Etwa ein Drittel der Freien im Journalismus übernimmt hin und wieder mal PR-Aufträge, deutlich unter zehn Prozent haben einen echten Schwerpunkt in der PR. Worum es vor allem geht: die Erstellung von Pressemitteilungen, die Aufnahme von PR-Fotos, Konzeption von Prospekten, die Planung und Durchführung von Pressekonferenzen, die Moderation einer Podiumsdiskussion auf einer Jahrestagung eines Interessenverbandes, die Erstellung redaktioneller Inhalte für die Internetseite einer Firma, eines Verbandes oder einer Behörde, die Betreuung des Social-Media-Kanals. Natürlich gibt es noch Dutzende anderer Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Festzuhalten bleibt aber auch: Es gibt auch einen großen Teil von Freien, der gar keine PR macht. Du „musst“ es also nicht, es bleibt deine eigene Entscheidung.
Der USP der Freien: Journalistisches und fachliches Know-how
Warum werden gerade Freie aus dem Journalismus für PR-Aufträge herangezogen? Es geht um deinen besonderen Unique Selling Point (USP): Du weißt, auf welche Inhalte und Stilformen Redaktionen positiv reagieren, und du bist oft genug selbst sehr gut über das Thema informiert. Du weißt es selbst: Eine Pressemitteilung aus deiner Hand wird spritzig formuliert, ist aber auch fachlich/thematisch spitze. Und du weißt auch, wie Geschichten erzählt werden. Viele PR-Abteilungen setzen auf diese Kompetenz, denn statt durch platte Werbesprüche möchten sie ihre Produkte oder Dienstleistungen durch informative und unterhaltsame Texte schmackhaft machen.
Warum machen Freie PR?
Freie machen PR vor allem deswegen, weil hier hervorragend gezahlt wird. Firmen, Vereine und Behörden zahlen Honorare an Freie, die den Tagessätzen von PR-Firmen entsprechen. Dort liegen Tagessätze selten unter 1.000 Euro, für spezialisierte Dienstleistungen auch weit höher. Mit solchen Honoraren kann oder will kaum ein Medienhaus mithalten. Mit wenigen Stunden PR in der Woche können sich manche Freie ihren schlecht bezahlten Journalismus „gerade so leisten“. Natürlich gibt es auch viele Freie, bei denen das Geld nur an zweiter Stelle steht. Sie interessieren sich vielmehr für das Themengebiet und freuen sich, wenn sie von den Playern ihrer Branche angesprochen und eingesetzt werden, zumal sie dadurch auch neue (journalistische) Kontakte und Informationen gewinnen können. So wird die Reporterin über das kirchliche Leben mal eben zur temporären Pressesprecherin des Musikfestivals in ihrem Kirchenkreis. Für spätere Reportagen darf sie bei Anrufen bei Kirchenmitgliedern natürlich mit mehr Aufmerksamkeit rechnen. Journalistisch gesehen, kann eine solche (auch kurze) PR-Tätigkeit manchmal dazu dienen, Einblicke zu bekommen und Erkenntnisse zu sammeln, die es beim Blick von außen einfach nicht gibt. Auf diese Weise ermöglicht die PR-Tätigkeit überraschenderweise manchmal sogar besseren Journalismus.
Vom Journalismus zur PR: Wie geht´s?
Oft genug ergibt sich das Interesse an dir aus deinen vorherigen Kontakten und deinen besonderen Branchenkenntnissen: Wenn du viel über Segeljournalismus schreibst, hast du eines Tages plötzlich die Chefetage des Verbandes der Segelschiffbranche am Telefon: Die Messe ist in einer Woche, doch die PR-Verantwortlichen sind alle erkrankt, ob du einspringen kannst, du kennst doch die Branche und deren Probleme so gut. Dieser – hervorragend bezahlten – Bitte wirst du dich nur schwer verweigern können. Gleiches gilt für gesellschaftspolitisch Engagierte, wenn ein Verband plötzlich Hilfe braucht oder eine gute Moderation für eine Podiumsdiskussion sucht. Plötzlich bist du nicht mehr „draußen“, sondern Teil der PR-Maschine, und das eigentlich nur, weil du helfen willst. Aus der einen Rolle in die andere. So ist es schon vielen ergangen – aus dem „SPIEGEL“-Redakteur wurde der Regierungssprecher des Berliner Senats, aus einem journalistischen Spezialisten für Verteidigungsfragen der Sprecher des neuen Verteidigungsministers, aus dem ZDF-Nachrichtensprecher der Regierungssprecher der Bundesregierung. Oder: Freie, die über Korruption in der Politik oder den Medien berichten, moderieren (gegen gutes Honorar) Veranstaltungen parteinaher Stiftungen oder von korruptionskritischen Verbänden, schreiben gegen Honorar in deren Publikationen. Es geht recht schnell mit der Doppelrolle.
