten lässt? Oft ist das Timing der Schlüssel zum Erfolg: das Steuererklärungsthema im Mai, die Fernreisereportage zur Reisemesse. 

Für größere Verteiler: Das ABC-Modell

Was tun, wenn man wie viele Freie einen „Bauchladen“ von Kunden bedient und individuelles Verhandeln mit jedem einzelnen Abnehmer gar nicht wirklich möglich ist? Für solche Fälle hat sich das Konzept der Einteilung in ABC-Kunden bewährt: Für A-Kunden schreibe ich. Für B-Kunden schreibe ich um. Und C-Kunden erhalten den Text halt hinterher noch, wie er ist.

Für A-Kunden schreibe ich den Beitrag. Für B-Kunden schreibe ich ihn um. Und C-Kunden erhalten den Text dann halt hinterher noch, wie er ist.

Dieses Konzept ist aus der Materialwirtschaft von Großunternehmen entlehnt, passt aber gut auf die Verwertungskette von freien Journalisten. Der ideale Ablauf ist, das Thema zuerst als Auftragsarbeit zum Exklusivhonorar für einen A-Kunden zu erstellen, dann nach Veröffentlichung zielgruppenspezifisch für andere attraktive Einzelkunden abzuwandeln: die B-Kunden, und schließlich breiter gestreut an weitere Kunden, die Individualarbeit nicht honorieren: die C-Kunden.

Wie lässt sich das eigene Kundenportefeuille in A-, B- und C-Kunden einteilen? Dazu ordnet man sie, z.B. nach dem mit dem jeweiligen Kunden erzielten Umsatz im vergangenen Jahr. Daraus siehst du sofort, welches Medium dir den meisten Umsatz bringt, also höchste Priorität haben sollte (A-Kunde), wo mittlere Priorität angebracht ist (B-Kunde) oder niedrige Priorität (C-Kunde). Besonders übersichtlich wird das Ganze, wenn du die Umsatzzahlen gleich in Prozente Ihres Gesamtumsatzes umrechnest. Bei insgesamt 20 Kunden könnten die ersten zwei bis drei A-Kunden werden, die folgenden vier oder fünf B-Kunden und der Rest C-Kunden. Oft ergeben sich übrigens von ganz allein drei eng zusammen liegende Kundengruppen. Fachleute nennen das die 80/20-Regel: Mit 20 Prozent der Kunden erzielen die meisten Unternehmen 80 Prozent ihres Umsatzes – egal, um welche Branche es sich handelt.

Standardstrategien für die Mehrfachverwertung

Was lässt sich nun mit der frisch gewonnenen ABC-Analyse anstellen? Man kann und sollte danach handeln! Hier meine Standard-Strategien:

Die A-Kunden müssen ständig und aktiv „gepflegt“ werden, neue Textproduktionen sollten nur für sie entstehen. Dazu ist regelmäßiger, vertrauensvoller und vor allem persönlicher Kontakt unabdingbar. Angestrebter Umsatz- und Zeitaufwandsanteil: 50 bis 60 Prozent. Faustregeln: A-Kunden werden mindestens alle 2 Wochen kontaktiert, auch und gerade, wenn gerade kein Auftrag läuft. Nur so bleibt man am Ball. Dabei heißt es freilich: Keine Abhängigkeit aufkommen lassen. Kein einzelner Abnehmer darf so viel Gewicht haben, dass einen sein plötzlicher Wegfall ins Trudeln bringt. 25 Prozent sind für einen Freiberufler ein guter Wert. Also nehme ich mir vor, jedes Jahr einen neuen A-Kunden zu gewinnen – wegfallen wird leider von allein einer.

Den B-Kunden werden aktiv zielgruppengerecht abgewandelte Beiträge angeboten. Hier darf der Kontakt ruhig etwas „geschäftsmäßiger“ sein, sollte aber nicht unter sechsmal jährlich sinken. Angestrebter Umsatz- und Zeitaufwandsanteil: 10 bis 30 Prozent. Wichtigste Frage bei der Betrachtung dieser Gruppe: Aus wem ließe sich vielleicht ein A-Kunde machen?

Den C-Kunden werden schließlich nicht oder nur minimal umgeschriebene Beiträge, die ursprünglich für die A- und B-Kunden erstellt worden sind, angeboten. Der Kontakt erfolgt im Wesentlichen schriftlich, aber zumindest alle zwei bis drei Monate, um stets in Erinnerung zu bleiben. Erwartung an Umsatz und Zeitaufwand: 5 bis 20 Prozent. C-Kunden – und nur sie – können auch in unpersönlicher Form kontaktiert werden, also zum Beispiel im Team oder über eine Hilfskraft. C-Kunden sind oft auch Kunden, die erst welche werden sollen, das heißt, die noch überhaupt keine Umsätze bringen.

Tipp: Mach dir ruhig einmal die Mühe: Addiere deine einzelnen Kundenumsätze und trage sie in einem Diagramm auf! Schon dieser erste Schritt öffnet oft die Augen: Investiere ich den Hauptteil meiner Zeit in die wirklich wichtigen Kunden? Welcher B- oder gar C-Kunde erhält regelmäßig A-Kunden-Service – und damit Zeit, die dann für die wirklichen A-Kunden fehlt? Welcher Kunde hat umgekehrt vielleicht große Bedeutung für mich, erfährt aber gar nicht die Wertschätzung und Behandlung, die ihm zukäme?

Strategien für den "Longtail"

Der "Longtail" ist keine Hunderasse, sondern eine Idee aus der Welt des Web-Marketing: die Konzentration auf die vielen kleinen weniger attraktiven Abnehmer – die C-Kunden. Dahinter steckt die Überzeugung, dass auch aus dem "Rattenschwanz" der vermeintlich Unattraktiven (hier also den Kunden mit dem geringen Umsatz) ein Geschäft zu machen ist. Das scheint vor allem dann eine Überlegung wert, wenn wegen eines mörderischen Wettbewerbs bei den A- und B-Kunden da für einen selbst nichts mehr zu holen ist.
Erstellt worden ist dieses Konzept für kleinere Online-Shops, die es sich nicht leisten können, um die vielgesuchten und entsprechend teuren Google-Keywords mitzubieten. Es passt aber ganz gut auch für manchen Freiberufler, der neben den großen Agenturen oder Fotostocks seine Nische sucht. Wichtig ist dann allerdings, sich auch taktisch und strategisch richtig aufzustellen, z.B.

➔ konsequent auch thematisch den "Großen" aus dem Weg zu gehen, gezielt deren Themen zu ergänzen

➔ ebenso konsequent den Vertriebs- und Fakturierungsaufwand zu erfassen und zu minimieren. 

➔ sich ggfs. mit anderen zusammen zu tun

➔ "skalierbare" Honorierungsmodelle zu entwickeln. Bei Dutzenden bis Hunderten von Minikunden funktioniert individuelles Verhandeln natürlich nicht mehr. 

➔ vor allem aber: sich eine passende Kundenakquise einfallen zu lassen, z.B. über Newsletter.

Konzentration auf die A-Kunden oder Pflege des Longtails?

