Momentaufnahmen im Hinterland. Fotos: Männel, Polwin-Plass, Wild
Was macht die Initiative Hinterland-Journalismus?
Quer durch die Republik ziehen die Freien, um auf die Probleme des Journalismus fernab der Medienmetropolen aufmerksam zu machen. Mal laufen sie direkt bei der Ankunft in Montagsdemonstrationen gegen die Regierungspolitik, mal tagen sie in Stadthallen, die hinter schönen Fassaden verstecken, dass sie wirtschaftlich gesehen Investitionsruinen sind. Die Realität im Regionalen und Lokalen ist vielschichtig. Ein Überblick über die letzten Aktivitäten. Eine davon war im November 2023 das deutsch-polnische Journalismus-Seminar.
Wir wollen über Journalismus diskutieren, der fernab der großen Medienmetropolen gemacht wird: in der Provinz, an der Peripherie, im Hinterland und auch in den inhaltlichen Nischen. Und wir wollen darüber diskutieren, wie guter Journalismus dort in Zukunft aussehen kann. Das ist der Anspruch dieser Veranstaltungsreihe, die der DJV mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union im Jahr 2022/20233 begonnen hat und mit anderen Mitteln weiter fortsetzen will. Worum geht´s`?
WIE KÖNNEN WIR UNS IN DER ZUKUNFT AUFSTELLEN? Wie können wir unseren Anspruch auf wertehaltigen Journalismus und kritische Berichterstattung auch dort aufrechterhalten, wo die großen Medienhäuser weder wirtschaftliches Interesse noch Verantwortung für die benötigte Grundversorgung zeigen? Und wie können wir den Journalismus beleben, die Kreativität fördern und wieder Spaß an unserem Beruf haben, wenn traditionelle Medienmodelle nicht mehr funktionieren und in alten Strukturen verharrt wird? Es geht natürlich auch um Geld. Und darum, wie Journalistinnen in Zukunft von ihrem Beruf leben können.
WIE KÖNNEN WIR UNS ORGANISIEREN? Wer im Hinterland journalistisch arbeitet, ist oft auf sich allein gestellt. Das gilt für Angestellte und frei Tätige gleichermaßen. An vielen Orten arbeiten Freie in Einzelbüros und recherchieren alleine. Wie können sie sich besser organisieren, wie können Netzwerke entstehen, welche Unterstützungsmöglichkeiten gibt es?
WIE GEHEN WIR MIT HASS UND DRUCK UM? Wer allein arbeitet, erscheint angreifbar und auch leichter beeinflussbar. Das zieht diejenigen an, die kritischen Journalismus verhindern wollen. Es fängt scheinbar harmlos mit der Einflussnahme auf kritische Beiträge an und reicht bis zu Attacken auf journalistisch Berufstätige. Wie viele Kolleginnen berichten, erfahren Frauen dabei besonderen Hass. Wie können wir sie und uns schützen?
TECHNISCHE MITTEL ENTWICKELN Mit Hilfe technischer Hilfsmittel können wir die Isolation überwinden und uns zusammenschließen. Digitale Tools zur Kollaboration, für virtuelle Treffs und auch zur Produktion von Medien aus dem Home Office machen es einfacher, in der Isolation zu arbeiten.
WIR TREFFEN UNS ONLINE UND VOR ORT Über all diese Themen sprechen wir auf Webkonferenzen, aber auch vor Ort.. Wir treffen uns dazu fern der Metropolen und virtuell überall. Wir waren vor Ort in Greifswald, Bautzen, Konstanz und Fulda, um über die Herausforderungen im Regionalen zu sprechen. Online haben wir auf Webkonferenzen debattiert. Weitere Veranstaltungstermine folgen.
DIE DISKUSSION HAT ERST BEGONNEN Die Debatte über Journalismus im Hinterland hat gerade erst begonnen. Wir sind froh darüber, dass wir diese Diskussion mitgestalten können. Jetzt und in Zukunft.