Gefährdet PR im Nebenjob Deine journalistische Glaubwürdigkeit?
Es gibt nichts herumzureden: Während Angestellte, die aus dem klassischen Journalismus komplett in eine Anstellung in der PR wechseln, nur ab und zu für diesen Seitenwechsel kritisiert werden, müssen sich Freie, die PR als Nebenjob oder zweites Standbein betreiben, dauerhaft der Kritik stellen, weil sie ja weiterhin auch den klassischen Journalismus betreiben wollen. Hier droht natürlich objektiv die Gefahr, dass die journalistische Arbeit vom PR-Job beeinflusst wird und am Ende Beiträge in seriösen Medien landen, in denen die Belange der PR-Auftraggebenden schöngefärbt werden. Diese Gefahr und den Anschein dieser Gefahr musst du sehr ernst nehmen, wenn du PR als Nebentätigkeit machen willst.
Die Grundsatzregel sollte also mindestens sein: „Ich berichte journalistisch nicht über Themen, die etwas mit meinen PR-Auftraggebenden zu tun haben oder haben könnten.“
Es gibt verschiedene Medien, die ihren journalistisch Zuarbeitenden PR-Tätigkeiten generell verbieten oder jedenfalls Beiträge für Themengebiete, die Tätigkeitsfelder PR-Auftraggebender von Freien berühren. In anderen Fällen ist es eventuell nicht explizit verboten, allerdings riskierst du, dass dir die PR-Tätigkeit auf die Füße fällt, wenn die Firma oder Institution einmal ins Gerede kommt. Das kann auch schon passieren, wenn du für eine Behörde eine Moderation übernimmst – auch hier gefährden regelmäßige Zahlungen das Ansehen als unabhängige Quelle der Berichterstattung. Durch unüberlegte Zusammenarbeit ist auch dein Ruf, unabhängig Bericht zu erstatten, schnell ruiniert. Das gilt erst recht, wenn der Auftrag durch eine Firma oder Institution erfolgt, die seit jeher als fragwürdig gilt.
Befasse dich zur Vermeidung von Kritik auch mit den berufsethischen Richtlinien des Deutschen Presserates (Pressekodex) zur Abgrenzung von redaktionellem Inhalt und Werbung, außerdem dem Werbekodex des Deutschen Werberats. Beachte auch die Vorschriften, wenn es um bestimmte Berufe geht, etwa die Berufsregeln der Ärzte, die das Verbot der berufswidrigen Werbung zum Inhalt haben. Wenn Du Wertpapiere hältst, gibt es dazu Verbote in den §§ 8, 14 der Marktmissbrauchsverordnung (MMVO), siehe hierzu ausführlich der Presserat.
Im Übrigen ist anzuraten, die Medien und die Lesenden durch einen Hinweis im Beitrag auf mögliche bzw. scheinbare Interessenskonflikte aufmerksam zu machen. Auf diese Weise wird der Nebenjob transparent gemacht und die Lesenden können sich ihren Teil dazu denken.
Was kannst du tun?
Für dich heißt diese Diskussion: Wenn du PR-Aufträge annimmst, mache dir die damit zusammenhängenden Risiken bewusst, studiere die Vertragsregelungen der Medienhäuser und die Berufsregeln intensiv. Arbeite nur in Bereichen und für Firmen, über die du anschließend nicht journalistisch berichtest, außer du nutzt die Kenntnisse gerade dazu, um journalistisch ein „Mehr“ bieten zu können. Wenn du diese Doppelrolle einnimmst, solltest du sie immer offenlegen, damit die Lesenden sich nicht getäuscht fühlen. Und sei nicht überrascht oder gar enttäuscht, wenn dir deine PR-Tätigkeit eines Tages trotz aller Bemühungen und Abgrenzungen doch auf die Füße fällt und deinen Ruf ruiniert – einfach deswegen, weil das Publikum „draußen“ oft ein anderes Bild von den Menschen hat, die für sie Berichterstattung machen (sollen). Oder weil Interessengruppen oder Firmen, die deinem Medium oder deinen PR-Auftraggebenden ohnehin kritisch gegenüber stehen, diese Doppelrolle instrumentalisieren, um Schaden anzurichten und ihre eigenen Ziele voranzutreiben. Es bleibt deine Entscheidung und dein Risiko.