Redaktionelle Bearbeitung
Revisionen
Datum und Uhrzeit: 2023-08-01 17:33:31
Inhalt der Änderung
Im nordöstlichsten Teil der Bundesrepublik, inmitten von wirtschaftlich verödeten Landschaften, gründet ein Verlag Medien, als sei der Journalismus erst gestern erfunden worden. Die Rede ist vom Katapult-Verlag in Greifswald, der inzwischen nicht nur eine bundesweite Zeitschrift, sondern auch noch eine regionale Onlinezeitung mit monatlicher Druckausgabe herausgibt und nun sogar ein Journalismuszentrum aufbaut.
Journalismus im Rohbbau. Foto: Hirschler
Katapult baut – Journalismus im Aufbruch: das konnten die Teilnehmenden der DJV-Konferenz „Medienwüste?! – Wie Journalismus im Hinterland gelingen kann“ am 27. Juni in Greifswald live miterleben. Noch strahlt das Verlagshaus und künftige Journalismuszentrum den Charme eines Rohbaus aus, denn die ehemalige Salvador-Allende-Schule ist noch eingerüstet und selbst die Eingangstreppe wirkt eher wie ein Schutthaufen im alten Rom. Doch hinter den Gerüsten versteckt sich im ersten Stock bereits eine funktionierende Büroetage mit funktionierendem Tagungsraum, zeigte sich schnell. Die DJV-Konferenz war dessen unbeabsichtigte Einweihung, denn bis dato war noch niemand auf die Idee gekommen, hier zu tagen.
Verlagsmitgründer erklärt die Strategie. Foto: Margit Wild
„Wir haben unsere Projekte immer nach und nach entwickelt, so dass wir viel improvisieren“, betonte Verlagsmitgründer Bejamin Fredrich von Katapult. „Wir sind als Studenten gestartet, die nicht eingesehen haben, warum sie aus Greifswald weggehen sollten, jetzt haben wir über 30 Mitarbeitende.“ Alles ist in Bewegung, das gilt auch für die neue Onlinezeitung, die gerade wieder Jobs ausschreibt. Kern des Geschäftsmodells, das auf Online, aber auch Print setzt, sind soziale Medien, über die der Verlag Unterstützende gewinnt, die dann ein Abonnement abschließen.
Amerika, du bist schon eine Medien-Wüste: Professor Beck (Uni Greifswald). Fotos: Margit Wild
Dabei haben es Medien generell nicht einfach, unterstrich Professor Klaus Beck von der Universität Greifswald in einer Präsentation. „Nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch in den USA haben wir einen Rückgang der Zeitungsauflagen um rund 40 Prozent“, unterstrich er. Die Gefahren aus dieser Entwicklung zeigte der Wissenschaftler sehr anschaulich: wo es keine Zeitungen mehr gibt, kommt es zu mehr Korruptionsfällen in der Verwaltung, öffentliche Mittel werden verschwendet, die Infrastruktur leidet. „Onlineformate und örtliche TV-Sender können das Defizit, das durch den Wegfall von Zeitungen auftritt, nicht ausgleichen“, warnte Beck. „Ein lokaler Radiosender in den USA kann im Regelfall von einer einzigen Person betrieben werden, das könnte ein Bachelor-Student der Uni Greifswald locker machen.“ Einfache Lösungen konnte der Professor nicht bieten. Zwar gebe es Ansätze zu gemeinnützigem Journalismus mit Förderung durch Sponsoren und andere, aber auch das schaffe Abhängigkeiten.
Matthias Baerens setzt auf langfristige Projekte. Foto: Margit Wild
Auf langfristige Projekte setzt der freie Journalist Matthias Baerens, um in der Medienwüste ein Auskommen zu finden. So sitzt er an einem Buchprojekt zu einem Flugzeugabsturz in der damaligen DDR. Über Internet findet er Kontakt zu Angehörigenfamilien oder Offiziellen der DDR, der wertvolle Hinweise liefern. Die aktuelle Berichterstattung für Zeitung sei wirtschaftlich nicht interessant, so Baerens, der in der Bürgerbewegung der DDR aktiv war und nach der Wende unter anderem im Rundfunk Arbeit fand.
Viel zu sehn in Meck-Pomm: Manuela Heberer und Georg Hund. Fotos: Margit Wild
Mit einer eigenen Zeitschrift über Orte und Menschen in Mecklenburg-Vorpommern versuchen Manuela Heberer und Georg Hundt ihre eigene Nische im Mediensystem aufzubauen. Das „Viel-Sehn-Magazin“ wartet mit ungewöhnlichen Geschichten und anspruchsvollen Fotos auf. Es ist bundesweit an Kiosken und im Abonnement erhältlich. Doch der Weg zum wirtschaftlichen Geschäftsmodell ist steinig. Bislang wurde die Gründung auch mit Mitteln eines europäischen Förderfonds unterstützt, doch diese läuft aus. Die Gewinne, die das Projekt schreibt, sind noch übersichtlich, so dass es derzeit noch ein zeitaufwändiger Nebenerwerb bleibt.
Mena Stavesand vermittelt Trends im Journalismus. Foto: Margit Wild
Freie können auch eigene Onlinemedien gründen, zeigte die freie Journalistin Mena Stavesand. In der Onlinezeitschrift „White Lab“ beschäftigt sie sich mit Fragen der digitalen Welt und Trends im Journalismus, die sie verständlich vermitteln will. Auch hier ist das Projekt noch auf dem Entwicklungspfad und eine durchschlagende Wirtschaftlichkeit noch nicht erreicht worden.
Engagierte Diskussion "unter drei" über den Umgang mit Medien und Nordstream. Foto: Margit Wild
Für den Journalismus ist es in der Medienwüste schwierig, gerade wenn es um Informationen geht, die für die Berichterstattung benötigt werden. Die Geheimhaltung von Vorgängen ist mitunter sogar Basis des Geschäftsmodells: die Klimastiftung des Landes wurde nur gegründet, um Sanktionen zu umgehen und die Fertigstellung der Gaspipeline „Nordstream 2“ zu erreichen. Bei Anfragen von Medien verweigert die Stiftung weiterhin die Auskunft und meint, einer gesetzlichen Auskunfts- und Informationspflicht nicht zu unterliegen. In einer Diskussionsrunde mit Landespolitikern und dem Datenschutz im Bundesland zeigte sich, dass in dieser Frage Bewegung möglich ist. „Stiftungen, die unter Einfluss eines Bundeslandes gegründet wurden, unterliegen Auskunftspflichten“, betonte die Mitarbeiterin des Landesdatenschutzes und wies auf kommende Rundschreiben der Behörden hin. Philipp da Cunha von der SPD machte deutlich, dass über Reformen von Landespressegesetz und anderen Informationsrechten nachgedacht werden könne. Der Vorgang Klimastiftung habe jedoch Sondercharakter gehabt. Hannes Damm von den Grünen setzte sich demgegenüber vehement für erweiterte Transparenzrechte ein und kritisierte, dass seine Partei es als Opposition ganz wie Journalisten schwer habe, an Informationen zu kommen. „Bei den Mehrheitsverhältnissen im Untersuchungsausschuss werden unsere Fragen formell abgebügelt“, meinte er. Vorwürfe, die der SPD-Politiker da Cunha nicht stehen lassen wollte. Moderatorin Michaela Skott unterbrach die Debatte aber schnell. Es gehe hier nicht um die Klärung solcher parlamentarischer Auseinandersetzungen, sondern darum, dass die journalistisch Arbeitenden an Informationen kommen. „Denkt doch mal daran, dass Ihr Politiker uns Journalisten die Informationen geben müsst, das ist unsere Aufgabe. Macht nicht, wenn wir eine Anfrage haben, aus dem Thema gleich eine eigene Pressemitteilung, sondern gebt uns die Antwort, und wir veröffentlichen sie dann. Das ist der Deal, so sollte es sein“, appellierte Konferenzteilnehmer Rainer Sobiech an die beiden anwesenden Politiker.
Das ist der Deal: Rainer Sobiech appelliert an die Politik in Meck-Pomm. Foto: Margit Wild
Die Medienwüste lebt, jedenfalls gibt es einige Oasen und viele Themen: das blieb bei vielen Teilnehmenden übrig. Wer das übrigens feiern will, kann vom 21. – 24. Juli 2022 zum Festival des Katapult-Verlags nach Greifswald kommen. Von Hüpfburgen für Kinder bis zur Mitternachtslesung des Verlagsmitbegründers und Buchautors Benjamin Fredrich ist alles dabei.
Michael Hirschler
Weitere Berichte von der Tagung "Medienwüste?! Wie Journalismus im Hinterland gelingen kann – eine Tages-Safari".