Die Entscheidung für eine bestimmte Kundenkonstellation soll und muss deiner Mentalität entsprechen. Der eine "kann" besser mit Menschen als mit der Technik, gibt seine Artikel lieber persönlich als per E-Mail ab und akquiriert beim Plausch in der Redaktion meist gleich den nächsten Auftrag. Dann reichen vielleicht auch vier bis fünf Kunden insgesamt, und eine Segmentierung macht wenig Sinn. Die andere freut sich über einen großen Verteiler, arbeitet fröhlich mit Redakteuren, die sie nur vom Telefon kennt. Und es macht ihr Spaß, ihre eigene kleine Logistik mit Mail- und Social-Network-Verteilerlisten sowie Webdatenbanken zu pflegen. In so einem Fall dürfen die B- und C-Kunden ruhig überwiegen.

Das Verhältnis aus Aufwand und Ertrag durch Mehrfachverwertung darf nicht schlechter sein als die Produktion selbst. Sonst macht man besser gleich den nächsten Originaltext.

In jedem Fall ist die eigene Arbeitsplanung darauf abzustimmen. Will heißen: wenn ich mir vornehme, 25 Prozent meines Umsatzes mit C-Kunden zu erreichen, dann muss ich mich darauf einrichten, einen entsprechenden Teil meiner Arbeit dafür zu investieren. Denn auch die Umsätze mit den B- und C-Kunden fallen einem nicht in den Schoß. Die Mehrfachverwertung, auf der das Modell der ABC-Kunden aufbaut, ist für viele ein Zauberwort geworden. Dabei heißt es aber sehr wohl aufpassen: Das Verhältnis aus Aufwand und Ertrag durch Mehrfachverwertung darf nicht schlechter sein als die Produktion selbst. Sonst macht man besser gleich den nächsten Originaltext.


Bearbeitung: Hans Werner Rodrian
Datum und Uhrzeit: 2023-09-28 21:25:47
Inhalt der Änderung

Der Gedanke ist verlockend: den Text, den ich gerade geschrieben und Zeitschrift A verkauft habe, auch noch Zeitung B und Fachmagazin C anzubieten. Das nennt man Mehrfachverwertung. Und, ja, das ist möglich. Und es ist nicht nur möglich, sondern es ist für viele Freie ein wichtiger Teil des Einkommens.

Hinweis: Hier geht es darum, komplette, weitgehend fertige Beiträge außer an den Erstabnehmer auch noch an weitere Kunden zu verkaufen. Dass du Recherchen und dein Know-how immer wieder neu verwertest, versteht sich von selbst.

Der schnelle Überblick: So funktioniert’s 

Wie stellt man es an? Die meisten Freien schreiben einfach eine Mail an mehrere Redaktionen in der “Blind Copy”, so dass keiner sieht, an wen die Mail noch gegangen ist, aber jeder weiß, dass er nicht der einzige ist. Der Text hängt dann als Word-Anhang an, Bilder besser per Link zu einer Cloud. Du kannst aber auch in mehreren Stufen versenden (das sogenannte ABC-Modell, siehe unten).   

Was bringt’s? Erwarte keine Wunderdinge. Den Löwenanteil muss die Erstverwertung bringen. Für den du das Stück erstellst, das muss also ein “guter” Kunde sein. Aber warum solltest du nicht noch ein paar hundert Euro mit ein paar regionalen Tageszeitungen machen?

Worauf ist zu achten? Du darfst keine Exklusivrechte verkauft haben. Pass darauf auf, dass du keine Exklusivvereinbarungen ("Knebnelverträge") unterschreibst, wie sie manche Verlage einem gern unterschieben. 

Was ist wichtig? Die Verhältnisse klar halten. Die Redaktionen müssen wissen, ob sie und nur sie den Text  erhalten (und dafür dann unbedingt mehr zahlen sollten) oder ob auch andere Medien den Beitrag erhalten haben oder werden.

Dürfen Konkurrenten bedient werden? Im Prinzip ja, wenn jeder Bescheid weiß. dpa macht es ja auch nicht anders. Cleverer ist es aber meistens, direkte Konkurrenten nicht mit dem gleichen Beitrag zu beliefern. Sondern besser Medien unterschiedlicher Art aus unterschiedlichen Regionen. 

Wen ansprechen? Das weiß man als Einsteiger oft nicht genau und mailt entsprechend allgemein das Feuilleton oder die Sportredaktion an. Das darf aber nicht so bleiben: In der Folge heißt es fleißig telefonieren und so Strukturen und Ansprechpartner herausfinden.

Welche Beiträge mehrfachverwerten? Natürlich alles, was geht. Aber in der Praxis geht es meist um Themen, die weder zu aktuell noch zu regional noch zu speziell sind.  

Tipp: Hast du schon mal daran gedacht, deine Texte vom vergangenen und vorvergangenen Jahr darauf zu checken, was sich zweitverwerten lässt? Oft ist das Timing der Schlüssel zum Erfolg: das Steuererklärungsthema im Mai, die Fernreisereportage zur Reisemesse. 

Für größere Verteiler: Das ABC-Modell

Was tun, wenn man wie viele Freie einen „Bauchladen“ von Kunden bedient und individuelles Verhandeln mit jedem einzelnen Abnehmer gar nicht wirklich möglich ist? Für solche Fälle hat sich das Konzept der Einteilung in ABC-Kunden bewährt: Für A-Kunden schreibe ich. Für B-Kunden schreibe ich um. Und C-Kunden erhalten den Text halt hinterher noch, wie er ist.

Für A-Kunden schreibe ich den Beitrag. Für B-Kunden schreibe ich ihn um. Und C-Kunden erhalten den Text dann halt hinterher noch, wie er ist.

Dieses Konzept ist aus der Materialwirtschaft von Großunternehmen entlehnt, passt aber gut auf die Verwertungskette von freien Journalisten. Der ideale Ablauf ist, das Thema zuerst als Auftragsarbeit zum Exklusivhonorar für einen A-Kunden zu erstellen, dann nach Veröffentlichung zielgruppenspezifisch für andere attraktive Einzelkunden abzuwandeln: die B-Kunden, und schließlich breiter gestreut an weitere Kunden, die Individualarbeit nicht honorieren: die C-Kunden.

Wie lässt sich das eigene Kundenportefeuille in A-, B- und C-Kunden einteilen? Dazu ordnet man sie, z.B. nach dem mit dem jeweiligen Kunden erzielten Umsatz im vergangenen Jahr. Daraus siehst du sofort, welches Medium dir den meisten Umsatz bringt, also höchste Priorität haben sollte (A-Kunde), wo mittlere Priorität angebracht ist (B-Kunde) oder niedrige Priorität (C-Kunde). Besonders übersichtlich wird das Ganze, wenn du die Umsatzzahlen gleich in Prozente Ihres Gesamtumsatzes umrechnest. Bei insgesamt 20 Kunden könnten die ersten zwei bis drei A-Kunden werden, die folgenden vier oder fünf B-Kunden und der Rest C-Kunden. Oft ergeben sich übrigens von ganz allein drei eng zusammen liegende Kundengruppen. Fachleute nennen das die 80/20-Regel: Mit 20 Prozent der Kunden erzielen die meisten Unternehmen 80 Prozent ihres Umsatzes – egal, um welche Branche es sich handelt.