Über den Journalismus in Frankreichs Regionen und das Hinterland-Manifest der Zeitschrift „hinterlands magazine“ ging es am 2. März 2022 in einer Onlinekonferenz. Mit einem Kick-off-Workshop startete der DJV die Veranstaltungsreihe „Journalismus im Hinterland“, die sich den Herausforderungen des regionalen Journalismus widmet
„Als ich mich zu Beginn meiner journalistischen Arbeit entschieden habe, in die Provinz zu gehen, haben mich viele meiner Bekannten für verrückt gehalten“, berichtete Pablo Aiquel aus Frankreich. „Damals waren die Regionen überhaupt kein Thema. Später wurde es anders, als der damalige Präsident Hollande ein Ministerium schuf. Heute ist es viel normaler als in der Vergangenheit.“ Technische Entwicklungen haben hierbei geholfen, zeigte Aiquel: „Die digitale Revolution hat es ermöglicht, dass wir uns in der Provinz mit anderen Freien zusammenschalten, miteinander Projekte planen und natürlich auch online mit der Metropole zusammenarbeiten.“ Dabei wirkt sich die Digitalisierung natürlich auch negativ auf traditionelle Auftraggeber der Freien, die Zeitungen aus. Doch Aiquel hat andere Auftraggeber gefunden: „Ich arbeite für die Fachpresse. Diese läuft immer noch sehr gut. Das Geschäftsmodell dieser Presse ist im Prinzip B:B, business to business. Dort ist daher auch noch ordentlich Geld zu verdienen“. Aiquel selbst arbeitet für ein Fachmagazin, das sich den Problemen der Regionen widmet und vor allem von den Kommunen abonniert wird. Ein Teil seiner Beiträge ist auch online abrufbar. Welchen Rat gibt Aiquel Freien, die in der „Provinz“ tätig sind. Helfen Zusammenschlüsse, hilft das Engagement im Berufsverband, der Gewerkschaft? Ist die Idee, dass zusammen mehr zu schaffen ist, nicht einfach nur naiv, gar romantisch? „Nein, gar nicht romantisch. Romantisch ist es zu glauben, man könne freiberuflich allein auf sich gestellt arbeiten“, sagt Aiquel. Er selbst ist seit längerer Zeit Vorsitzender der Freien in der französischen Journalistengewerkschaft SNJ-CGT. „Freie sollten sich mit anderen zusammentun, gerade in den Regionen. Anders geht es gar nicht. Egal, ob sich einfach so zusammenschließen oder in der Gewerkschaft, was ich natürlich getan habe und bis heute als inspirierend empfinde. Vor allem wegen dem Austausch mit anderen Freien. Ohne den geht es nicht.“ Warum engagiert er sich dann auch noch für die Freien auf europäischer Ebene, als einer der Vorsitzenden der „Expertengruppe für die Rechte der Freien“ bei der Europäischen Journalisten-Föderation? Ist das nicht nur ein Teil des bürokratischen Monsters Europa? „Nein, auch auf europäischer Ebene schätze ich vor allem den Austausch mit anderen über die Herausforderungen der freien Arbeit, das hilft mir enorm, und natürlich auch meiner Gewerkschaft“,meint Aiquel, der natürlich auch die Schattenseiten des Berufs nicht unerwähnt lässt: „Kürzlich hatte ich die erste Erhöhung des Honorars in zehn Jahren.“
Beim „hinterlands magazine“ steht das Hinterland schon im Titel und ist daher Programm. „Wir kommen vom Land“, berichtete Freia Kuper, eine der Herausgeberinnen, „aber wir wollen Klischees aufbrechen. Thematisch geht es um viele Themen, vor allem Geschichten im Hintergrund“. Maike Suhr, eine andere Herausgeberin, will die Regionen nicht einseitig als Problemgebiete abstempeln. „Es geht auch darum, andere Geschichten über das Hinterland zu zeigen.“ Was sie sich vorstellen, haben die Herausgeberinnen in einem ausführlichen Manifest festgehalten, in englischer Sprache, denn das Magazin sieht das Hinterland als Thema nicht nur für Deutschland, sondern international. Das Magazin selbst erscheint derzeit einmal jährlich, mit unterschiedlichen Akzentsetzungen, die auch durch die Farbgebung des jeweiligen Magazins betont werden. Gegründet werden konnte es durch Crowdfunding, jetzt läuft es über Abonnenten und Käufer, berichtete Maike Suhr. Zum nachhaltigen Geschäftsmodell ist es aber noch ein weiter Weg: derzeit betreiben die Herausgeberinnen das Blatt neben ihren eigentlichen Tätigkeiten in der Forschung an Universitäten. Suhr selbst sitzt dabei gerade an einer Studie, mit der eine Reihe von lokalen und regionalen Medien untersucht werden.