Fotos:
https://djv-intern.djv.de/owncloud/index.php/s/CACN3fLKJGXn37W
Beitrag in kiek an 1/23 von Michi Skott:
https://djv-intern.djv.de/owncloud/index.php/s/CACN3fLKJGXn37W
Das Programm
Montag, 27. Juni 2022
9:15 Uhr Begrüßung am Wasserloch mit den Tourguides vom #DJV4Freie des Tages
Von "Einheimischen" lernen (Keynotes)
9.30 - 10.00 Wege aus der Medienwüste
Keynote 1: Prof. Dr. Klaus Beck, Universität Greifswald, Lehrstuhlinhaber Lehrstuhl Kommunikationswissenschaft
Medienwüste, was ist das eigentlich? Welche Lösngsansätze gibt es?
Moderation: Michaela Skott und Anne Webert
10.05 – 10.35 Nischen finden
Keynote 2: Matthias Baerens, freier Journalist aus Mecklenburg-Vorpommern
Wie kannst du "deinen Platz" finden? Welche Möglichkeiten zur Verwertung gibt es? Ein Praxisbericht.
Moderation: Michaela Skott
10.40 - 11.00 Feedback-Runde aus den Keynotes
11.00 – 11.15 kleine Pause
11.15 - 12.00 Oase?! Katapult M-V stellt sich vor (anschließend Fragerunde)
12.00 – 12.45 Mittagspause
12.45 - 14.00 Wüstenhimmel – Streiflichter:
Kreative Modelle - Freie Kolleg*innen stellen ihre Projekte vor
1. Streiflicht: Viel-Sehn-Magazin mit Manuela Heberer und Georg Hundt
Das Magazin für Menschen, Kultur und Lebensart in der Mecklenburgischen Seenplatte
www.vielsehn.de
2. Streiflicht: White-Lab mit Mena Stavesand
Blick in die Zukunft, Transformationsprozesse in den Medien und digitaler Journalismus
https://white-lab.de/
14.00 Fata Morgana?! Transparenz im #Hinterland
Über die Tücken der Recherche, Auskunftsrechte und -pflichten, über eine schweigsame Landesregierung und wie es ist, dort zu recherchieren, wo andere Urlaub machen und die Initiative für Auskunftsansprüche von Journalist*innen des DJV
Philipp da Cunha (MdL/SPD MV), Hannes Damm (MdL/Die Grünen), Lydia Kämpfe (Referatsleiterin/Justiziarin Datenschutz und Informationsfreiheit beim Landesbeauftragten für Datenschutz) und Susanne Wolters (Fachreferentin Datenschutz und Informationsfreiheit), Vertreter*innen des DJV, DJV MV
Abschließend offener Austausch
16.00 Ende
Tagungsort: Verlagshaus der Katapult Redaktion, Wilhelm-Holtz-Straße 9, 17489 Greifswald
Bearbeitung: Michael Hirschler
Datum und Uhrzeit: 2023-08-01 17:33:18
Inhalt der Änderung
Im nordöstlichsten Teil der Bundesrepublik, inmitten von wirtschaftlich verödeten Landschaften, gründet ein Verlag Medien, als sei der Journalismus erst gestern erfunden worden. Die Rede ist vom Katapult-Verlag in Greifswald, der inzwischen nicht nur eine bundesweite Zeitschrift, sondern auch noch eine regionale Onlinezeitung mit monatlicher Druckausgabe herausgibt und nun sogar ein Journalismuszentrum aufbaut.
Journalismus im Rohbbau. Foto: Hirschler
Katapult baut – Journalismus im Aufbruch: das konnten die Teilnehmenden der DJV-Konferenz „Medienwüste?! – Wie Journalismus im Hinterland gelingen kann“ am 27. Juni in Greifswald live miterleben. Noch strahlt das Verlagshaus und künftige Journalismuszentrum den Charme eines Rohbaus aus, denn die ehemalige Salvador-Allende-Schule ist noch eingerüstet und selbst die Eingangstreppe wirkt eher wie ein Schutthaufen im alten Rom. Doch hinter den Gerüsten versteckt sich im ersten Stock bereits eine funktionierende Büroetage mit funktionierendem Tagungsraum, zeigte sich schnell. Die DJV-Konferenz war dessen unbeabsichtigte Einweihung, denn bis dato war noch niemand auf die Idee gekommen, hier zu tagen.
Verlagsmitgründer erklärt die Strategie. Foto: Margit Wild
„Wir haben unsere Projekte immer nach und nach entwickelt, so dass wir viel improvisieren“, betonte Verlagsmitgründer Bejamin Fredrich von Katapult. „Wir sind als Studenten gestartet, die nicht eingesehen haben, warum sie aus Greifswald weggehen sollten, jetzt haben wir über 30 Mitarbeitende.“ Alles ist in Bewegung, das gilt auch für die neue Onlinezeitung, die gerade wieder Jobs ausschreibt. Kern des Geschäftsmodells, das auf Online, aber auch Print setzt, sind soziale Medien, über die der Verlag Unterstützende gewinnt, die dann ein Abonnement abschließen.
Amerika, du bist schon eine Medien-Wüste: Professor Beck (Uni Greifswald). Fotos: Margit Wild
Dabei haben es Medien generell nicht einfach, unterstrich Professor Klaus Beck von der Universität Greifswald in einer Präsentation. „Nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch in den USA haben wir einen Rückgang der Zeitungsauflagen um rund 40 Prozent“, unterstrich er. Die Gefahren aus dieser Entwicklung zeigte der Wissenschaftler sehr anschaulich: wo es keine Zeitungen mehr gibt, kommt es zu mehr Korruptionsfällen in der Verwaltung, öffentliche Mittel werden verschwendet, die Infrastruktur leidet. „Onlineformate und örtliche TV-Sender können das Defizit, das durch den Wegfall von Zeitungen auftritt, nicht ausgleichen“, warnte Beck. „Ein lokaler Radiosender in den USA kann im Regelfall von einer einzigen Person betrieben werden, das könnte ein Bachelor-Student der Uni Greifswald locker machen.“ Einfache Lösungen konnte der Professor nicht bieten. Zwar gebe es Ansätze zu gemeinnützigem Journalismus mit Förderung durch Sponsoren und andere, aber auch das schaffe Abhängigkeiten.
Matthias Baerens setzt auf langfristige Projekte. Foto: Margit Wild
Auf langfristige Projekte setzt der freie Journalist Matthias Baerens, um in der Medienwüste ein Auskommen zu finden. So sitzt er an einem Buchprojekt zu einem Flugzeugabsturz in der damaligen DDR. Über Internet findet er Kontakt zu Angehörigenfamilien oder Offiziellen der DDR, der wertvolle Hinweise liefern. Die aktuelle Berichterstattung für Zeitung sei wirtschaftlich nicht interessant, so Baerens, der in der Bürgerbewegung der DDR aktiv war und nach der Wende unter anderem im Rundfunk Arbeit fand.
Viel zu sehn in Meck-Pomm: Manuela Heberer und Georg Hund. Foto: Margit Wild
Mit einer eigenen Zeitschrift über Orte und Menschen in Mecklenburg-Vorpommern versuchen Manuela Heberer und Georg Hundt ihre eigene Nische im Mediensystem aufzubauen. Das „Viel-Sehn-Magazin“ wartet mit ungewöhnlichen Geschichten und anspruchsvollen Fotos auf. Es ist bundesweit an Kiosken und im Abonnement erhältlich. Doch der Weg zum wirtschaftlichen Geschäftsmodell ist steinig. Bislang wurde die Gründung auch mit Mitteln eines europäischen Förderfonds unterstützt, doch diese läuft aus. Die Gewinne, die das Projekt schreibt, sind noch übersichtlich, so dass es derzeit noch ein zeitaufwändiger Nebenerwerb bleibt.
Mena Stavesand vermittelt Trends im Journalismus. Foto: Margit Wild
Freie können auch eigene Onlinemedien gründen, zeigte die freie Journalistin Mena Stavesand. In der Onlinezeitschrift „White Lab“ beschäftigt sie sich mit Fragen der digitalen Welt und Trends im Journalismus, die sie verständlich vermitteln will. Auch hier ist das Projekt noch auf dem Entwicklungspfad und eine durchschlagende Wirtschaftlichkeit noch nicht erreicht worden.