Standardstrategien für die Mehrfachverwertung

Was lässt sich nun mit der frisch gewonnenen ABC-Analyse anstellen? Man kann und sollte danach handeln! Hier meine Standard-Strategien:

Die A-Kunden müssen ständig und aktiv „gepflegt“ werden, neue Textproduktionen sollten nur für sie entstehen. Dazu ist regelmäßiger, vertrauensvoller und vor allem persönlicher Kontakt unabdingbar. Angestrebter Umsatz- und Zeitaufwandsanteil: 50 bis 60 Prozent. Faustregeln: A-Kunden werden mindestens alle 2 Wochen kontaktiert, auch und gerade, wenn gerade kein Auftrag läuft. Nur so bleibt man am Ball. Dabei heißt es freilich: Keine Abhängigkeit aufkommen lassen. Kein einzelner Abnehmer darf so viel Gewicht haben, dass einen sein plötzlicher Wegfall ins Trudeln bringt. 25 Prozent sind für einen Freiberufler ein guter Wert. Also nehme ich mir vor, jedes Jahr einen neuen A-Kunden zu gewinnen – wegfallen wird leider von allein einer.

Den B-Kunden werden aktiv zielgruppengerecht abgewandelte Beiträge angeboten. Hier darf der Kontakt ruhig etwas „geschäftsmäßiger“ sein, sollte aber nicht unter sechsmal jährlich sinken. Angestrebter Umsatz- und Zeitaufwandsanteil: 10 bis 30 Prozent. Wichtigste Frage bei der Betrachtung dieser Gruppe: Aus wem ließe sich vielleicht ein A-Kunde machen?

Den C-Kunden werden schließlich nicht oder nur minimal umgeschriebene Beiträge, die ursprünglich für die A- und B-Kunden erstellt worden sind, angeboten. Der Kontakt erfolgt im Wesentlichen schriftlich, aber zumindest alle zwei bis drei Monate, um stets in Erinnerung zu bleiben. Erwartung an Umsatz und Zeitaufwand: 5 bis 20 Prozent. C-Kunden – und nur sie – können auch in unpersönlicher Form kontaktiert werden, also zum Beispiel im Team oder über eine Hilfskraft. C-Kunden sind oft auch Kunden, die erst welche werden sollen, das heißt, die noch überhaupt keine Umsätze bringen.

Tipp: Mach dir ruhig einmal die Mühe: Addiere deine einzelnen Kundenumsätze und trage sie in einem Diagramm auf! Schon dieser erste Schritt öffnet oft die Augen: Investiere ich den Hauptteil meiner Zeit in die wirklich wichtigen Kunden? Welcher B- oder gar C-Kunde erhält regelmäßig A-Kunden-Service – und damit Zeit, die dann für die wirklichen A-Kunden fehlt? Welcher Kunde hat umgekehrt vielleicht große Bedeutung für mich, erfährt aber gar nicht die Wertschätzung und Behandlung, die ihm zukäme?

Strategien für den “Longtail”

Der "Longtail" ist keine Hunderasse, sondern eine Idee aus der Welt des Web-Marketing: die Konzentration auf die vielen kleinen weniger attraktiven Abnehmer – die C-Kunden. Dahinter steckt die Überzeugung, dass auch aus dem "Rattenschwanz" der vermeintlich Unattraktiven (hier also den Kunden mit dem geringen Umsatz) ein Geschäft zu machen ist. Das scheint vor allem dann eine Überlegung wert, wenn wegen eines mörderischen Wettbewerbs bei den A- und B-Kunden da für einen selbst nichts mehr zu holen ist.
Erstellt worden ist dieses Konzept für kleinere Online-Shops, die es sich nicht leisten können, um die vielgesuchten und entsprechend teuren Google-Keywords mitzubieten. Es passt aber ganz gut auch für manchen Freiberufler, der neben den großen Agenturen oder Fotostocks seine Nische sucht. Wichtig ist dann allerdings, sich auch taktisch und strategisch richtig aufzustellen, z.B.

➔ konsequent auch thematisch den "Großen" aus dem Weg zu gehen, gezielt deren Themen zu ergänzen

➔ ebenso konsequent den Vertriebs- und Fakturierungsaufwand zu erfassen und zu minimieren. 

➔ sich ggfs. mit anderen zusammen zu tun

➔ "skalierbare" Honorierungsmodelle zu entwickeln. Bei Dutzenden bis Hunderten von Minikunden funktioniert individuelles Verhandeln natürlich nicht mehr. 

➔ vor allem aber: sich eine passende Kundenakquise einfallen zu lassen, z.B. über Newsletter.

Konzentration auf die A-Kunden oder Pflege des Longtails?

Die Entscheidung für eine bestimmte Kundenkonstellation soll und muss deiner Mentalität entsprechen. Der eine "kann" besser mit Menschen als mit der Technik, gibt seine Artikel lieber persönlich als per E-Mail ab und akquiriert beim Plausch in der Redaktion meist gleich den nächsten Auftrag. Dann reichen vielleicht auch vier bis fünf Kunden insgesamt, und eine Segmentierung macht wenig Sinn. Die andere freut sich über einen großen Verteiler, arbeitet fröhlich mit Redakteuren, die sie nur vom Telefon kennt. Und es macht ihr Spaß, ihre eigene kleine Logistik mit Mail- und Social-Network-Verteilerlisten sowie Webdatenbanken zu pflegen. In so einem Fall dürfen die B- und C-Kunden ruhig überwiegen.

Das Verhältnis aus Aufwand und Ertrag durch Mehrfachverwertung darf nicht schlechter sein als die Produktion selbst. Sonst macht man besser gleich den nächsten Originaltext.

In jedem Fall ist die eigene Arbeitsplanung darauf abzustimmen. Will heißen: wenn ich mir vornehme, 25 Prozent meines Umsatzes mit C-Kunden zu erreichen, dann muss ich mich darauf einrichten, einen entsprechenden Teil meiner Arbeit dafür zu investieren. Denn auch die Umsätze mit den B- und C-Kunden fallen einem nicht in den Schoß. Die Mehrfachverwertung, auf der das Modell der ABC-Kunden aufbaut, ist für viele ein Zauberwort geworden. Dabei heißt es aber sehr wohl aufpassen: Das Verhältnis aus Aufwand und Ertrag durch Mehrfachverwertung darf nicht schlechter sein als die Produktion selbst. Sonst macht man besser gleich den nächsten Originaltext.


Bearbeitung: Hans Werner Rodrian
Datum und Uhrzeit: 2023-09-28 21:24:18
Inhalt der Änderung

Der Gedanke ist verlockend: den Text, den ich gerade geschrieben und Zeitschrift A verkauft habe, auch noch Zeitung B und Fachmagazin C anzubieten. Das nennt man Mehrfachverwertung. Und, ja, das ist möglich. Und es ist nicht nur möglich, sondern es ist für viele Freie ein wichtiger Teil des Einkommens.