„Regionaljournalismus in Frankreich, das hinterlands magazine in Deutschland, diese Beispiele zeigen uns, dass wir mit dem Thema Hinterland eine Menge wichtiger Fragen ansprechen können“, betonte in der weiteren Diskussion Anne Webert, freie Journalistin und beim DJV selbst im Vorstand aktiv. „Wir wollen das in den nächsten Monaten weiter diskutieren, unter anderem auch und gerade in den Regionen selbst. Schon im Mai werden wir uns in Bautzen treffen, und Ende Juni in Greifswald!“. In der anschließenden Diskussion meldeten sich zahlreiche Teilnehmende zu Wort. Björn Braun vom Lokalportal „lokalstimme.de“ berichtete über die Probleme, die auch durch die Pandemie auf die Lokalportale zugekommen sind, wenn es darum geht, Anzeigenkunden zu halten. Frank Sonnenberg, freier Fotojournalist und aktiv im Bergischen Journalistenverband im DJV Nordrhein-Westfalen berichtete, welche Herausforderungen es lokal gibt, wenn es kaum noch Medien gibt, die das Bergische Land abdecken.
Medien machen im Lokalen – der Journalismus erfindet sich neu
Ostfriese an der Grenze: Claus Arne Hock von der Ostfriesenzeitung. Foto: Bernd Seydel
Was macht ein Ostfriese an der polnisch-ukrainischen Grenze? Was sich nach einem Ostfriesenwitz anhört, ist in Wirklichkeit ein Zeichen von neuen Richtungsentscheidungen in Lokalmedien. „Wir wollen weg vom Terminjournalismus, hin zu Hintergrundgeschichten“, meint Claus Arne Hock, Redakteur bei der Ostfriesen-Zeitung in Leer. „Aktuelles gibt es auch kostenlos überall im Internet, aber gut recherchierte Geschichten nur in der Zeitung“. Aufhänger für die Arbeit fern der Heimat und nah am Konflikt waren die Hilfstransporte aus Ostfriesland in die Ukraine. Der Reporter schlug dem Chefredakteur vor, einen Transport journalistisch zu begleiten – und erhielt tatsächlich die Genehmigung. Mit dem gemieteten Wohnmobil und einer Kollegin ging es dann auf die Reise. An der Grenze, in den Flüchtlingslagern lief die Recherche mit Interviews, Fotos, Videos. Fünf Tage lang. Nicht nur mit den ostfriesischen Helfern, sondern allen Akteuren vor Ort: Flüchtlingen, Helfern, Offiziellen.
Neue Wege im Lokalen waren das Thema auf einer DJV-Tagung im Rahmen der Konferenzserie „Journalismus im Hinterland“, auf der vom 31. Mai bis 1. Juni Journalistinnen und Journalisten im ostsächsischen Bautzen voneinander lernten und diskutierten.
Axel Arit von der Sorbischen Zeitung schildert die Herausforderungen für die Zeitung, die auf Sorbisch erscheint. Foto: Bernd Seydel
Vor besonderen Herausforderungen stehen dabei Axel Arit und sein Zeitungsteam. Als stellvertretender Chefredakteur einer besonders kleinen Regionalzeitung kämpft er täglich um die Aufmerksamkeit der Lesenden und muss sich ständig Sorgen um die künftige Finanzierung und damit auch die Personalausstattung machen. Er steht mit an der Spitze der „Serbske Noviny“, einer Tageszeitung, die in sorbischer Sprache erscheint. Die Sorben sind eine der drei offiziell anerkannten nationalen Minderheiten in Deutschland. Seit der Völkerwanderung im 6. Jahrhundert im Osten Europas von der Ostsee bis nach Kroatien siedelnd, sind sie nach der Eroberung der nördlichen Gebiete durch ostfränkische und später deutsche Heere vor über 1.000 Jahren sukzessive entrechtet, vertrieben oder kulturell marginalisiert worden. Heute gibt es zwischen 30.000 – 60.000 Personen, die der Volksgruppe zugerechnet werden. Die Sprache ist slawischen Ursprungs, und in dieser Sprache erscheint auch die Zeitung.
Axel Arit mit einem Exemplar der Sorbischen Zeitung. Foto: Bernd Seydel
Nicht nur die Abwanderung von Menschen in die Metropolen und die demographische Entwicklung stellen die Zeitung hier vor Probleme, sondern auch noch der tägliche Kampf um die Bedeutung der eigenen Kultur und auch um Finanzmittel, schilderte Axel Arit. Der detailkundige Journalist und Kenner der sorbischen Geschichte kann lebhaft erzählen, wie sehr das Schicksal der Region durch Politik und Finanzen geprägt ist. Seine Zeitung wird von der Stiftung für das sorbischen Volk gefördert, aber dennoch bleiben die Mittel knapp. „Wir suchen dringend neues Personal, aber gleichzeitig sind die Vergütungen, die das Medienhaus bieten kann, zu knapp besessen. Fällige Lohnerhöhungen sollten nicht gegen Einstellungen ausgespielt werden“, meint Arit kritisch.
„Es ist nicht Aufgabe der Politik, Medien direkt zu fördern“, meint Erik Kurzweil von der Sächsischen Staatsregierung. Foto: Bernd Seydel
„Es ist nicht Aufgabe der Politik, Medien direkt zu fördern“, meint Erik Kurzweil von der Sächsischen Staatsregierung angesichts wirtschaftlicher Probleme kleiner regionaler Verlage. „Es ist Aufgabe der Privatwirtschaft, ihre Betriebe zu entwickeln.“ In den Notsituationen wie Corona habe der Freistaat freilich versucht, Unternehmen und Freiberuflern zu helfen. Der Abteilungsleiter in der Sächsischen Staatskanzlei, der unter anderem für Medienpolitik zuständig ist, kann sich allenfalls vorstellen, dass Kurse gefördert werden könnten für junge Menschen, die sich zum Journalismus hingezogen fühlen: „Für die könnte man schon Kurse organisieren, das könnte der Freistaat auch fördern.“
Auch für 13jährige geeignet – Sorbische Zeitung sucht Hilfe bei der Zustellung: Aushang in der Stadt. Foto: Hirschler
Außerdem lässt er erkennen, dass über Maßnahmen nachgedacht werden könnte, die Zeitungsverlagen bei den hohen Kosten der Zustellung helfen könnten. Denn es gebe viele Ältere, die nicht einfach auf das Internet umschalten würden, die auf die Zeitung angewiesen seien. Was den öffentlich-rechtlichen Rundfunk angehe, habe die Regierung schon viel geleistet: „Über die Verwaltungsräte des MDR ermöglichen wir, dass viele sorbische Formate umgesetzt werden können. Wir haben uns deswegen dafür eingesetzt, dass ein Vertreter der Domowina im Verwaltungsrat sitzt.“ Die Domowina ist ein Dachverband sorbischer Vereine.
Teilnehmerin Michael Scott formulierte Kritik an Zustellungsförderung. Foto: Jürgen Männel
Erstaunlicherweise erntete Kurzweil mit der Idee einer Hilfe bei der Zustellung von Zeitungen „aus Papier“ von einigen Teilnehmenden auch Kritik. „Die Zukunft liegt Online, da sollte geholfen werden, Zeitungen aus Papier, die sind in einigen Jahren weg. Das Fernsehen hat die Zeitung nicht ersetzt, weil beide lineare Formate haben, aber Online mit der ständigen Aktualisierung und Abrufbarkeit ist ein Gamechanger“, formulierte Teilnehmerin Michaela Scott kategorisch.
Will morgens eine gedruckte Zeitung: Fotograf Rolf Dvoracek plädiert für die Zeitungszustellung. Foto: Bernd Seydel
Eine Sichtweise, der sich andere Teilnehmer nicht anschließen wollten. „Ich möchte morgens meine Zeitung aus Papier, in der ich morgens den schnellen Überblick habe, wenn ich sie aufschlage“, meinte Rolf Dvoracek, der als Fotograf jahrzehntelang in Bautzen arbeitete, nun im Alter von 87 Jahren im Unruhestand sitzt und ganz selbstverständlich der gesamten Tagung folgte. Dvoracek warnte auch davor, das Lokale in der Berichterstattung weiter zu reduzieren: „Die Leute abonnieren die Zeitung wegen der lokalen Nachrichten. Wenn die Lokalredaktionen weg sind, werden 50 Prozent der Zeitungen vom Markt gefegt werden.“
Andreas Kirschke lebt von der Mehrfachverwertung im Lokalen. Foto: Bernd Seydel
Ohne staatliche Hilfen muss Andreas Kirschke zurechtkommen, der als freier Journalist vor allem für sorbische Tageszeitungen und christliche Wochenzeitungen tätig ist. „Im Lokalen geht es nur, wenn ich aus einem Termin mindestens zwei Beiträge machen kann. Außerdem suche ich nach Interviews und anderen Geschichten, die längerfristig bleiben. Nur von Tageszeitungen kann sich ein freier Redakteur nicht ernähren“, meinte Kirschke. „Ich betreibe Zweifach-Verwertung und Mehrfachverwertung. Einen Termin mache ich mindestens für zwei Kunden. Beispielsweise für Serbske Novine und dann noch für den MDR. Jetzt wohne ich in Görlitz. Wegen weiter Wege muss ich Termine verbinden. Dabei bin ich spezialisiert auf Orte, wo die Kollegen nicht hinkommen, diese Nische füll ich auf. Man muss auch Termine verbinden. Ein Thema für mehrere Zeitungen. So schreibe seit Jahren über das sorbische Osterreiten, das geht auch bundesweit.“
Matej Zieschwauck arbeitet an der Rundfunkanstalt im Sorbischen Programm. Foto: Bernd Seydel
Etwas einfacher hat es da Matej Zieschwauck. Er arbeitet in der sorbischen Redaktion des beitragfinanzierten Mitteldeutschen Rundfunks und kann ein breites Spektrum im Lokalen abbilden. „Wir machen einerseits das Programm für alle. Meine Eltern wollen eben auch Blasmusik hören, für die Jüngeren senden wir aber sorbischen Rap. Alle Gruppen müssen berücksichtigt werden.“ Um die Menschen im Lokalen zu erreichen, veranstaltet der Sender im Sommer auch Beach-Volleyball-Turniere. Da ist die Jugendredaktion von Juni – August auf den sorbischen Dörfern unterwegs, bei denen dann gerade auch junge Menschen zusammenkommen. „Und wenn die dann plötzlich untereinander auf Sorbisch sprechen, dann merken wir, wir haben etwas erreicht. Das macht dann Freude.“ Das vielfältige Angebot des Senders in Social Media wird abgerundet durch eine App des Sorbischen Programms. Kein Grund für Pessimismus also: Der Programmmacher vermittelt klar, dass Arbeit im Lokalen und für die Sorben Spaß machen kann.
Aus Sicherheitsgründen hier keine Namen von Journalistinnen, die auf der Tagung über ihre Probleme im Lokalen berichteten. Foto: Jürgen Männel
Lokale Arbeit bedeutet aber auch besondere Nähe zu Problemsituationen. „Durch Pegida-Demonstrationen und Corona-Zweifler werden wir regelmäßig persönlich angegriffen, nur weil wir unsere Berichterstattung betreiben. Man ruft unsere Namen auf Demonstrationen aus und spricht uns auch auf der Straße an mit dem nicht freundlich gemeinten Hinweis, dass man dem Gegenüber bekannt sei“. Zwei Journalistinnen aus der Region erzählten von diesen Herausforderungen und suchten gemeinsam mit den Teilnehmenden nach Lösungen. Manchmal versuchen sie zu zweit zu Demonstrationen zu gehen, manchmal halten sie sich in der Nähe der Polizei auf.
Auch in Ostfriesland werden Namen und Adressen journalistisch Berufstätiger auf Demonstrationen ausgerufen. Foto: Jürgen Männel
Solche Erfahrungen begrenzen sich aber längst nicht mehr auf den Osten Deutschlands. „Mich hat schockiert, dass seit Corona auch in Ostfriesland passiert, was man früher nur hier im Osten vermutet hätte“, meinte Claus Arne Hock von der Ostfriesen-Zeitung. „Das Ausrufen meines Namens auf Demos, die Verbreitung meiner Adresse im Internet, das sind Sachen, die man früher nicht im beschaulichen Ostfriesland vermutet hätte.“
Weggehen ist die wirksamste Form der Deeskalation, so Dr. Bernd Seydel. Foto: Jürgen Männel
Was ist mit Konflikttraining und anderen Maßnahmen? „Einen provozierten Konflikt auf Demonstrationen bestehen zu wollen, ist aussichtslos“, meinte Dr. Rolf Seydel, selbst ein erfahrener Fotojournalist. „Egal, was man vorher trainiert hat, der Körper und die Psyche verhindern wirksame Abwehrreaktionen in den meisten Fällen. Ich bitte Euch darum, geht einfach weg, wenn Leute Euch angehen. Weggehen ist die wirksamste Form der Deeskalation!“
Montagsdemonstration in Bautzen. Foto: Hirschler
Demonstrationen sind vor Ort nach Aussagen von Einheimischen kein Klischee, sondern ohne Zweifel ständige Realität. Einige Teilnehmende der Tagung waren bei der Anreise nach Bautzen dann auch passend direkt in eine „Montagsdemo“ hineingelaufen, in der Impfgegner und auch einige Anhänger der russischen Nation mit Fahnen demonstrierten und selbst Fahnen in Schwarz-Weiß-Rot hochgehalten wurden. Eigentlich war der Anspruch der Tagung gewesen, „Bautzen jenseits der Klischees“ zu erleben, und nun hatte man direkt im ersten Moment das Klischee vom rechtsextremen, rückständigen Osten direkt neben dem Bürgersteig an sich vorbeiziehen.
Hinter dem Klischee: Besuch an Orten lokaler Kulturarbeit: Fotos: Jürgen Männel
Zum Glück gab es zum Ausgleich dieses eindrücklichen Erlebnisses einen Workshop bei der Tagung, bei der die Teilnehmenden an vier Orten mit Menschen jenseits solcher Klischees zusammentreffen konnten. So wurde das Sozial- und Eventzentrum „Steinhaus“ besucht, das Sorbische Nationalensemble, ein Gründungszentrum und der Fotograf Rolf Dvoracek, der über seine Arbeit in der Stadt seit frühester DDR-Zeit berichtete.
Neue Netzwerke helfen im Lokalen: Jonathan Sachse vom gemeinnützigen „Correctiv.Lokal“. Foto: Jürgen Männel
Es kann auch einiges bewegt werden. Neue Netzwerke können im Lokalen helfen, indem sie Vorarbeit leisten und Ideengeber sind. Jonathan Sachse vom gemeinnützigen „Correctiv.Lokal“ zeigte, wie über Slack mit über 1.000 journalistisch Berufstätigen im Lokalen kommuniziert wird. „Correctiv.Lokal“ unternimmt dabei eigene, vorbereitende Recherchen und stellte diese den Lokalmedien zur Verfügung. Wenn das Thema dann von Dutzenden von Lokalmedien eigenständig fortentwickelt und vor Ort umgesetzt wird, bekommt es eine besondere Dynamik.
Will gar nicht als Hinterland gelten: Bautzen. Foto: Jürgen Männel
Im Lokalen kann noch viel passieren, wurde bei der Tagung deutlich, das „Hinterland“ lebt. Auch wenn ein Teilnehmer den Begriff „Hinterland“ als abwertende Bezeichnung wertete, die man besser in Zukunft nicht mehr verwenden sollte, sieht das nicht jeder so: „Ich werde jetzt immer mit dem Begriff Hinterland twittern“, meinte jedenfalls Claus Arne Hock, der Lokaljournalist aus Leer, der an die ukrainsche Grenze und jetzt auch nach Bautzen gefahren ist.
Im nordöstlichsten Teil der Bundesrepublik, inmitten von wirtschaftlich verödeten Landschaften, gründet ein Verlag Medien, als sei der Journalismus erst gestern erfunden worden. Die Rede ist vom Katapult-Verlag in Greifswald, der inzwischen nicht nur eine bundesweite Zeitschrift, sondern auch noch eine regionale Onlinezeitung mit monatlicher Druckausgabe herausgibt und nun sogar ein Journalismuszentrum aufbaut.
Journalismus im Rohbbau. Foto: Hirschler
Katapult baut – Journalismus im Aufbruch: das konnten die Teilnehmenden der DJV-Konferenz „Medienwüste?! – Wie Journalismus im Hinterland gelingen kann“ am 27. Juni in Greifswald live miterleben. Noch strahlt das Verlagshaus und künftige Journalismuszentrum den Charme eines Rohbaus aus, denn die ehemalige Salvador-Allende-Schule ist noch eingerüstet und selbst die Eingangstreppe wirkt eher wie ein Schutthaufen im alten Rom. Doch hinter den Gerüsten versteckt sich im ersten Stock bereits eine funktionierende Büroetage mit funktionierendem Tagungsraum, zeigte sich schnell. Die DJV-Konferenz war dessen unbeabsichtigte Einweihung, denn bis dato war noch niemand auf die Idee gekommen, hier zu tagen.
Verlagsmitgründer erklärt die Strategie. Foto: Margit Wild
„Wir haben unsere Projekte immer nach und nach entwickelt, so dass wir viel improvisieren“, betonte Verlagsmitgründer Bejamin Fredrich von Katapult. „Wir sind als Studenten gestartet, die nicht eingesehen haben, warum sie aus Greifswald weggehen sollten, jetzt haben wir über 30 Mitarbeitende.“ Alles ist in Bewegung, das gilt auch für die neue Onlinezeitung, die gerade wieder Jobs ausschreibt. Kern des Geschäftsmodells, das auf Online, aber auch Print setzt, sind soziale Medien, über die der Verlag Unterstützende gewinnt, die dann ein Abonnement abschließen.
Amerika, du bist schon eine Medien-Wüste: Professor Beck (Uni Greifswald). Fotos: Margit Wild
Dabei haben es Medien generell nicht einfach, unterstrich Professor Klaus Beck von der Universität Greifswald in einer Präsentation. „Nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch in den USA haben wir einen Rückgang der Zeitungsauflagen um rund 40 Prozent“, unterstrich er. Die Gefahren aus dieser Entwicklung zeigte der Wissenschaftler sehr anschaulich: wo es keine Zeitungen mehr gibt, kommt es zu mehr Korruptionsfällen in der Verwaltung, öffentliche Mittel werden verschwendet, die Infrastruktur leidet. „Onlineformate und örtliche TV-Sender können das Defizit, das durch den Wegfall von Zeitungen auftritt, nicht ausgleichen“, warnte Beck. „Ein lokaler Radiosender in den USA kann im Regelfall von einer einzigen Person betrieben werden, das könnte ein Bachelor-Student der Uni Greifswald locker machen.“ Einfache Lösungen konnte der Professor nicht bieten. Zwar gebe es Ansätze zu gemeinnützigem Journalismus mit Förderung durch Sponsoren und andere, aber auch das schaffe Abhängigkeiten.
Matthias Baerens setzt auf langfristige Projekte. Foto: Margit Wild
Auf langfristige Projekte setzt der freie Journalist Matthias Baerens, um in der Medienwüste ein Auskommen zu finden. So sitzt er an einem Buchprojekt zu einem Flugzeugabsturz in der damaligen DDR. Über Internet findet er Kontakt zu Angehörigenfamilien oder Offiziellen der DDR, der wertvolle Hinweise liefern. Die aktuelle Berichterstattung für Zeitung sei wirtschaftlich nicht interessant, so Baerens, der in der Bürgerbewegung der DDR aktiv war und nach der Wende unter anderem im Rundfunk Arbeit fand.
Viel zu sehn in Meck-Pomm: Manuela Heberer und Georg Hund. Fotos: Margit Wild
Mit einer eigenen Zeitschrift über Orte und Menschen in Mecklenburg-Vorpommern versuchen Manuela Heberer und Georg Hundt ihre eigene Nische im Mediensystem aufzubauen. Das „Viel-Sehn-Magazin“ wartet mit ungewöhnlichen Geschichten und anspruchsvollen Fotos auf. Es ist bundesweit an Kiosken und im Abonnement erhältlich. Doch der Weg zum wirtschaftlichen Geschäftsmodell ist steinig. Bislang wurde die Gründung auch mit Mitteln eines europäischen Förderfonds unterstützt, doch diese läuft aus. Die Gewinne, die das Projekt schreibt, sind noch übersichtlich, so dass es derzeit noch ein zeitaufwändiger Nebenerwerb bleibt.
Mena Stavesand vermittelt Trends im Journalismus. Foto: Margit Wild
Freie können auch eigene Onlinemedien gründen, zeigte die freie Journalistin Mena Stavesand. In der Onlinezeitschrift „White Lab“ beschäftigt sie sich mit Fragen der digitalen Welt und Trends im Journalismus, die sie verständlich vermitteln will. Auch hier ist das Projekt noch auf dem Entwicklungspfad und eine durchschlagende Wirtschaftlichkeit noch nicht erreicht worden.
Engagierte Diskussion „unter drei“ über den Umgang mit Medien und Nordstream. Foto: Margit Wild
Für den Journalismus ist es in der Medienwüste schwierig, gerade wenn es um Informationen geht, die für die Berichterstattung benötigt werden. Die Geheimhaltung von Vorgängen ist mitunter sogar Basis des Geschäftsmodells: die Klimastiftung des Landes wurde nur gegründet, um Sanktionen zu umgehen und die Fertigstellung der Gaspipeline „Nordstream 2“ zu erreichen. Bei Anfragen von Medien verweigert die Stiftung weiterhin die Auskunft und meint, einer gesetzlichen Auskunfts- und Informationspflicht nicht zu unterliegen. In einer Diskussionsrunde mit Landespolitikern und dem Datenschutz im Bundesland zeigte sich, dass in dieser Frage Bewegung möglich ist. „Stiftungen, die unter Einfluss eines Bundeslandes gegründet wurden, unterliegen Auskunftspflichten“, betonte die Mitarbeiterin des Landesdatenschutzes und wies auf kommende Rundschreiben der Behörden hin. Philipp da Cunha von der SPD machte deutlich, dass über Reformen von Landespressegesetz und anderen Informationsrechten nachgedacht werden könne. Der Vorgang Klimastiftung habe jedoch Sondercharakter gehabt. Hannes Damm von den Grünen setzte sich demgegenüber vehement für erweiterte Transparenzrechte ein und kritisierte, dass seine Partei es als Opposition ganz wie Journalisten schwer habe, an Informationen zu kommen. „Bei den Mehrheitsverhältnissen im Untersuchungsausschuss werden unsere Fragen formell abgebügelt“, meinte er. Vorwürfe, die der SPD-Politiker da Cunha nicht stehen lassen wollte. Moderatorin Michaela Skott unterbrach die Debatte aber schnell. Es gehe hier nicht um die Klärung solcher parlamentarischer Auseinandersetzungen, sondern darum, dass die journalistisch Arbeitenden an Informationen kommen. „Denkt doch mal daran, dass Ihr Politiker uns Journalisten die Informationen geben müsst, das ist unsere Aufgabe. Macht nicht, wenn wir eine Anfrage haben, aus dem Thema gleich eine eigene Pressemitteilung, sondern gebt uns die Antwort, und wir veröffentlichen sie dann. Das ist der Deal, so sollte es sein“, appellierte Konferenzteilnehmer Rainer Sobiech an die beiden anwesenden Politiker.
Das ist der Deal: Rainer Sobiech appelliert an die Politik in Meck-Pomm. Foto: Margit Wild
Die Medienwüste lebt, jedenfalls gibt es einige Oasen und viele Themen: das blieb bei vielen Teilnehmenden übrig. Wer das übrigens feiern will, kann vom 21. – 24. Juli 2022 zum Festival des Katapult-Verlags nach Greifswald kommen. Von Hüpfburgen für Kinder bis zur Mitternachtslesung des Verlagsmitbegründers und Buchautors Benjamin Fredrich ist alles dabei.
Michael Hirschler
Weitere Berichte von der Tagung „Medienwüste?! Wie Journalismus im Hinterland gelingen kann – eine Tages-Safari“.
9:15 Uhr Begrüßung am Wasserloch mit den Tourguides vom #DJV4Freie des Tages
Von „Einheimischen“ lernen (Keynotes)
9.30 – 10.00 Wege aus der Medienwüste Keynote 1: Prof. Dr. Klaus Beck, Universität Greifswald, Lehrstuhlinhaber Lehrstuhl Kommunikationswissenschaft Medienwüste, was ist das eigentlich? Welche Lösngsansätze gibt es? Moderation: Michaela Skott und Anne Webert
10.05 – 10.35 Nischen finden Keynote 2: Matthias Baerens, freier Journalist aus Mecklenburg-Vorpommern Wie kannst du „deinen Platz“ finden? Welche Möglichkeiten zur Verwertung gibt es? Ein Praxisbericht. Moderation: Michaela Skott
10.40 – 11.00 Feedback-Runde aus den Keynotes
11.00 – 11.15 kleine Pause
11.15 – 12.00 Oase?! Katapult M-V stellt sich vor (anschließend Fragerunde)
12.00 – 12.45 Mittagspause
12.45 – 14.00 Wüstenhimmel – Streiflichter: Kreative Modelle – Freie Kolleg*innen stellen ihre Projekte vor
1. Streiflicht: Viel-Sehn-Magazin mit Manuela Heberer und Georg Hundt Das Magazin für Menschen, Kultur und Lebensart in der Mecklenburgischen Seenplatte www.vielsehn.de
2. Streiflicht: White-Lab mit Mena Stavesand Blick in die Zukunft, Transformationsprozesse in den Medien und digitaler Journalismus https://white-lab.de/
14.00 Fata Morgana?! Transparenz im #Hinterland Über die Tücken der Recherche, Auskunftsrechte und -pflichten, über eine schweigsame Landesregierung und wie es ist, dort zu recherchieren, wo andere Urlaub machen und die Initiative für Auskunftsansprüche von Journalist*innen des DJV Philipp da Cunha (MdL/SPD MV), Hannes Damm (MdL/Die Grünen), Lydia Kämpfe (Referatsleiterin/Justiziarin Datenschutz und Informationsfreiheit beim Landesbeauftragten für Datenschutz) und Susanne Wolters (Fachreferentin Datenschutz und Informationsfreiheit), Vertreter*innen des DJV, DJV MV
Abschließend offener Austausch
16.00 Ende
Tagungsort: Verlagshaus der Katapult Redaktion, Wilhelm-Holtz-Straße 9, 17489 Greifswald
Hinterland-Reihe des Bundesfachausschuss Freie in Konstanz
Rege Teilnahme zum Thema Grenzgänger in Konstanz. