Kaltakquise
Ein erfolgreicher alter Versicherungsagent erklärt seinem jungen Nachfolger, was sein Geheimnis bei der Akquise ist. Es geht eigentlich ganz einfach: Er sucht sich jede Woche eine beliebige Straße aus dem Stadtplan, drückt jede Klingel und erzählt immer das gleiche Sprüchlein. Das Ergebnis: Zehnmal fliegt er hochkant raus, zweimal verkauft er eine Lebensversicherung.
So etwas nennt man in der Vertretersprache Kaltakquise und natürlich funktioniert diese harte Tour auch bei Redaktionen. Aber ehrlich gesagt: Wer so etwas gut kann und auch noch Freude daran hat, der verkauft vielleicht wirklich besser Aktienfonds. Und: Es muss aber gar nicht immer die Kaltakquise sein. Wir haben hier noch ein paar andere Ideen zusammengetragen.
Bestehende Kontakte nutzen.
Der Klassiker ist, dass Du irgendwo für ein Praktikum warst, an einer anderen Stelle vielleicht früher fest gearbeitet hast und dass der ehemalige freie Kollege jetzt einen Redakteursposten ergattert hat. Da musst du dich nicht scheuen, sondern darfst beherzt zugreifen. Wichtig daran: die Insiderkenntnisse auch nutzen und genau das anbieten, wo aus dem Kontakt bekannt ist, dass der Schuh drückt.
Das Problem bei ehemaligen Praktikumsplätzen: Du willst nicht ewig mit den Praktikanten-Brosamen abgespeist werden. Da sind die ersten Kontakte nach der Praktikumszeit wichtig, um klarzumachen: Jetzt bin ich der oder die gleichwertige Gegenüber und mehr wert als andere, weil ich ja passgenauer liefere.
Ein Netzwerk aufbauen
Kennst du eine erfolgreiche journalistisch berufstätige Person, die ihren Job aus dem stillen Kämmerlein heraus macht und nie unter Leute kommt? Ich auch nicht. Ein Netzwerk wird nicht nur aufgebaut, um an gute Geschichten und die Protagonisten dazu zu kommen. Und auch nicht nur, um sich unter seinesgleichen Mut zuzusprechen und Tipps zu geben. Ein Netzwerk kann auch in Redaktionen und Verlage reichen.
Das kann ganz klassisch funktionieren über Berufsverbände wie den Deutschen Journalistenverband oder thematische Verbände wie die Vereinigung Deutscher Reisejournalisten. Hilfreich sind auch Messen und Kongresse. Im Reisebereich trifft man praktisch alle relevanten Redakteure auf der ITB in Berlin und viele noch mal beim Kongress des Deutschen Reise Verbands.
Längst geht aber auch viel über digitale Kanäle. Offene und geschlossene Gruppen bei Facebook, Linked-in und Whatsapp ersetzen vielerorts die gute alte Kneipe oder – etwas feiner – Golfplatz und Gesellschaftsclub als Geschäftsanbahnungsort.
Eines aber ist geblieben: Wer nur nehmen will und nicht gibt, der braucht es eigentlich gar nicht zu probieren. Egal für welche Art von Netzwerk du dich entscheidest: Sei dir bewusst, dass das viel Zeit kostet und automatisch rein gar nichts dabei herauskommt. Wenn du umgekehrt erst mal nichts abzugreifen versuchst, sondern bereit bist, dich zu engagieren, dann wirst du bald feststellen, dass manches plötzlich „flutscht“, was du vorher vergebens zu erzwingen versucht hast.
Die strukturierte Vorgehensweise
Ehrlich gesagt: Die allermeisten von uns älteren Freien haben ihre beste Kundschaft nicht einem exakten Plan zu verdanken – es ist oft auch verdammt viel Zufall dabei. Aber du kannst dem Zufall zumindest auch auf die Sprünge helfen. Hier erfährst du wie.
Wenn du die Person bist, die im Supermarkt mit Einkaufszettel shoppt und vor dem Urlaub bereits die Tripadvisor-Hitparaden der besten Lokale am Ferienort abgespeichert hat, dann weißt du, was jetzt kommt: Dann willst du dich als frei tätige Person sicher auch nicht zufällig von Auftrag zu Auftrag hangeln. Wie kann so ein gezieltes Vorgehen aussehen?
1. Schritt: Erst einmal die möglichen Auftraggebenden sammeln.
Manche malen gern auf iPads herum, andere verwenden reale oder digitale Karteikarten. Das ist egal. Wichtig ist nur, dass du es dir nicht im Kopf merken must und das Gesammelte hinterher sortieren (und aussortieren) kannst. So, und nun steigst du in den Rundflug-Hubschrauber und betrachtest deine Branche von ganz oben. Mach nicht den Fehler, jetzt schon zu bewerten. Wo du keinen konkreten Titel weißt, schreibst du einfach „Kundenzeitschrift von Drogeriemarkt“ oder „Newsletter für Fußballfans“. Zunächst geht es darum, das mögliche Terrain abzustecken. Du kannst dich auch mit anderen Freien zusammentun, das inspiriert.
Diese Fragen können dich unterstützen, wenn dir nichts mehr einfällt:
- In welchen Zeitschriften könnte ich mir meine Artikel vom Vorjahr noch vorstellen?
- Wer steht noch in meiner Adressenliste am Handy?
- Welche Kundschaft hatte ich denn früher schon mal?
- Welche Kundschaft wünsche ich mir?
- Welche Titel, die zu meinen Themen passen könnten, finde ich am Bahnhofskiosk der nächsten Großstadt?
- An welche Kundschaft habe ich mich bislang nicht getraut zu denken?
- Wo stehen denn solche Themen, wie ich sie nächstes Jahr gern schreiben würde?
- Welche Kundschaft haben Freie, die an ähnlichen Themen arbeiten wie ich?
Wenn jetzt alles mit rechten Dingen zugeht, dann solltest du eine hübsche Menge an möglicher Kundschaft zusammengetragen haben. Lehne dich jetzt zurück und genieße einen Augenblick, die Fülle des Markts, der sich da auftut.
2. Grüppchen bilden
So, jetzt zeigt es sich, dass es sinnvoll war, die mögliche Kundschaft verschieben zu können. Denn jetzt sollst du diese potenziellen Auftraggebenden zu Clustern (engl. für Trauben) zusammenstellen.
- Welche Teile der möglichen Kundschaft hat ähnliche Merkmale
- Welche Teile der Kundschaft gehören vielleicht sogar zusammen, treffen sich vermutlich regelmäßig, tauschen sich aus?
3. Sich in die potenzielle Kundschaft hineinversetzen
Es folgt die Frage aller Fragen: Was kann die ins Auge gefasste Kundschaft brauchen? Dazu tauschst du am besten in Gedanken die Rollen und versetzt dich in die Lage der Redaktion:
- Welche Probleme brennen ihr auf den Nägeln?
- Und jetzt wieder zurück in deine Rolle: Wo kann ich die Person für die Aufgaben-Erledigung, Problemlösung sein?
- Und schließlich: Will ich das?
4. Kundschaft bewerten nach Aufwand und Umsatz
Nachdem du nun deine mögliche Kundschaft und Gruppen innerhalb der Kundenschaft durchleuchtet hast, geht es zum Voting: Wer schafft es in die Riege deiner künftigen Auftraggebeden und Wunschkundschaft?