Hinweis: Hier geht es darum, komplette, weitgehend fertige Beiträge außer an den Erstabnehmer auch noch an weitere Kunden zu verkaufen. Dass du Recherchen und dein Know-how immer wieder neu verwertest, versteht sich von selbst.

Der schnelle Überblick: So funktioniert’s 

Wie stellt man es an? Die meisten Freien schreiben einfach eine Mail an mehrere Redaktionen in der “Blind Copy”, so dass keiner sieht, an wen die Mail noch gegangen ist, aber jeder weiß, dass er nicht der einzige ist. Der Text hängt dann als Word-Anhang an, Bilder besser per Link zu einer Cloud. Du kannst aber auch in mehreren Stufen versenden (das sogenannte ABC-Modell, siehe unten).   

Was bringt’s? Erwarte keine Wunderdinge. Den Löwenanteil muss die Erstverwertung bringen. Für den du das Stück erstellst, das muss also ein “guter” Kunde sein. Aber warum solltest du nicht noch ein paar hundert Euro mit ein paar regionalen Tageszeitungen machen?

Worauf ist zu achten? Du darfst keine Exklusivrechte verkauft haben. Pass darauf auf, dass du keine Exklusivvereinbarungen ("Knebnelverträge") unterschreibst, wie sie manche Verlage einem gern unterschieben. 

Was ist wichtig? Die Verhältnisse klar halten. Die Redaktionen müssen wissen, ob sie und nur sie den Text  erhalten (und dafür dann unbedingt mehr zahlen sollten) oder ob auch andere Medien den Beitrag erhalten haben oder werden.

Dürfen Konkurrenten bedient werden? Im Prinzip ja, wenn jeder Bescheid weiß. dpa macht es ja auch nicht anders. Cleverer ist es aber meistens, direkte Konkurrenten nicht mit dem gleichen Beitrag zu beliefern. Sondern besser Medien unterschiedlicher Art aus unterschiedlichen Regionen. 

Wen ansprechen? Das weiß man als Einsteiger oft nicht genau und mailt entsprechend allgemein das Feuilleton oder die Sportredaktion an. Das darf aber nicht so bleiben: In der Folge heißt es fleißig telefonieren und so Strukturen und Ansprechpartner herausfinden.

Welche Beiträge mehrfachverwerten? Natürlich alles, was geht. Aber in der Praxis geht es meist um Themen, die weder zu aktuell noch zu regional noch zu speziell sind.  

Tipp: Hast du schon mal daran gedacht, deine Texte vom vergangenen und vorvergangenen Jahr darauf zu checken, was sich zweitverwerten lässt? Oft ist das Timing der Schlüssel zum Erfolg: das Steuererklärungsthema im Mai, die Fernreisereportage zur Reisemesse. 

Für größere Verteiler: Das ABC-Modell

Was tun, wenn man wie viele Freie einen „Bauchladen“ von Kunden bedient und individuelles Verhandeln mit jedem einzelnen Abnehmer gar nicht wirklich möglich ist? Für solche Fälle hat sich das Konzept der Einteilung in ABC-Kunden bewährt: Für A-Kunden schreibe ich. Für B-Kunden schreibe ich um. Und C-Kunden erhalten den Text halt hinterher noch, wie er ist.

Für A-Kunden schreibe ich den Beitrag. Für B-Kunden schreibe ich ihn um. Und C-Kunden erhalten den Text dann halt hinterher noch, wie er ist.

Dieses Konzept ist aus der Materialwirtschaft von Großunternehmen entlehnt, passt aber gut auf die Verwertungskette von freien Journalisten. Der ideale Ablauf ist, das Thema zuerst als Auftragsarbeit zum Exklusivhonorar für einen A-Kunden zu erstellen, dann nach Veröffentlichung zielgruppenspezifisch für andere attraktive Einzelkunden abzuwandeln: die B-Kunden, und schließlich breiter gestreut an weitere Kunden, die Individualarbeit nicht honorieren: die C-Kunden.

Wie lässt sich das eigene Kundenportefeuille in A-, B- und C-Kunden einteilen? Dazu ordnet man sie, z.B. nach dem mit dem jeweiligen Kunden erzielten Umsatz im vergangenen Jahr. Daraus siehst du sofort, welches Medium dir den meisten Umsatz bringt, also höchste Priorität haben sollte (A-Kunde), wo mittlere Priorität angebracht ist (B-Kunde) oder niedrige Priorität (C-Kunde). Besonders übersichtlich wird das Ganze, wenn du die Umsatzzahlen gleich in Prozente Ihres Gesamtumsatzes umrechnest. Bei insgesamt 20 Kunden könnten die ersten zwei bis drei A-Kunden werden, die folgenden vier oder fünf B-Kunden und der Rest C-Kunden. Oft ergeben sich übrigens von ganz allein drei eng zusammen liegende Kundengruppen. Fachleute nennen das die 80/20-Regel: Mit 20 Prozent der Kunden erzielen die meisten Unternehmen 80 Prozent ihres Umsatzes – egal, um welche Branche es sich handelt.

Standardstrategien für die Mehrfachverwertung

Was lässt sich nun mit der frisch gewonnenen ABC-Analyse anstellen? Man kann und sollte danach handeln! Hier meine Standard-Strategien:

Die A-Kunden müssen ständig und aktiv „gepflegt“ werden, neue Textproduktionen sollten nur für sie entstehen. Dazu ist regelmäßiger, vertrauensvoller und vor allem persönlicher Kontakt unabdingbar. Angestrebter Umsatz- und Zeitaufwandsanteil: 50 bis 60 Prozent. Faustregeln: A-Kunden werden mindestens alle 2 Wochen kontaktiert, auch und gerade, wenn gerade kein Auftrag läuft. Nur so bleibt man am Ball. Dabei heißt es freilich: Keine Abhängigkeit aufkommen lassen. Kein einzelner Abnehmer darf so viel Gewicht haben, dass einen sein plötzlicher Wegfall ins Trudeln bringt. 25 Prozent sind für einen Freiberufler ein guter Wert. Also nehme ich mir vor, jedes Jahr einen neuen A-Kunden zu gewinnen – wegfallen wird leider von allein einer.

Den B-Kunden werden aktiv zielgruppengerecht abgewandelte Beiträge angeboten. Hier darf der Kontakt ruhig etwas „geschäftsmäßiger“ sein, sollte aber nicht unter sechsmal jährlich sinken. Angestrebter Umsatz- und Zeitaufwandsanteil: 10 bis 30 Prozent. Wichtigste Frage bei der Betrachtung dieser Gruppe: Aus wem ließe sich vielleicht ein A-Kunde machen?

Den C-Kunden werden schließlich nicht oder nur minimal umgeschriebene Beiträge, die ursprünglich für die A- und B-Kunden erstellt worden sind, angeboten. Der Kontakt erfolgt im Wesentlichen schriftlich, aber zumindest alle zwei bis drei Monate, um stets in Erinnerung zu bleiben. Erwartung an Umsatz und Zeitaufwand: 5 bis 20 Prozent. C-Kunden – und nur sie – können auch in unpersönlicher Form kontaktiert werden, also zum Beispiel im Team oder über eine Hilfskraft. C-Kunden sind oft auch Kunden, die erst welche werden sollen, das heißt, die noch überhaupt keine Umsätze bringen.