Engagierte Diskussion "unter drei" über den Umgang mit Medien und Nordstream. Foto: Margit Wild
Für den Journalismus ist es in der Medienwüste schwierig, gerade wenn es um Informationen geht, die für die Berichterstattung benötigt werden. Die Geheimhaltung von Vorgängen ist mitunter sogar Basis des Geschäftsmodells: die Klimastiftung des Landes wurde nur gegründet, um Sanktionen zu umgehen und die Fertigstellung der Gaspipeline „Nordstream 2“ zu erreichen. Bei Anfragen von Medien verweigert die Stiftung weiterhin die Auskunft und meint, einer gesetzlichen Auskunfts- und Informationspflicht nicht zu unterliegen. In einer Diskussionsrunde mit Landespolitikern und dem Datenschutz im Bundesland zeigte sich, dass in dieser Frage Bewegung möglich ist. „Stiftungen, die unter Einfluss eines Bundeslandes gegründet wurden, unterliegen Auskunftspflichten“, betonte die Mitarbeiterin des Landesdatenschutzes und wies auf kommende Rundschreiben der Behörden hin. Philipp da Cunha von der SPD machte deutlich, dass über Reformen von Landespressegesetz und anderen Informationsrechten nachgedacht werden könne. Der Vorgang Klimastiftung habe jedoch Sondercharakter gehabt. Hannes Damm von den Grünen setzte sich demgegenüber vehement für erweiterte Transparenzrechte ein und kritisierte, dass seine Partei es als Opposition ganz wie Journalisten schwer habe, an Informationen zu kommen. „Bei den Mehrheitsverhältnissen im Untersuchungsausschuss werden unsere Fragen formell abgebügelt“, meinte er. Vorwürfe, die der SPD-Politiker da Cunha nicht stehen lassen wollte. Moderatorin Michaela Skott unterbrach die Debatte aber schnell. Es gehe hier nicht um die Klärung solcher parlamentarischer Auseinandersetzungen, sondern darum, dass die journalistisch Arbeitenden an Informationen kommen. „Denkt doch mal daran, dass Ihr Politiker uns Journalisten die Informationen geben müsst, das ist unsere Aufgabe. Macht nicht, wenn wir eine Anfrage haben, aus dem Thema gleich eine eigene Pressemitteilung, sondern gebt uns die Antwort, und wir veröffentlichen sie dann. Das ist der Deal, so sollte es sein“, appellierte Konferenzteilnehmer Rainer Sobiech an die beiden anwesenden Politiker.
Das ist der Deal: Rainer Sobiech appelliert an die Politik in Meck-Pomm. Foto: Margit Wild
Die Medienwüste lebt, jedenfalls gibt es einige Oasen und viele Themen: das blieb bei vielen Teilnehmenden übrig. Wer das übrigens feiern will, kann vom 21. – 24. Juli 2022 zum Festival des Katapult-Verlags nach Greifswald kommen. Von Hüpfburgen für Kinder bis zur Mitternachtslesung des Verlagsmitbegründers und Buchautors Benjamin Fredrich ist alles dabei.
Michael Hirschler
Weitere Berichte von der Tagung "Medienwüste?! Wie Journalismus im Hinterland gelingen kann – eine Tages-Safari".
Fotos:
https://djv-intern.djv.de/owncloud/index.php/s/CACN3fLKJGXn37W
Beitrag in kiek an 1/23 von Michi Skott:
https://djv-intern.djv.de/owncloud/index.php/s/CACN3fLKJGXn37W
Das Programm
Montag, 27. Juni 2022
9:15 Uhr Begrüßung am Wasserloch mit den Tourguides vom #DJV4Freie des Tages
Von "Einheimischen" lernen (Keynotes)
9.30 - 10.00 Wege aus der Medienwüste
Keynote 1: Prof. Dr. Klaus Beck, Universität Greifswald, Lehrstuhlinhaber Lehrstuhl Kommunikationswissenschaft
Medienwüste, was ist das eigentlich? Welche Lösngsansätze gibt es?
Moderation: Michaela Skott und Anne Webert
10.05 – 10.35 Nischen finden
Keynote 2: Matthias Baerens, freier Journalist aus Mecklenburg-Vorpommern
Wie kannst du "deinen Platz" finden? Welche Möglichkeiten zur Verwertung gibt es? Ein Praxisbericht.
Moderation: Michaela Skott
10.40 - 11.00 Feedback-Runde aus den Keynotes
11.00 – 11.15 kleine Pause
11.15 - 12.00 Oase?! Katapult M-V stellt sich vor (anschließend Fragerunde)
12.00 – 12.45 Mittagspause
12.45 - 14.00 Wüstenhimmel – Streiflichter:
Kreative Modelle - Freie Kolleg*innen stellen ihre Projekte vor
1. Streiflicht: Viel-Sehn-Magazin mit Manuela Heberer und Georg Hundt
Das Magazin für Menschen, Kultur und Lebensart in der Mecklenburgischen Seenplatte
www.vielsehn.de
2. Streiflicht: White-Lab mit Mena Stavesand
Blick in die Zukunft, Transformationsprozesse in den Medien und digitaler Journalismus
https://white-lab.de/
14.00 Fata Morgana?! Transparenz im #Hinterland
Über die Tücken der Recherche, Auskunftsrechte und -pflichten, über eine schweigsame Landesregierung und wie es ist, dort zu recherchieren, wo andere Urlaub machen und die Initiative für Auskunftsansprüche von Journalist*innen des DJV
Philipp da Cunha (MdL/SPD MV), Hannes Damm (MdL/Die Grünen), Lydia Kämpfe (Referatsleiterin/Justiziarin Datenschutz und Informationsfreiheit beim Landesbeauftragten für Datenschutz) und Susanne Wolters (Fachreferentin Datenschutz und Informationsfreiheit), Vertreter*innen des DJV, DJV MV
Abschließend offener Austausch
16.00 Ende
Tagungsort: Verlagshaus der Katapult Redaktion, Wilhelm-Holtz-Straße 9, 17489 Greifswald
Bearbeitung: Michael Hirschler
Datum und Uhrzeit: 2023-08-01 13:14:56
Inhalt der Änderung
Im nordöstlichsten Teil der Bundesrepublik, inmitten von wirtschaftlich verödeten Landschaften, gründet ein Verlag Medien, als sei der Journalismus erst gestern erfunden worden. Die Rede ist vom Katapult-Verlag in Greifswald, der inzwischen nicht nur eine bundesweite Zeitschrift, sondern auch noch eine regionale Onlinezeitung mit monatlicher Druckausgabe herausgibt und nun sogar ein Journalismuszentrum aufbaut.
Journalismus im Rohbbau. Fotos: Hirschler
Katapult baut – Journalismus im Aufbruch: das konnten die Teilnehmenden der DJV-Konferenz „Medienwüste?! – Wie Journalismus im Hinterland gelingen kann“ am 27. Juni in Greifswald live miterleben. Noch strahlt das Verlagshaus und künftige Journalismuszentrum den Charme eines Rohbaus aus, denn die ehemalige Salvador-Allende-Schule ist noch eingerüstet und selbst die Eingangstreppe wirkt eher wie ein Schutthaufen im alten Rom. Doch hinter den Gerüsten versteckt sich im ersten Stock bereits eine funktionierende Büroetage mit funktionierendem Tagungsraum, zeigte sich schnell. Die DJV-Konferenz war dessen unbeabsichtigte Einweihung, denn bis dato war noch niemand auf die Idee gekommen, hier zu tagen.
Verlagsmitgründer erklärt die Strategie. Foto: Margit Wild
„Wir haben unsere Projekte immer nach und nach entwickelt, so dass wir viel improvisieren“, betonte Verlagsmitgründer Bejamin Fredrich von Katapult. „Wir sind als Studenten gestartet, die nicht eingesehen haben, warum sie aus Greifswald weggehen sollten, jetzt haben wir über 30 Mitarbeitende.“ Alles ist in Bewegung, das gilt auch für die neue Onlinezeitung, die gerade wieder Jobs ausschreibt. Kern des Geschäftsmodells, das auf Online, aber auch Print setzt, sind soziale Medien, über die der Verlag Unterstützende gewinnt, die dann ein Abonnement abschließen.
Amerika, du bist schon eine Medien-Wüste: Professor Beck (Uni Greifswald). Fotos: Margit Wild
Dabei haben es Medien generell nicht einfach, unterstrich Professor Klaus Beck von der Universität Greifswald in einer Präsentation. „Nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch in den USA haben wir einen Rückgang der Zeitungsauflagen um rund 40 Prozent“, unterstrich er. Die Gefahren aus dieser Entwicklung zeigte der Wissenschaftler sehr anschaulich: wo es keine Zeitungen mehr gibt, kommt es zu mehr Korruptionsfällen in der Verwaltung, öffentliche Mittel werden verschwendet, die Infrastruktur leidet. „Onlineformate und örtliche TV-Sender können das Defizit, das durch den Wegfall von Zeitungen auftritt, nicht ausgleichen“, warnte Beck. „Ein lokaler Radiosender in den USA kann im Regelfall von einer einzigen Person betrieben werden, das könnte ein Bachelor-Student der Uni Greifswald locker machen.“ Einfache Lösungen konnte der Professor nicht bieten. Zwar gebe es Ansätze zu gemeinnützigem Journalismus mit Förderung durch Sponsoren und andere, aber auch das schaffe Abhängigkeiten.