Wenn du jetzt zurückschreckst, die guten ins Töpfchen und die schlechten ins Kröpfchen zu tun, dann solltest du dir klar machen, dass du als frei tätige Person von Auftraggebenden ständig taxiert wirst: Taugt die für uns? Riskieren wir es, dem einen weiteren Auftrag zu geben? Was müssen wir der zahlen? Da ist es nur vernünftig, den Spieß mal umzudrehen und den Markt an Auftraggebenden zu taxieren. Die einfachste Form, das zu tun, ist die wirtschaftliche. Sortiere dazu deine bestehenden und möglichen Kundschaft nach (erwartetem) Umsatz und z.B. dem (erwarteten) Aufwand. Dazu verwendest du am einfachsten eine Matrix wie die ➔ BCG-Matrix für gute und schlechte Kundschaft.
Du kannst die (möglichen) Kunden auch als A-, B- oder C-Kunden einordnen. Für die A-Kunden schreibst du, für die B-Kunden schreibst du um, und die C-Kunden bekommen die fertigen Texte dann eben auch noch. ➔ Zum Konzept der A-, B- und C-Kundschaft.
Du merkst schon: Mal heißen sie Poor Dogs, mal C-Kunden. Und je nach deinem Konzept baust du sie mit Minimalaufwand ein oder gibst dich besser gar nicht mit ihnen ab.
5. Strategie
Zu guter Letzt heißt es, sich zu entscheiden.
- An welche Kundschaft willst du dich ranmachen?
- Welche vorhandene Kundschaft willst du vielleicht ausbauen?Und mit welcher Kundschaft willst du in aller Freundschaft die Zusammenarbeit auslaufen oder sie auch gar nicht erst beginnen?
Okay, für eine Zusammenarbeit braucht es immer zwei. Möglicherweise scheiterst du bei der einen oder anderen Wunschkundschaft. Aber zumindest weißt du, wo es sich für dich lohnen sollte dranzubleiben: das Medium zu verfolgen, die Artikel zu lesen und der Redaktion unmissverständlich klar zu machen, dass du gern für sie arbeiten würdest und was du besonders gut kannst. Denn das vergessen viele Freie, dass auch auf der anderen Seite Unsicherheit herrscht: Hat die frei tätige Person überhaupt Interesse an uns, hole ich mir da vielleicht eine Abfuhr? Wenigstens darüber kannst du Klarheit herbeiführen.
Damit das nicht nur ein Luftschloss bleibt, sondern Realität wird, machst du dir am besten noch heute einen Plan: Welche Kundschaft willst du noch in diesem Monat ansprechen? Welche soll in diesem Vierteljahr, welcher im Lauf des Jahres deine Kundschaft werden? Mach dir einen Plan, für kurz- mittel- und langfristige Akquise. Denn weg fällt die Kundschaft leider von allein.
6. Die eigentliche Akquise
Du hast den Markt sondiert, deine Stärken mit möglichen Auftraggebenden abgeglichen, unter den passenden Auftraggebenden die erfolgversprechendsten ausgeguckt. Jetzt geht es darum, den Plan in die Praxis umzusetzen. Hier erfährst du, wie das gelingen kann.
- Mach dich mit den letzten Veröffentlichungen des ausgewählten Titels vertraut. Nichts ist peinlicher, als ein Thema anzubieten, das der mögliche Auftraggebende gerade vor zwei Wochen im Heft hatte.
- Überlege dir ein unwiderstehliches Thema. Und warum es genau zu diesem Auftraggebenden passt.
- Informiere dich bei anderen Freien über deren Erfahrungen mit der potenziellen Kundschaft und idealerweise auch schon über mögliche Honorare.
- Sichere ab, wer der richtige Person ist, die angesprochen werden kann und überlege dir einen guten Zeitpunkt. Bei Magazinen oder Wochenbeilagen sind das z.B. meistens die beiden Tage nach Redaktionsschluss. Vormittags ist meistens weniger Stress als kurz vor Dienstsschluss.
- Und dann lehne dich zurück, setze ein Lächeln auf, atme noch einmal durch und greif zum Telefon.
(siehe auch So verhandelst du erfolgreich)