Tipp: Mach dir ruhig einmal die Mühe: Addiere deine einzelnen Kundenumsätze und trage sie in einem Diagramm auf! Schon dieser erste Schritt öffnet oft die Augen: Investiere ich den Hauptteil meiner Zeit in die wirklich wichtigen Kunden? Welcher B- oder gar C-Kunde erhält regelmäßig A-Kunden-Service – und damit Zeit, die dann für die wirklichen A-Kunden fehlt? Welcher Kunde hat umgekehrt vielleicht große Bedeutung für mich, erfährt aber gar nicht die Wertschätzung und Behandlung, die ihm zukäme?

Strategien für den “Longtail”

Der "Longtail" ist keine Hunderasse, sondern eine Idee aus der Welt des Web-Marketing: die Konzentration auf die vielen kleinen weniger attraktiven Abnehmer – die C-Kunden. Dahinter steckt die Überzeugung, dass auch aus dem "Rattenschwanz" der vermeintlich Unattraktiven (hier also den Kunden mit dem geringen Umsatz) ein Geschäft zu machen ist. Das scheint vor allem dann eine Überlegung wert, wenn wegen eines mörderischen Wettbewerbs bei den A- und B-Kunden da für einen selbst nichts mehr zu holen ist.
Erstellt worden ist dieses Konzept für kleinere Online-Shops, die es sich nicht leisten können, um die vielgesuchten und entsprechend teuren Google-Keywords mitzubieten. Es passt aber ganz gut auch für manchen Freiberufler, der neben den großen Agenturen oder Fotostocks seine Nische sucht. Wichtig ist dann allerdings, sich auch taktisch und strategisch richtig aufzustellen, z.B.

➔ konsequent auch thematisch den "Großen" aus dem Weg zu gehen, gezielt deren Themen zu ergänzen

➔ ebenso konsequent den Vertriebs- und Fakturierungsaufwand zu erfassen und zu minimieren. 

➔ sich ggfs. mit anderen zusammen zu tun

➔ "skalierbare" Honorierungsmodelle zu entwickeln. Bei Dutzenden bis Hunderten von Minikunden funktioniert individuelles Verhandeln natürlich nicht mehr. 

➔ vor allem aber: sich eine passende Kundenakquise einfallen zu lassen, z.B. über Newsletter.

Konzentration auf die A-Kunden oder Pflege des Longtails?

Die Entscheidung für eine bestimmte Kundenkonstellation soll und muss deiner Mentalität entsprechen. Der eine "kann" besser mit Menschen als mit der Technik, gibt seine Artikel lieber persönlich als per E-Mail ab und akquiriert beim Plausch in der Redaktion meist gleich den nächsten Auftrag. Dann reichen vielleicht auch vier bis fünf Kunden insgesamt, und eine Segmentierung macht wenig Sinn. Die andere freut sich über einen großen Verteiler, arbeitet fröhlich mit Redakteuren, die sie nur vom Telefon kennt. Und es macht ihr Spaß, ihre eigene kleine Logistik mit Mail- und Social-Network-Verteilerlisten sowie Webdatenbanken zu pflegen. In so einem Fall dürfen die B- und C-Kunden ruhig überwiegen.

Das Verhältnis aus Aufwand und Ertrag durch Mehrfachverwertung darf nicht schlechter sein als die Produktion selbst. Sonst macht man besser gleich den nächsten Originaltext.

In jedem Fall ist die eigene Arbeitsplanung darauf abzustimmen. Will heißen: wenn ich mir vornehme, 25 Prozent meines Umsatzes mit C-Kunden zu erreichen, dann muss ich mich darauf einrichten, einen entsprechenden Teil meiner Arbeit dafür zu investieren. Denn auch die Umsätze mit den B- und C-Kunden fallen einem nicht in den Schoß. Die Mehrfachverwertung, auf der das Modell der ABC-Kunden aufbaut, ist für viele ein Zauberwort geworden. Dabei heißt es aber sehr wohl aufpassen: Das Verhältnis aus Aufwand und Ertrag durch Mehrfachverwertung darf nicht schlechter sein als die Produktion selbst. Sonst macht man besser gleich den nächsten Originaltext.


Bearbeitung: Hans Werner Rodrian
Datum und Uhrzeit: 2023-09-28 21:23:47
Inhalt der Änderung

Der Gedanke ist verlockend: den Text, den ich gerade geschrieben und Zeitschrift A verkauft habe, auch noch Zeitung B und Fachmagazin C anzubieten. Das nennt man Mehrfachverwertung. Und, ja, das ist möglich. Und es ist nicht nur möglich, sondern es ist für viele Freie ein wichtiger Teil des Einkommens.

Hinweis: Hier geht es darum, komplette, weitgehend fertige Beiträge außer an den Erstabnehmer auch noch an weitere Kunden zu verkaufen. Dass du Recherchen und dein Know-how immer wieder neu verwertest, versteht sich von selbst.

Der schnelle Überblick: So funktioniert’s 

Wie stellt man es an? Die meisten Freien schreiben einfach eine Mail an mehrere Redaktionen in der “Blind Copy”, so dass keiner sieht, an wen die Mail noch gegangen ist, aber jeder weiß, dass er nicht der einzige ist. Der Text hängt dann als Word-Anhang an, Bilder besser per Link zu einer Cloud. Du kannst aber auch in mehreren Stufen versenden (das sogenannte ABC-Modell, siehe unten).   

Was bringt’s? Erwarte keine Wunderdinge. Den Löwenanteil muss die Erstverwertung bringen. Für den du das Stück erstellst, das muss also ein “guter” Kunde sein. Aber warum solltest du nicht noch ein paar hundert Euro mit ein paar regionalen Tageszeitungen machen?

Worauf ist zu achten? Du darfst keine Exklusivrechte verkauft haben. Pass darauf auf, dass du keine Exklusivvereinbarungen ("Knebnelverträge") unterschreibst, wie sie manche Verlage einem gern unterschieben. 

Was ist wichtig? Die Verhältnisse klar halten. Die Redaktionen müssen wissen, ob sie und nur sie den Text  erhalten (und dafür dann unbedingt mehr zahlen sollten) oder ob auch andere Medien den Beitrag erhalten haben oder werden.

Dürfen Konkurrenten bedient werden? Im Prinzip ja, wenn jeder Bescheid weiß. dpa macht es ja auch nicht anders. Cleverer ist es aber meistens, direkte Konkurrenten nicht mit dem gleichen Beitrag zu beliefern. Sondern besser Medien unterschiedlicher Art aus unterschiedlichen Regionen. 

Wen ansprechen? Das weiß man als Einsteiger oft nicht genau und mailt entsprechend allgemein das Feuilleton oder die Sportredaktion an. Das darf aber nicht so bleiben: In der Folge heißt es fleißig telefonieren und so Strukturen und Ansprechpartner herausfinden.