Matthias Baerens setzt auf langfristige Projekte. Foto: Margit Wild
Auf langfristige Projekte setzt der freie Journalist Matthias Baerens, um in der Medienwüste ein Auskommen zu finden. So sitzt er an einem Buchprojekt zu einem Flugzeugabsturz in der damaligen DDR. Über Internet findet er Kontakt zu Angehörigenfamilien oder Offiziellen der DDR, der wertvolle Hinweise liefern. Die aktuelle Berichterstattung für Zeitung sei wirtschaftlich nicht interessant, so Baerens, der in der Bürgerbewegung der DDR aktiv war und nach der Wende unter anderem im Rundfunk Arbeit fand.
Viel zu sehn in Meck-Pomm: Manuela Heberer und Georg Hund. Foto: Margit Wild
Mit einer eigenen Zeitschrift über Orte und Menschen in Mecklenburg-Vorpommern versuchen Manuela Heberer und Georg Hundt ihre eigene Nische im Mediensystem aufzubauen. Das „Viel-Sehn-Magazin“ wartet mit ungewöhnlichen Geschichten und anspruchsvollen Fotos auf. Es ist bundesweit an Kiosken und im Abonnement erhältlich. Doch der Weg zum wirtschaftlichen Geschäftsmodell ist steinig. Bislang wurde die Gründung auch mit Mitteln eines europäischen Förderfonds unterstützt, doch diese läuft aus. Die Gewinne, die das Projekt schreibt, sind noch übersichtlich, so dass es derzeit noch ein zeitaufwändiger Nebenerwerb bleibt.
Mena Stavesand vermittelt Trends im Journalismus. Foto: Margit Wild
Freie können auch eigene Onlinemedien gründen, zeigte die freie Journalistin Mena Stavesand. In der Onlinezeitschrift „White Lab“ beschäftigt sie sich mit Fragen der digitalen Welt und Trends im Journalismus, die sie verständlich vermitteln will. Auch hier ist das Projekt noch auf dem Entwicklungspfad und eine durchschlagende Wirtschaftlichkeit noch nicht erreicht worden.
Engagierte Diskussion "unter drei" über den Umgang mit Medien und Nordstream. Foto: Margit Wild
Für den Journalismus ist es in der Medienwüste schwierig, gerade wenn es um Informationen geht, die für die Berichterstattung benötigt werden. Die Geheimhaltung von Vorgängen ist mitunter sogar Basis des Geschäftsmodells: die Klimastiftung des Landes wurde nur gegründet, um Sanktionen zu umgehen und die Fertigstellung der Gaspipeline „Nordstream 2“ zu erreichen. Bei Anfragen von Medien verweigert die Stiftung weiterhin die Auskunft und meint, einer gesetzlichen Auskunfts- und Informationspflicht nicht zu unterliegen. In einer Diskussionsrunde mit Landespolitikern und dem Datenschutz im Bundesland zeigte sich, dass in dieser Frage Bewegung möglich ist. „Stiftungen, die unter Einfluss eines Bundeslandes gegründet wurden, unterliegen Auskunftspflichten“, betonte die Mitarbeiterin des Landesdatenschutzes und wies auf kommende Rundschreiben der Behörden hin. Philipp da Cunha von der SPD machte deutlich, dass über Reformen von Landespressegesetz und anderen Informationsrechten nachgedacht werden könne. Der Vorgang Klimastiftung habe jedoch Sondercharakter gehabt. Hannes Damm von den Grünen setzte sich demgegenüber vehement für erweiterte Transparenzrechte ein und kritisierte, dass seine Partei es als Opposition ganz wie Journalisten schwer habe, an Informationen zu kommen. „Bei den Mehrheitsverhältnissen im Untersuchungsausschuss werden unsere Fragen formell abgebügelt“, meinte er. Vorwürfe, die der SPD-Politiker da Cunha nicht stehen lassen wollte. Moderatorin Michaela Skott unterbrach die Debatte aber schnell. Es gehe hier nicht um die Klärung solcher parlamentarischer Auseinandersetzungen, sondern darum, dass die journalistisch Arbeitenden an Informationen kommen. „Denkt doch mal daran, dass Ihr Politiker uns Journalisten die Informationen geben müsst, das ist unsere Aufgabe. Macht nicht, wenn wir eine Anfrage haben, aus dem Thema gleich eine eigene Pressemitteilung, sondern gebt uns die Antwort, und wir veröffentlichen sie dann. Das ist der Deal, so sollte es sein“, appellierte Konferenzteilnehmer Rainer Sobiech an die beiden anwesenden Politiker.
Das ist der Deal: Rainer Sobiech appelliert an die Politik in Meck-Pomm. Foto: Margit Wild
Die Medienwüste lebt, jedenfalls gibt es einige Oasen und viele Themen: das blieb bei vielen Teilnehmenden übrig. Wer das übrigens feiern will, kann vom 21. – 24. Juli 2022 zum Festival des Katapult-Verlags nach Greifswald kommen. Von Hüpfburgen für Kinder bis zur Mitternachtslesung des Verlagsmitbegründers und Buchautors Benjamin Fredrich ist alles dabei.
Michael Hirschler
Weitere Berichte von der Tagung "Medienwüste?! Wie Journalismus im Hinterland gelingen kann – eine Tages-Safari".
Fotos:
https://djv-intern.djv.de/owncloud/index.php/s/CACN3fLKJGXn37W
Beitrag in kiek an 1/23 von Michi Skott:
https://djv-intern.djv.de/owncloud/index.php/s/CACN3fLKJGXn37W
Das Programm
Montag, 27. Juni 2022
9:15 Uhr Begrüßung am Wasserloch mit den Tourguides vom #DJV4Freie des Tages
Von "Einheimischen" lernen (Keynotes)
9.30 - 10.00 Wege aus der Medienwüste
Keynote 1: Prof. Dr. Klaus Beck, Universität Greifswald, Lehrstuhlinhaber Lehrstuhl Kommunikationswissenschaft
Medienwüste, was ist das eigentlich? Welche Lösngsansätze gibt es?
Moderation: Michaela Skott und Anne Webert
10.05 – 10.35 Nischen finden
Keynote 2: Matthias Baerens, freier Journalist aus Mecklenburg-Vorpommern
Wie kannst du "deinen Platz" finden? Welche Möglichkeiten zur Verwertung gibt es? Ein Praxisbericht.
Moderation: Michaela Skott
10.40 - 11.00 Feedback-Runde aus den Keynotes
11.00 – 11.15 kleine Pause
11.15 - 12.00 Oase?! Katapult M-V stellt sich vor (anschließend Fragerunde)
12.00 – 12.45 Mittagspause
12.45 - 14.00 Wüstenhimmel – Streiflichter:
Kreative Modelle - Freie Kolleg*innen stellen ihre Projekte vor
1. Streiflicht: Viel-Sehn-Magazin mit Manuela Heberer und Georg Hundt
Das Magazin für Menschen, Kultur und Lebensart in der Mecklenburgischen Seenplatte
www.vielsehn.de
2. Streiflicht: White-Lab mit Mena Stavesand
Blick in die Zukunft, Transformationsprozesse in den Medien und digitaler Journalismus
https://white-lab.de/
14.00 Fata Morgana?! Transparenz im #Hinterland
Über die Tücken der Recherche, Auskunftsrechte und -pflichten, über eine schweigsame Landesregierung und wie es ist, dort zu recherchieren, wo andere Urlaub machen und die Initiative für Auskunftsansprüche von Journalist*innen des DJV
Philipp da Cunha (MdL/SPD MV), Hannes Damm (MdL/Die Grünen), Lydia Kämpfe (Referatsleiterin/Justiziarin Datenschutz und Informationsfreiheit beim Landesbeauftragten für Datenschutz) und Susanne Wolters (Fachreferentin Datenschutz und Informationsfreiheit), Vertreter*innen des DJV, DJV MV
Abschließend offener Austausch
16.00 Ende
Tagungsort: Verlagshaus der Katapult Redaktion, Wilhelm-Holtz-Straße 9, 17489 Greifswald
Bearbeitung: Michael Hirschler
Datum und Uhrzeit: 2023-08-01 12:17:20
Inhalt der Änderung
Im nordöstlichsten Teil der Bundesrepublik, inmitten von wirtschaftlich verödeten Landschaften, gründet ein Verlag Medien, als sei der Journalismus erst gestern erfunden worden. Die Rede ist vom Katapult-Verlag in Greifswald, der inzwischen nicht nur eine bundesweite Zeitschrift, sondern auch noch eine regionale Onlinezeitung mit monatlicher Druckausgabe herausgibt und nun sogar ein Journalismuszentrum aufbaut.
Journalismus im Rohbbau. Fotos: Hirschler
Katapult baut – Journalismus im Aufbruch: das konnten die Teilnehmenden der DJV-Konferenz „Medienwüste?! – Wie Journalismus im Hinterland gelingen kann“ am 27. Juni in Greifswald live miterleben. Noch strahlt das Verlagshaus und künftige Journalismuszentrum den Charme eines Rohbaus aus, denn die ehemalige Salvador-Allende-Schule ist noch eingerüstet und selbst die Eingangstreppe wirkt eher wie ein Schutthaufen im alten Rom. Doch hinter den Gerüsten versteckt sich im ersten Stock bereits eine funktionierende Büroetage mit funktionierendem Tagungsraum, zeigte sich schnell. Die DJV-Konferenz war dessen unbeabsichtigte Einweihung, denn bis dato war noch niemand auf die Idee gekommen, hier zu tagen.
Verlagsmitgründer erklärt die Strategie. Foto: Margit Wild
„Wir haben unsere Projekte immer nach und nach entwickelt, so dass wir viel improvisieren“, betonte Verlagsmitgründer Bejamin Fredrich von Katapult. „Wir sind als Studenten gestartet, die nicht eingesehen haben, warum sie aus Greifswald weggehen sollten, jetzt haben wir über 30 Mitarbeitende.“ Alles ist in Bewegung, das gilt auch für die neue Onlinezeitung, die gerade wieder Jobs ausschreibt. Kern des Geschäftsmodells, das auf Online, aber auch Print setzt, sind soziale Medien, über die der Verlag Unterstützende gewinnt, die dann ein Abonnement abschließen.
Amerika, du bist schon eine Medien-Wüste: Professor Beck (Uni Greifswald). Fotos: Margit Wild
Dabei haben es Medien generell nicht einfach, unterstrich Professor Klaus Beck von der Universität Greifswald in einer Präsentation. „Nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch in den USA haben wir einen Rückgang der Zeitungsauflagen um rund 40 Prozent“, unterstrich er. Die Gefahren aus dieser Entwicklung zeigte der Wissenschaftler sehr anschaulich: wo es keine Zeitungen mehr gibt, kommt es zu mehr Korruptionsfällen in der Verwaltung, öffentliche Mittel werden verschwendet, die Infrastruktur leidet. „Onlineformate und örtliche TV-Sender können das Defizit, das durch den Wegfall von Zeitungen auftritt, nicht ausgleichen“, warnte Beck. „Ein lokaler Radiosender in den USA kann im Regelfall von einer einzigen Person betrieben werden, das könnte ein Bachelor-Student der Uni Greifswald locker machen.“ Einfache Lösungen konnte der Professor nicht bieten. Zwar gebe es Ansätze zu gemeinnützigem Journalismus mit Förderung durch Sponsoren und andere, aber auch das schaffe Abhängigkeiten.
Matthias Baerens setzt auf langfristige Projekte. Foto: Margit Wild
Auf langfristige Projekte setzt der freie Journalist Matthias Baerens, um in der Medienwüste ein Auskommen zu finden. So sitzt er an einem Buchprojekt zu einem Flugzeugabsturz in der damaligen DDR. Über Internet findet er Kontakt zu Angehörigenfamilien oder Offiziellen der DDR, der wertvolle Hinweise liefern. Die aktuelle Berichterstattung für Zeitung sei wirtschaftlich nicht interessant, so Baerens, der in der Bürgerbewegung der DDR aktiv war und nach der Wende unter anderem im Rundfunk Arbeit fand.
Viel zu sehn in Meck-Pomm: Manuela Heberer und Georg Hund. Foto: Margit Wild
Mit einer eigenen Zeitschrift über Orte und Menschen in Mecklenburg-Vorpommern versuchen Manuela Heberer und Georg Hundt ihre eigene Nische im Mediensystem aufzubauen. Das „Viel-Sehn-Magazin“ wartet mit ungewöhnlichen Geschichten und anspruchsvollen Fotos auf. Es ist bundesweit an Kiosken und im Abonnement erhältlich. Doch der Weg zum wirtschaftlichen Geschäftsmodell ist steinig. Bislang wurde die Gründung auch mit Mitteln eines europäischen Förderfonds unterstützt, doch diese läuft aus. Die Gewinne, die das Projekt schreibt, sind noch übersichtlich, so dass es derzeit noch ein zeitaufwändiger Nebenerwerb bleibt.
Mena Stavesand vermittelt Trends im Journalismus. Foto: Margit Wild
Freie können auch eigene Onlinemedien gründen, zeigte die freie Journalistin Mena Stavesand. In der Onlinezeitschrift „White Lab“ beschäftigt sie sich mit Fragen der digitalen Welt und Trends im Journalismus, die sie verständlich vermitteln will. Auch hier ist das Projekt noch auf dem Entwicklungspfad und eine durchschlagende Wirtschaftlichkeit noch nicht erreicht worden.
Engagierte Diskussion "unter drei" über den Umgang mit Medien und Nordstream. Foto: Margit Wild
Für den Journalismus ist es in der Medienwüste schwierig, gerade wenn es um Informationen geht, die für die Berichterstattung benötigt werden. Die Geheimhaltung von Vorgängen ist mitunter sogar Basis des Geschäftsmodells: die Klimastiftung des Landes wurde nur gegründet, um Sanktionen zu umgehen und die Fertigstellung der Gaspipeline „Nordstream 2“ zu erreichen. Bei Anfragen von Medien verweigert die Stiftung weiterhin die Auskunft und meint, einer gesetzlichen Auskunfts- und Informationspflicht nicht zu unterliegen. In einer Diskussionsrunde mit Landespolitikern und dem Datenschutz im Bundesland zeigte sich, dass in dieser Frage Bewegung möglich ist. „Stiftungen, die unter Einfluss eines Bundeslandes gegründet wurden, unterliegen Auskunftspflichten“, betonte die Mitarbeiterin des Landesdatenschutzes und wies auf kommende Rundschreiben der Behörden hin. Philipp da Cunha von der SPD machte deutlich, dass über Reformen von Landespressegesetz und anderen Informationsrechten nachgedacht werden könne. Der Vorgang Klimastiftung habe jedoch Sondercharakter gehabt. Hannes Damm von den Grünen setzte sich demgegenüber vehement für erweiterte Transparenzrechte ein und kritisierte, dass seine Partei es als Opposition ganz wie Journalisten schwer habe, an Informationen zu kommen. „Bei den Mehrheitsverhältnissen im Untersuchungsausschuss werden unsere Fragen formell abgebügelt“, meinte er. Vorwürfe, die der SPD-Politiker da Cunha nicht stehen lassen wollte. Moderatorin Michaela Skott unterbrach die Debatte aber schnell. Es gehe hier nicht um die Klärung solcher parlamentarischer Auseinandersetzungen, sondern darum, dass die journalistisch Arbeitenden an Informationen kommen. „Denkt doch mal daran, dass Ihr Politiker uns Journalisten die Informationen geben müsst, das ist unsere Aufgabe. Macht nicht, wenn wir eine Anfrage haben, aus dem Thema gleich eine eigene Pressemitteilung, sondern gebt uns die Antwort, und wir veröffentlichen sie dann. Das ist der Deal, so sollte es sein“, appellierte Konferenzteilnehmer Rainer Sobiech an die beiden anwesenden Politiker.
Das ist der Deal: Rainer Sobiech appelliert an die Politik in Meck-Pomm. Foto: Margit Wild
Die Medienwüste lebt, jedenfalls gibt es einige Oasen und viele Themen: das blieb bei vielen Teilnehmenden übrig. Wer das übrigens feiern will, kann vom 21. – 24. Juli 2022 zum Festival des Katapult-Verlags nach Greifswald kommen. Von Hüpfburgen für Kinder bis zur Mitternachtslesung des Verlagsmitbegründers und Buchautors Benjamin Fredrich ist alles dabei.
Michael Hirschler
Weitere Berichte von der Tagung "Medienwüste?! Wie Journalismus im Hinterland gelingen kann – eine Tages-Safari".
Fotos:
https://djv-intern.djv.de/owncloud/index.php/s/CACN3fLKJGXn37W
Beitrag in kiek an 1/23 von Michi Skott:
https://djv-intern.djv.de/owncloud/index.php/s/CACN3fLKJGXn37W
Das Programm
Montag, 27. Juni 2022
9:15 Uhr Begrüßung am Wasserloch mit den Tourguides vom #DJV4Freie des Tages
Von "Einheimischen" lernen (Keynotes)
9.30 - 10.00 Wege aus der Medienwüste
Keynote 1: Prof. Dr. Klaus Beck, Universität Greifswald, Lehrstuhlinhaber Lehrstuhl Kommunikationswissenschaft
Medienwüste, was ist das eigentlich? Welche Lösngsansätze gibt es?
Moderation: Michaela Skott und Anne Webert
10.05 – 10.35 Nischen finden
Keynote 2: Matthias Baerens, freier Journalist aus Mecklenburg-Vorpommern
Wie kannst du "deinen Platz" finden? Welche Möglichkeiten zur Verwertung gibt es? Ein Praxisbericht.
Moderation: Michaela Skott
10.40 - 11.00 Feedback-Runde aus den Keynotes
11.00 – 11.15 kleine Pause
11.15 - 12.00 Oase?! Katapult M-V stellt sich vor (anschließend Fragerunde)
12.00 – 12.45 Mittagspause
12.45 - 14.00 Wüstenhimmel – Streiflichter:
Kreative Modelle - Freie Kolleg*innen stellen ihre Projekte vor
1. Streiflicht: Viel-Sehn-Magazin mit Manuela Heberer und Georg Hundt
Das Magazin für Menschen, Kultur und Lebensart in der Mecklenburgischen Seenplatte
www.vielsehn.de
2. Streiflicht: White-Lab mit Mena Stavesand
Blick in die Zukunft, Transformationsprozesse in den Medien und digitaler Journalismus
https://white-lab.de/
14.00 Fata Morgana?! Transparenz im #Hinterland
Über die Tücken der Recherche, Auskunftsrechte und -pflichten, über eine schweigsame Landesregierung und wie es ist, dort zu recherchieren, wo andere Urlaub machen und die Initiative für Auskunftsansprüche von Journalist*innen des DJV
Philipp da Cunha (MdL/SPD MV), Hannes Damm (MdL/Die Grünen), Lydia Kämpfe (Referatsleiterin/Justiziarin Datenschutz und Informationsfreiheit beim Landesbeauftragten für Datenschutz) und Susanne Wolters (Fachreferentin Datenschutz und Informationsfreiheit), Vertreter*innen des DJV, DJV MV
Abschließend offener Austausch
16.00 Ende
Tagungsort: Verlagshaus der Katapult Redaktion, Wilhelm-Holtz-Straße 9, 17489 Greifswald
Bearbeitung: Michael Hirschler
Datum und Uhrzeit: 2023-07-27 11:06:01
Inhalt der Änderung
Im nordöstlichsten Teil der Bundesrepublik, inmitten von wirtschaftlich verödeten Landschaften, gründet ein Verlag Medien, als sei der Journalismus erst gestern erfunden worden. Die Rede ist vom Katapult-Verlag in Greifswald, der inzwischen nicht nur eine bundesweite Zeitschrift, sondern auch noch eine regionale Onlinezeitung mit monatlicher Druckausgabe herausgibt und nun sogar ein Journalismuszentrum aufbaut.
Journalismus im Rohbbau. Fotos: Hirschler
Katapult baut – Journalismus im Aufbruch: das konnten die Teilnehmenden der DJV-Konferenz „Medienwüste?! – Wie Journalismus im Hinterland gelingen kann“ am 27. Juni in Greifswald live miterleben. Noch strahlt das Verlagshaus und künftige Journalismuszentrum den Charme eines Rohbaus aus, denn die ehemalige Salvador-Allende-Schule ist noch eingerüstet und selbst die Eingangstreppe wirkt eher wie ein Schutthaufen im alten Rom. Doch hinter den Gerüsten versteckt sich im ersten Stock bereits eine funktionierende Büroetage mit funktionierendem Tagungsraum, zeigte sich schnell. Die DJV-Konferenz war dessen unbeabsichtigte Einweihung, denn bis dato war noch niemand auf die Idee gekommen, hier zu tagen.
Verlagsmitgründer erklärt die Strategie. Foto: Margit Wild
„Wir haben unsere Projekte immer nach und nach entwickelt, so dass wir viel improvisieren“, betonte Verlagsmitgründer Bejamin Fredrich von Katapult. „Wir sind als Studenten gestartet, die nicht eingesehen haben, warum sie aus Greifswald weggehen sollten, jetzt haben wir über 30 Mitarbeitende.“ Alles ist in Bewegung, das gilt auch für die neue Onlinezeitung, die gerade wieder Jobs ausschreibt. Kern des Geschäftsmodells, das auf Online, aber auch Print setzt, sind soziale Medien, über die der Verlag Unterstützende gewinnt, die dann ein Abonnement abschließen.
Amerika, du bist schon eine Medien-Wüste: Professor Beck (Uni Greifswald). Fotos: Margit Wild
Dabei haben es Medien generell nicht einfach, unterstrich Professor Klaus Beck von der Universität Greifswald in einer Präsentation. „Nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch in den USA haben wir einen Rückgang der Zeitungsauflagen um rund 40 Prozent“, unterstrich er. Die Gefahren aus dieser Entwicklung zeigte der Wissenschaftler sehr anschaulich: wo es keine Zeitungen mehr gibt, kommt es zu mehr Korruptionsfällen in der Verwaltung, öffentliche Mittel werden verschwendet, die Infrastruktur leidet. „Onlineformate und örtliche TV-Sender können das Defizit, das durch den Wegfall von Zeitungen auftritt, nicht ausgleichen“, warnte Beck. „Ein lokaler Radiosender in den USA kann im Regelfall von einer einzigen Person betrieben werden, das könnte ein Bachelor-Student der Uni Greifswald locker machen.“ Einfache Lösungen konnte der Professor nicht bieten. Zwar gebe es Ansätze zu gemeinnützigem Journalismus mit Förderung durch Sponsoren und andere, aber auch das schaffe Abhängigkeiten.
Matthias Baerens setzt auf langfristige Projekte. Foto: Margit Wild
Auf langfristige Projekte setzt der freie Journalist Matthias Baerens, um in der Medienwüste ein Auskommen zu finden. So sitzt er an einem Buchprojekt zu einem Flugzeugabsturz in der damaligen DDR. Über Internet findet er Kontakt zu Angehörigenfamilien oder Offiziellen der DDR, der wertvolle Hinweise liefern. Die aktuelle Berichterstattung für Zeitung sei wirtschaftlich nicht interessant, so Baerens, der in der Bürgerbewegung der DDR aktiv war und nach der Wende unter anderem im Rundfunk Arbeit fand.
Viel zu sehn in Meck-Pomm: Manuela Heberer und Georg Hund. Foto: Margit Wild
Mit einer eigenen Zeitschrift über Orte und Menschen in Mecklenburg-Vorpommern versuchen Manuela Heberer und Georg Hundt ihre eigene Nische im Mediensystem aufzubauen. Das „Viel-Sehn-Magazin“ wartet mit ungewöhnlichen Geschichten und anspruchsvollen Fotos auf. Es ist bundesweit an Kiosken und im Abonnement erhältlich. Doch der Weg zum wirtschaftlichen Geschäftsmodell ist steinig. Bislang wurde die Gründung auch mit Mitteln eines europäischen Förderfonds unterstützt, doch diese läuft aus. Die Gewinne, die das Projekt schreibt, sind noch übersichtlich, so dass es derzeit noch ein zeitaufwändiger Nebenerwerb bleibt.
Mena Stavesand vermittelt Trends im Journalismus. Foto: Margit Wild
Freie können auch eigene Onlinemedien gründen, zeigte die freie Journalistin Mena Stavesand. In der Onlinezeitschrift „White Lab“ beschäftigt sie sich mit Fragen der digitalen Welt und Trends im Journalismus, die sie verständlich vermitteln will. Auch hier ist das Projekt noch auf dem Entwicklungspfad und eine durchschlagende Wirtschaftlichkeit noch nicht erreicht worden.
Engagierte Diskussion "unter drei" über den Umgang mit Medien und Nordstream. Foto: Margit Wild
Für den Journalismus ist es in der Medienwüste schwierig, gerade wenn es um Informationen geht, die für die Berichterstattung benötigt werden. Die Geheimhaltung von Vorgängen ist mitunter sogar Basis des Geschäftsmodells: die Klimastiftung des Landes wurde nur gegründet, um Sanktionen zu umgehen und die Fertigstellung der Gaspipeline „Nordstream 2“ zu erreichen. Bei Anfragen von Medien verweigert die Stiftung weiterhin die Auskunft und meint, einer gesetzlichen Auskunfts- und Informationspflicht nicht zu unterliegen. In einer Diskussionsrunde mit Landespolitikern und dem Datenschutz im Bundesland zeigte sich, dass in dieser Frage Bewegung möglich ist. „Stiftungen, die unter Einfluss eines Bundeslandes gegründet wurden, unterliegen Auskunftspflichten“, betonte die Mitarbeiterin des Landesdatenschutzes und wies auf kommende Rundschreiben der Behörden hin. Philipp da Cunha von der SPD machte deutlich, dass über Reformen von Landespressegesetz und anderen Informationsrechten nachgedacht werden könne. Der Vorgang Klimastiftung habe jedoch Sondercharakter gehabt. Hannes Damm von den Grünen setzte sich demgegenüber vehement für erweiterte Transparenzrechte ein und kritisierte, dass seine Partei es als Opposition ganz wie Journalisten schwer habe, an Informationen zu kommen. „Bei den Mehrheitsverhältnissen im Untersuchungsausschuss werden unsere Fragen formell abgebügelt“, meinte er. Vorwürfe, die der SPD-Politiker da Cunha nicht stehen lassen wollte. Moderatorin Michaela Skott unterbrach die Debatte aber schnell. Es gehe hier nicht um die Klärung solcher parlamentarischer Auseinandersetzungen, sondern darum, dass die journalistisch Arbeitenden an Informationen kommen. „Denkt doch mal daran, dass Ihr Politiker uns Journalisten die Informationen geben müsst, das ist unsere Aufgabe. Macht nicht, wenn wir eine Anfrage haben, aus dem Thema gleich eine eigene Pressemitteilung, sondern gebt uns die Antwort, und wir veröffentlichen sie dann. Das ist der Deal, so sollte es sein“, appellierte Konferenzteilnehmer Rainer Sobiech an die beiden anwesenden Politiker.
Das ist der Deal: Rainer Sobiech appelliert an die Politik in Meck-Pomm. Foto: Margit Wild
Die Medienwüste lebt, jedenfalls gibt es einige Oasen und viele Themen: das blieb bei vielen Teilnehmenden übrig. Wer das übrigens feiern will, kann vom 21. – 24. Juli 2022 zum Festival des Katapult-Verlags nach Greifswald kommen. Von Hüpfburgen für Kinder bis zur Mitternachtslesung des Verlagsmitbegründers und Buchautors Benjamin Fredrich ist alles dabei.
Michael Hirschler
Weitere Berichte von der Tagung "Medienwüste?! Wie Journalismus im Hinterland gelingen kann – eine Tages-Safari".
Fotos:
https://djv-intern.djv.de/owncloud/index.php/s/CACN3fLKJGXn37W
Beitrag in kiek an 1/23 von Michi Skott:
https://djv-intern.djv.de/owncloud/index.php/s/CACN3fLKJGXn37W
Das Programm
Montag, 27. Juni 2022
9:15 Uhr Begrüßung am Wasserloch mit den Tourguides vom #DJV4Freie des Tages
Von "Einheimischen" lernen (Keynotes)
9.30 - 10.00 Wege aus der Medienwüste
Keynote 1: Prof. Dr. Klaus Beck, Universität Greifswald, Lehrstuhlinhaber Lehrstuhl Kommunikationswissenschaft
Medienwüste, was ist das eigentlich? Welche Lösngsansätze gibt es?
Moderation: Michaela Skott und Anne Webert
10.05 – 10.35 Nischen finden
Keynote 2: Matthias Baerens, freier Journalist aus Mecklenburg-Vorpommern
Wie kannst du "deinen Platz" finden? Welche Möglichkeiten zur Verwertung gibt es? Ein Praxisbericht.
Moderation: Michaela Skott
10.40 - 11.00 Feedback-Runde aus den Keynotes
11.00 – 11.15 kleine Pause
11.15 - 12.00 Oase?! Katapult M-V stellt sich vor (anschließend Fragerunde)
12.00 – 12.45 Mittagspause
12.45 - 14.00 Wüstenhimmel – Streiflichter:
Kreative Modelle - Freie Kolleg*innen stellen ihre Projekte vor
1. Streiflicht: Viel-Sehn-Magazin mit Manuela Heberer und Georg Hundt
Das Magazin für Menschen, Kultur und Lebensart in der Mecklenburgischen Seenplatte
www.vielsehn.de
2. Streiflicht: White-Lab mit Mena Stavesand
Blick in die Zukunft, Transformationsprozesse in den Medien und digitaler Journalismus
https://white-lab.de/
14.00 Fata Morgana?! Transparenz im #Hinterland
Über die Tücken der Recherche, Auskunftsrechte und -pflichten, über eine schweigsame Landesregierung und wie es ist, dort zu recherchieren, wo andere Urlaub machen und die Initiative für Auskunftsansprüche von Journalist*innen des DJV
Philipp da Cunha (MdL/SPD MV), Hannes Damm (MdL/Die Grünen), Lydia Kämpfe (Referatsleiterin/Justiziarin Datenschutz und Informationsfreiheit beim Landesbeauftragten für Datenschutz) und Susanne Wolters (Fachreferentin Datenschutz und Informationsfreiheit), Vertreter*innen des DJV, DJV MV
Abschließend offener Austausch
16.00 Ende
Tagungsort: Verlagshaus der Katapult Redaktion, Wilhelm-Holtz-Straße 9, 17489 Greifswald
Bearbeitung: Michael Hirschler
Datum und Uhrzeit: 2023-07-27 11:04:50
Inhalt der Änderung
Im nordöstlichsten Teil der Bundesrepublik, inmitten von wirtschaftlich verödeten Landschaften, gründet ein Verlag Medien, als sei der Journalismus erst gestern erfunden worden. Die Rede ist vom Katapult-Verlag in Greifswald, der inzwischen nicht nur eine bundesweite Zeitschrift, sondern auch noch eine regionale Onlinezeitung mit monatlicher Druckausgabe herausgibt und nun sogar ein Journalismuszentrum aufbaut.
Journalismus im Rohbbau. Fotos: Hirschler
Katapult baut – Journalismus im Aufbruch: das konnten die Teilnehmenden der DJV-Konferenz „Medienwüste?! – Wie Journalismus im Hinterland gelingen kann“ am 27. Juni in Greifswald live miterleben. Noch strahlt das Verlagshaus und künftige Journalismuszentrum den Charme eines Rohbaus aus, denn die ehemalige Salvador-Allende-Schule ist noch eingerüstet und selbst die Eingangstreppe wirkt eher wie ein Schutthaufen im alten Rom. Doch hinter den Gerüsten versteckt sich im ersten Stock bereits eine funktionierende Büroetage mit funktionierendem Tagungsraum, zeigte sich schnell. Die DJV-Konferenz war dessen unbeabsichtigte Einweihung, denn bis dato war noch niemand auf die Idee gekommen, hier zu tagen.
Verlagsmitgründer erklärt die Strategie. Foto: Margit Wild
„Wir haben unsere Projekte immer nach und nach entwickelt, so dass wir viel improvisieren“, betonte Verlagsmitgründer Bejamin Fredrich von Katapult. „Wir sind als Studenten gestartet, die nicht eingesehen haben, warum sie aus Greifswald weggehen sollten, jetzt haben wir über 30 Mitarbeitende.“ Alles ist in Bewegung, das gilt auch für die neue Onlinezeitung, die gerade wieder Jobs ausschreibt. Kern des Geschäftsmodells, das auf Online, aber auch Print setzt, sind soziale Medien, über die der Verlag Unterstützende gewinnt, die dann ein Abonnement abschließen.
Amerika, du bist schon eine Medien-Wüste: Professor Beck (Uni Greifswald). Fotos: Margit Wild
Dabei haben es Medien generell nicht einfach, unterstrich Professor Klaus Beck von der Universität Greifswald in einer Präsentation. „Nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch in den USA haben wir einen Rückgang der Zeitungsauflagen um rund 40 Prozent“, unterstrich er. Die Gefahren aus dieser Entwicklung zeigte der Wissenschaftler sehr anschaulich: wo es keine Zeitungen mehr gibt, kommt es zu mehr Korruptionsfällen in der Verwaltung, öffentliche Mittel werden verschwendet, die Infrastruktur leidet. „Onlineformate und örtliche TV-Sender können das Defizit, das durch den Wegfall von Zeitungen auftritt, nicht ausgleichen“, warnte Beck. „Ein lokaler Radiosender in den USA kann im Regelfall von einer einzigen Person betrieben werden, das könnte ein Bachelor-Student der Uni Greifswald locker machen.“ Einfache Lösungen konnte der Professor nicht bieten. Zwar gebe es Ansätze zu gemeinnützigem Journalismus mit Förderung durch Sponsoren und andere, aber auch das schaffe Abhängigkeiten.
Matthias Baerens setzt auf langfristige Projekte. Foto: Margit Wild
Auf langfristige Projekte setzt der freie Journalist Matthias Baerens, um in der Medienwüste ein Auskommen zu finden. So sitzt er an einem Buchprojekt zu einem Flugzeugabsturz in der damaligen DDR. Über Internet findet er Kontakt zu Angehörigenfamilien oder Offiziellen der DDR, der wertvolle Hinweise liefern. Die aktuelle Berichterstattung für Zeitung sei wirtschaftlich nicht interessant, so Baerens, der in der Bürgerbewegung der DDR aktiv war und nach der Wende unter anderem im Rundfunk Arbeit fand.
Viel zu sehn in Meck-Pomm: Manuela Heberer und Georg Hund. Foto: Margit Wild
Mit einer eigenen Zeitschrift über Orte und Menschen in Mecklenburg-Vorpommern versuchen Manuela Heberer und Georg Hundt ihre eigene Nische im Mediensystem aufzubauen. Das „Viel-Sehn-Magazin“ wartet mit ungewöhnlichen Geschichten und anspruchsvollen Fotos auf. Es ist bundesweit an Kiosken und im Abonnement erhältlich. Doch der Weg zum wirtschaftlichen Geschäftsmodell ist steinig. Bislang wurde die Gründung auch mit Mitteln eines europäischen Förderfonds unterstützt, doch diese läuft aus. Die Gewinne, die das Projekt schreibt, sind noch übersichtlich, so dass es derzeit noch ein zeitaufwändiger Nebenerwerb bleibt.
Mena Stavesand vermittelt Trends im Journalismus. Foto: Margit Wild
Freie können auch eigene Onlinemedien gründen, zeigte die freie Journalistin Mena Stavesand. In der Onlinezeitschrift „White Lab“ beschäftigt sie sich mit Fragen der digitalen Welt und Trends im Journalismus, die sie verständlich vermitteln will. Auch hier ist das Projekt noch auf dem Entwicklungspfad und eine durchschlagende Wirtschaftlichkeit noch nicht erreicht worden.
Engagierte Diskussion "unter drei" über den Umgang mit Medien und Nordstream. Foto: Margit Wild
Für den Journalismus ist es in der Medienwüste schwierig, gerade wenn es um Informationen geht, die für die Berichterstattung benötigt werden. Die Geheimhaltung von Vorgängen ist mitunter sogar Basis des Geschäftsmodells: die Klimastiftung des Landes wurde nur gegründet, um Sanktionen zu umgehen und die Fertigstellung der Gaspipeline „Nordstream 2“ zu erreichen. Bei Anfragen von Medien verweigert die Stiftung weiterhin die Auskunft und meint, einer gesetzlichen Auskunfts- und Informationspflicht nicht zu unterliegen. In einer Diskussionsrunde mit Landespolitikern und dem Datenschutz im Bundesland zeigte sich, dass in dieser Frage Bewegung möglich ist. „Stiftungen, die unter Einfluss eines Bundeslandes gegründet wurden, unterliegen Auskunftspflichten“, betonte die Mitarbeiterin des Landesdatenschutzes und wies auf kommende Rundschreiben der Behörden hin. Philipp da Cunha von der SPD machte deutlich, dass über Reformen von Landespressegesetz und anderen Informationsrechten nachgedacht werden könne. Der Vorgang Klimastiftung habe jedoch Sondercharakter gehabt. Hannes Damm von den Grünen setzte sich demgegenüber vehement für erweiterte Transparenzrechte ein und kritisierte, dass seine Partei es als Opposition ganz wie Journalisten schwer habe, an Informationen zu kommen. „Bei den Mehrheitsverhältnissen im Untersuchungsausschuss werden unsere Fragen formell abgebügelt“, meinte er. Vorwürfe, die der SPD-Politiker da Cunha nicht stehen lassen wollte. Moderatorin Michaela Skott unterbrach die Debatte aber schnell. Es gehe hier nicht um die Klärung solcher parlamentarischer Auseinandersetzungen, sondern darum, dass die journalistisch Arbeitenden an Informationen kommen. „Denkt doch mal daran, dass Ihr Politiker uns Journalisten die Informationen geben müsst, das ist unsere Aufgabe. Macht nicht, wenn wir eine Anfrage haben, aus dem Thema gleich eine eigene Pressemitteilung, sondern gebt uns die Antwort, und wir veröffentlichen sie dann. Das ist der Deal, so sollte es sein“, appellierte Konferenzteilnehmer Rainer Sobiech an die beiden anwesenden Politiker.
Das ist der Deal: Rainer Sobiech appelliert an die Politik in Meck-Pomm. Foto: Margit Wild
Die Medienwüste lebt, jedenfalls gibt es einige Oasen und viele Themen: das blieb bei vielen Teilnehmenden übrig. Wer das übrigens feiern will, kann vom 21. – 24. Juli 2022 zum Festival des Katapult-Verlags nach Greifswald kommen. Von Hüpfburgen für Kinder bis zur Mitternachtslesung des Verlagsmitbegründers und Buchautors Benjamin Fredrich ist alles dabei.
Michael Hirschler
Weitere Berichte von der Tagung "Medienwüste?! Wie Journalismus im Hinterland gelingen kann – eine Tages-Safari".
Fotos:
https://djv-intern.djv.de/owncloud/index.php/s/CACN3fLKJGXn37W
Beitrag in kiek an 1/23 von Michi Skott:
https://djv-intern.djv.de/owncloud/index.php/s/CACN3fLKJGXn37W
Das Programm
Montag, 27. Juni 2022
9:15 Uhr Begrüßung am Wasserloch mit den Tourguides vom #DJV4Freie des Tages
Von "Einheimischen" lernen (Keynotes)
9.30 - 10.00 Wege aus der Medienwüste
Keynote 1: Prof. Dr. Klaus Beck, Universität Greifswald, Lehrstuhlinhaber Lehrstuhl Kommunikationswissenschaft
Medienwüste, was ist das eigentlich? Welche Lösngsansätze gibt es?
Moderation: Michaela Skott und Anne Webert
10.05 – 10.35 Nischen finden
Keynote 2: Matthias Baerens, freier Journalist aus Mecklenburg-Vorpommern
Wie kannst du "deinen Platz" finden? Welche Möglichkeiten zur Verwertung gibt es? Ein Praxisbericht.
Moderation: Michaela Skott
10.40 - 11.00 Feedback-Runde aus den Keynotes
11.00 – 11.15 kleine Pause
11.15 - 12.00 Oase?! Katapult M-V stellt sich vor (anschließend Fragerunde)
12.00 – 12.45 Mittagspause
12.45 - 14.00 Wüstenhimmel – Streiflichter:
Kreative Modelle - Freie Kolleg*innen stellen ihre Projekte vor
1. Streiflicht: Viel-Sehn-Magazin mit Manuela Heberer und Georg Hundt
Das Magazin für Menschen, Kultur und Lebensart in der Mecklenburgischen Seenplatte
www.vielsehn.de
2. Streiflicht: White-Lab mit Mena Stavesand
Blick in die Zukunft, Transformationsprozesse in den Medien und digitaler Journalismus
https://white-lab.de/
14.00 Fata Morgana?! Transparenz im #Hinterland
Über die Tücken der Recherche, Auskunftsrechte und -pflichten, über eine schweigsame Landesregierung und wie es ist, dort zu recherchieren, wo andere Urlaub machen und die Initiative für Auskunftsansprüche von Journalist*innen des DJV
Philipp da Cunha (MdL/SPD MV), Hannes Damm (MdL/Die Grünen), Lydia Kämpfe (Referatsleiterin/Justiziarin Datenschutz und Informationsfreiheit beim Landesbeauftragten für Datenschutz) und Susanne Wolters (Fachreferentin Datenschutz und Informationsfreiheit), Vertreter*innen des DJV, DJV MV
Abschließend offener Austausch
16.00 Ende
Tagungsort: Verlagshaus der Katapult Redaktion, Wilhelm-Holtz-Straße 9, 17489 Greifswald