Welche Beiträge mehrfachverwerten? Natürlich alles, was geht. Aber in der Praxis geht es meist um Themen, die weder zu aktuell noch zu regional noch zu speziell sind.  

Tipp: Hast du schon mal daran gedacht, deine Texte vom vergangenen und vorvergangenen Jahr darauf zu checken, was sich zweitverwerten lässt? Oft ist das Timing der Schlüssel zum Erfolg: das Steuererklärungsthema im Mai, die Fernreisereportage zur Reisemesse. 

Für größere Verteiler: Das ABC-Modell

Was tun, wenn man wie viele Freie einen „Bauchladen“ von Kunden bedient und individuelles Verhandeln mit jedem einzelnen Abnehmer gar nicht wirklich möglich ist? Für solche Fälle hat sich das Konzept der Einteilung in ABC-Kunden bewährt: Für A-Kunden schreibe ich. Für B-Kunden schreibe ich um. Und C-Kunden erhalten den Text halt hinterher noch, wie er ist.

Für A-Kunden schreibe ich den Beitrag. Für B-Kunden schreibe ich ihn um. Und C-Kunden erhalten den Text dann halt hinterher noch, wie er ist.

Dieses Konzept ist aus der Materialwirtschaft von Großunternehmen entlehnt, passt aber gut auf die Verwertungskette von freien Journalisten. Der ideale Ablauf ist, das Thema zuerst als Auftragsarbeit zum Exklusivhonorar für einen A-Kunden zu erstellen, dann nach Veröffentlichung zielgruppenspezifisch für andere attraktive Einzelkunden abzuwandeln: die B-Kunden, und schließlich breiter gestreut an weitere Kunden, die Individualarbeit nicht honorieren: die C-Kunden.

Wie lässt sich das eigene Kundenportefeuille in A-, B- und C-Kunden einteilen? Dazu ordnet man sie, z.B. nach dem mit dem jeweiligen Kunden erzielten Umsatz im vergangenen Jahr. Daraus siehst du sofort, welches Medium dir den meisten Umsatz bringt, also höchste Priorität haben sollte (A-Kunde), wo mittlere Priorität angebracht ist (B-Kunde) oder niedrige Priorität (C-Kunde). Besonders übersichtlich wird das Ganze, wenn du die Umsatzzahlen gleich in Prozente Ihres Gesamtumsatzes umrechnest. Bei insgesamt 20 Kunden könnten die ersten zwei bis drei A-Kunden werden, die folgenden vier oder fünf B-Kunden und der Rest C-Kunden. Oft ergeben sich übrigens von ganz allein drei eng zusammen liegende Kundengruppen. Fachleute nennen das die 80/20-Regel: Mit 20 Prozent der Kunden erzielen die meisten Unternehmen 80 Prozent ihres Umsatzes – egal, um welche Branche es sich handelt.

Standardstrategien für die Mehrfachverwertung

Was lässt sich nun mit der frisch gewonnenen ABC-Analyse anstellen? Man kann und sollte danach handeln! Hier meine Standard-Strategien:

Die A-Kunden müssen ständig und aktiv „gepflegt“ werden, neue Textproduktionen sollten nur für sie entstehen. Dazu ist regelmäßiger, vertrauensvoller und vor allem persönlicher Kontakt unabdingbar. Angestrebter Umsatz- und Zeitaufwandsanteil: 50 bis 60 Prozent. Faustregeln: A-Kunden werden mindestens alle 2 Wochen kontaktiert, auch und gerade, wenn gerade kein Auftrag läuft. Nur so bleibt man am Ball. Dabei heißt es freilich: Keine Abhängigkeit aufkommen lassen. Kein einzelner Abnehmer darf so viel Gewicht haben, dass einen sein plötzlicher Wegfall ins Trudeln bringt. 25 Prozent sind für einen Freiberufler ein guter Wert. Also nehme ich mir vor, jedes Jahr einen neuen A-Kunden zu gewinnen – wegfallen wird leider von allein einer.

Den B-Kunden werden aktiv zielgruppengerecht abgewandelte Beiträge angeboten. Hier darf der Kontakt ruhig etwas „geschäftsmäßiger“ sein, sollte aber nicht unter sechsmal jährlich sinken. Angestrebter Umsatz- und Zeitaufwandsanteil: 10 bis 30 Prozent. Wichtigste Frage bei der Betrachtung dieser Gruppe: Aus wem ließe sich vielleicht ein A-Kunde machen?

Den C-Kunden werden schließlich nicht oder nur minimal umgeschriebene Beiträge, die ursprünglich für die A- und B-Kunden erstellt worden sind, angeboten. Der Kontakt erfolgt im Wesentlichen schriftlich, aber zumindest alle zwei bis drei Monate, um stets in Erinnerung zu bleiben. Erwartung an Umsatz und Zeitaufwand: 5 bis 20 Prozent. C-Kunden – und nur sie – können auch in unpersönlicher Form kontaktiert werden, also zum Beispiel im Team oder über eine Hilfskraft. C-Kunden sind oft auch Kunden, die erst welche werden sollen, das heißt, die noch überhaupt keine Umsätze bringen.

Tipp: Mach dir ruhig einmal die Mühe: Addiere deine einzelnen Kundenumsätze und trage sie in einem Diagramm auf! Schon dieser erste Schritt öffnet oft die Augen: Investiere ich den Hauptteil meiner Zeit in die wirklich wichtigen Kunden? Welcher B- oder gar C-Kunde erhält regelmäßig A-Kunden-Service – und damit Zeit, die dann für die wirklichen A-Kunden fehlt? Welcher Kunde hat umgekehrt vielleicht große Bedeutung für mich, erfährt aber gar nicht die Wertschätzung und Behandlung, die ihm zukäme?

Strategien für den “Longtail”

Der "Longtail" ist keine Hunderasse, sondern eine Idee aus der Welt des Web-Marketing: die Konzentration auf die vielen kleinen weniger attraktiven Abnehmer – die C-Kunden. Dahinter steckt die Überzeugung, dass auch aus dem "Rattenschwanz" der vermeintlich Unattraktiven (hier also den Kunden mit dem geringen Umsatz) ein Geschäft zu machen ist. Das scheint vor allem dann eine Überlegung wert, wenn wegen eines mörderischen Wettbewerbs bei den A- und B-Kunden da für einen selbst nichts mehr zu holen ist.
Erstellt worden ist dieses Konzept für kleinere Online-Shops, die es sich nicht leisten können, um die vielgesuchten und entsprechend teuren Google-Keywords mitzubieten. Es passt aber ganz gut auch für manchen Freiberufler, der neben den großen Agenturen oder Fotostocks seine Nische sucht. Wichtig ist dann allerdings, sich auch taktisch und strategisch richtig aufzustellen, z.B.

➔ konsequent auch thematisch den "Großen" aus dem Weg zu gehen, gezielt deren Themen zu ergänzen

➔ ebenso konsequent den Vertriebs- und Fakturierungsaufwand zu erfassen und zu minimieren. 

➔ sich ggfs. mit anderen zusammen zu tun

➔ "skalierbare" Honorierungsmodelle zu entwickeln. Bei Dutzenden bis Hunderten von Minikunden funktioniert individuelles Verhandeln natürlich nicht mehr. 

➔ vor allem aber: sich eine passende Kundenakquise einfallen zu lassen, z.B. über Newsletter.

Konzentration auf die A-Kunden oder Pflege des Longtails?

Die Entscheidung für eine bestimmte Kundenkonstellation soll und muss deiner Mentalität entsprechen. Der eine "kann" besser mit Menschen als mit der Technik, gibt seine Artikel lieber persönlich als per E-Mail ab und akquiriert beim Plausch in der Redaktion meist gleich den nächsten Auftrag. Dann reichen vielleicht auch vier bis fünf Kunden insgesamt, und eine Segmentierung macht wenig Sinn. Die andere freut sich über einen großen Verteiler, arbeitet fröhlich mit Redakteuren, die sie nur vom Telefon kennt. Und es macht ihr Spaß, ihre eigene kleine Logistik mit Mail- und Social-Network-Verteilerlisten sowie Webdatenbanken zu pflegen. In so einem Fall dürfen die B- und C-Kunden ruhig überwiegen.

Das Verhältnis aus Aufwand und Ertrag durch Mehrfachverwertung darf nicht schlechter sein als die Produktion selbst. Sonst macht man besser gleich den nächsten Originaltext.

In jedem Fall ist die eigene Arbeitsplanung darauf abzustimmen. Will heißen: wenn ich mir vornehme, 25 Prozent meines Umsatzes mit C-Kunden zu erreichen, dann muss ich mich darauf einrichten, einen entsprechenden Teil meiner Arbeit dafür zu investieren. Denn auch die Umsätze mit den B- und C-Kunden fallen einem nicht in den Schoß. Die Mehrfachverwertung, auf der das Modell der ABC-Kunden aufbaut, ist für viele ein Zauberwort geworden. Dabei heißt es aber sehr wohl aufpassen: Das Verhältnis aus Aufwand und Ertrag durch Mehrfachverwertung darf nicht schlechter sein als die Produktion selbst. Sonst macht man besser gleich den nächsten Originaltext.


Bearbeitung: Hans Werner Rodrian
Datum und Uhrzeit: 2023-09-28 21:22:02
Inhalt der Änderung

Der Gedanke ist verlockend: den Text, den ich gerade geschrieben und Zeitschrift A verkauft habe, auch noch Zeitung B und Fachmagazin C anzubieten. Das nennt man Mehrfachverwertung. Und, ja, das ist möglich. Und es ist nicht nur möglich, sondern es ist für viele Freie ein wichtiger Teil des Einkommens.

Hinweis: Hier geht es darum, komplette, weitgehend fertige Beiträge außer an den Erstabnehmer auch noch an weitere Kunden zu verkaufen. Dass du Recherchen und dein Know-how immer wieder neu verwertest, versteht sich von selbst.

Der schnelle Überblick: So funktioniert’s 

Wie stellt man es an? Die meisten Freien schreiben einfach eine Mail an mehrere Redaktionen in der “Blind Copy”, so dass keiner sieht, an wen die Mail noch gegangen ist, aber jeder weiß, dass er nicht der einzige ist. Der Text hängt dann als Word-Anhang an, Bilder besser per Link zu einer Cloud. Du kannst aber auch in mehreren Stufen versenden (das sogenannte ABC-Modell, siehe unten).   

Was bringt’s? Erwarte keine Wunderdinge. Den Löwenanteil muss die Erstverwertung bringen. Für den du das Stück erstellst, das muss also ein “guter” Kunde sein. Aber warum solltest du nicht noch ein paar hundert Euro mit ein paar regionalen Tageszeitungen machen?

Worauf ist zu achten? Du darfst keine Exklusivrechte verkauft haben. Pass darauf auf, dass du keine Exklusivvereinbarungen ("Knebnelverträge") unterschreibst, wie sie manche Verlage einem gern unterschieben. 

Was ist wichtig? Die Verhältnisse klar halten. Die Redaktionen müssen wissen, ob sie und nur sie den Text  erhalten (und dafür dann unbedingt mehr zahlen sollten) oder ob auch andere Medien den Beitrag erhalten haben oder werden.

Dürfen Konkurrenten bedient werden? Im Prinzip ja, wenn jeder Bescheid weiß. dpa macht es ja auch nicht anders. Cleverer ist es aber meistens, direkte Konkurrenten nicht mit dem gleichen Beitrag zu beliefern. Sondern besser Medien unterschiedlicher Art aus unterschiedlichen Regionen. 

Wen ansprechen? Das weiß man als Einsteiger oft nicht genau und mailt entsprechend allgemein das Feuilleton oder die Sportredaktion an. Das darf aber nicht so bleiben: In der Folge heißt es fleißig telefonieren und so Strukturen und Ansprechpartner herausfinden.

Welche Beiträge mehrfachverwerten? Natürlich alles, was geht. Aber in der Praxis geht es meist um Themen, die weder zu aktuell noch zu regional noch zu speziell sind.  

Tipp: Hast du schon mal daran gedacht, deine Texte vom vergangenen und vorvergangenen Jahr darauf zu checken, was sich zweitverwerten lässt? Oft ist das Timing der Schlüssel zum Erfolg: das Steuererklärungsthema im Mai, die Fernreisereportage zur Reisemesse. 

Für größere Verteiler: Das ABC-Modell

Was tun, wenn man wie viele Freie einen „Bauchladen“ von Kunden bedient und individuelles Verhandeln mit jedem einzelnen Abnehmer gar nicht wirklich möglich ist? Für solche Fälle hat sich das Konzept der Einteilung in ABC-Kunden bewährt: Für A-Kunden schreibe ich. Für B-Kunden schreibe ich um. Und C-Kunden erhalten den Text halt hinterher noch, wie er ist.

Für A-Kunden schreibe ich den Beitrag. Für B-Kunden schreibe ich ihn um. Und C-Kunden erhalten den Text dann halt hinterher noch, wie er ist.

Dieses Konzept ist aus der Materialwirtschaft von Großunternehmen entlehnt, passt aber gut auf die Verwertungskette von freien Journalisten. Der ideale Ablauf ist, das Thema zuerst als Auftragsarbeit zum Exklusivhonorar für einen A-Kunden zu erstellen, dann nach Veröffentlichung zielgruppenspezifisch für andere attraktive Einzelkunden abzuwandeln: die B-Kunden, und schließlich breiter gestreut an weitere Kunden, die Individualarbeit nicht honorieren: die C-Kunden.

Wie lässt sich das eigene Kundenportefeuille in A-, B- und C-Kunden einteilen? Dazu ordnet man sie, z.B. nach dem mit dem jeweiligen Kunden erzielten Umsatz im vergangenen Jahr. Daraus siehst du sofort, welches Medium dir den meisten Umsatz bringt, also höchste Priorität haben sollte (A-Kunde), wo mittlere Priorität angebracht ist (B-Kunde) oder niedrige Priorität (C-Kunde). Besonders übersichtlich wird das Ganze, wenn du die Umsatzzahlen gleich in Prozente Ihres Gesamtumsatzes umrechnest. Bei insgesamt 20 Kunden könnten die ersten zwei bis drei A-Kunden werden, die folgenden vier oder fünf B-Kunden und der Rest C-Kunden. Oft ergeben sich übrigens von ganz allein drei eng zusammen liegende Kundengruppen. Fachleute nennen das die 80/20-Regel: Mit 20 Prozent der Kunden erzielen die meisten Unternehmen 80 Prozent ihres Umsatzes – egal, um welche Branche es sich handelt.

Standardstrategien für die Mehrfachverwertung

Was lässt sich nun mit der frisch gewonnenen ABC-Analyse anstellen? Man kann und sollte danach handeln! Hier meine Standard-Strategien:

Die A-Kunden müssen ständig und aktiv „gepflegt“ werden, neue Textproduktionen sollten nur für sie entstehen. Dazu ist regelmäßiger, vertrauensvoller und vor allem persönlicher Kontakt unabdingbar. Angestrebter Umsatz- und Zeitaufwandsanteil: 50 bis 60 Prozent. Faustregeln: A-Kunden werden mindestens alle 2 Wochen kontaktiert, auch und gerade, wenn gerade kein Auftrag läuft. Nur so bleibt man am Ball. Dabei heißt es freilich: Keine Abhängigkeit aufkommen lassen. Kein einzelner Abnehmer darf so viel Gewicht haben, dass einen sein plötzlicher Wegfall ins Trudeln bringt. 25 Prozent sind für einen Freiberufler ein guter Wert. Also nehme ich mir vor, jedes Jahr einen neuen A-Kunden zu gewinnen – wegfallen wird leider von allein einer.

Den B-Kunden werden aktiv zielgruppengerecht abgewandelte Beiträge angeboten. Hier darf der Kontakt ruhig etwas „geschäftsmäßiger“ sein, sollte aber nicht unter sechsmal jährlich sinken. Angestrebter Umsatz- und Zeitaufwandsanteil: 10 bis 30 Prozent. Wichtigste Frage bei der Betrachtung dieser Gruppe: Aus wem ließe sich vielleicht ein A-Kunde machen?

Den C-Kunden werden schließlich nicht oder nur minimal umgeschriebene Beiträge, die ursprünglich für die A- und B-Kunden erstellt worden sind, angeboten. Der Kontakt erfolgt im Wesentlichen schriftlich, aber zumindest alle zwei bis drei Monate, um stets in Erinnerung zu bleiben. Erwartung an Umsatz und Zeitaufwand: 5 bis 20 Prozent. C-Kunden – und nur sie – können auch in unpersönlicher Form kontaktiert werden, also zum Beispiel im Team oder über eine Hilfskraft. C-Kunden sind oft auch Kunden, die erst welche werden sollen, das heißt, die noch überhaupt keine Umsätze bringen.

Mach dir ruhig einmal die Mühe: Addiere deine einzelnen Kundenumsätze und trage sie in einem Diagramm auf! Schon dieser erste Schritt öffnet oft die Augen: Investiere ich den Hauptteil meiner Zeit in die wirklich wichtigen Kunden? Welcher B- oder gar C-Kunde erhält regelmäßig A-Kunden-Service – und damit Zeit, die dann für die wirklichen A-Kunden fehlt? Welcher Kunde hat umgekehrt vielleicht große Bedeutung für mich, erfährt aber gar nicht die Wertschätzung und Behandlung, die ihm zukäme?

Strategien für den “Longtail”

Der "Longtail" ist keine Hunderasse, sondern eine Idee aus der Welt des Web-Marketing: die Konzentration auf die vielen kleinen weniger attraktiven Abnehmer – die C-Kunden. Dahinter steckt die Überzeugung, dass auch aus dem "Rattenschwanz" der vermeintlich Unattraktiven (hier also den Kunden mit dem geringen Umsatz) ein Geschäft zu machen ist. Das scheint vor allem dann eine Überlegung wert, wenn wegen eines mörderischen Wettbewerbs bei den A- und B-Kunden da für einen selbst nichts mehr zu holen ist.
Erstellt worden ist dieses Konzept für kleinere Online-Shops, die es sich nicht leisten können, um die vielgesuchten und entsprechend teuren Google-Keywords mitzubieten. Es passt aber ganz gut auch für manchen Freiberufler, der neben den großen Agenturen oder Fotostocks seine Nische sucht. Wichtig ist dann allerdings, sich auch taktisch und strategisch richtig aufzustellen, z.B.

➔ konsequent auch thematisch den "Großen" aus dem Weg zu gehen, gezielt deren Themen zu ergänzen

➔ ebenso konsequent den Vertriebs- und Fakturierungsaufwand zu erfassen und zu minimieren. 

➔ sich ggfs. mit anderen zusammen zu tun

➔ "skalierbare" Honorierungsmodelle zu entwickeln. Bei Dutzenden bis Hunderten von Minikunden funktioniert individuelles Verhandeln natürlich nicht mehr. 

➔ vor allem aber: sich eine passende Kundenakquise einfallen zu lassen, z.B. über Newsletter.

Konzentration auf die A-Kunden oder Pflege des Longtails?

Die Entscheidung für eine bestimmte Kundenkonstellation soll und muss deiner Mentalität entsprechen. Der eine "kann" besser mit Menschen als mit der Technik, gibt seine Artikel lieber persönlich als per E-Mail ab und akquiriert beim Plausch in der Redaktion meist gleich den nächsten Auftrag. Dann reichen vielleicht auch vier bis fünf Kunden insgesamt, und eine Segmentierung macht wenig Sinn. Die andere freut sich über einen großen Verteiler, arbeitet fröhlich mit Redakteuren, die sie nur vom Telefon kennt. Und es macht ihr Spaß, ihre eigene kleine Logistik mit Mail- und Social-Network-Verteilerlisten sowie Webdatenbanken zu pflegen. In so einem Fall dürfen die B- und C-Kunden ruhig überwiegen.

Das Verhältnis aus Aufwand und Ertrag durch Mehrfachverwertung darf nicht schlechter sein als die Produktion selbst. Sonst macht man besser gleich den nächsten Originaltext.

In jedem Fall ist die eigene Arbeitsplanung darauf abzustimmen. Will heißen: wenn ich mir vornehme, 25 Prozent meines Umsatzes mit C-Kunden zu erreichen, dann muss ich mich darauf einrichten, einen entsprechenden Teil meiner Arbeit dafür zu investieren. Denn auch die Umsätze mit den B- und C-Kunden fallen einem nicht in den Schoß. Die Mehrfachverwertung, auf der das Modell der ABC-Kunden aufbaut, ist für viele ein Zauberwort geworden. Dabei heißt es aber sehr wohl aufpassen: Das Verhältnis aus Aufwand und Ertrag durch Mehrfachverwertung darf nicht schlechter sein als die Produktion selbst. Sonst macht man besser gleich den nächsten Originaltext.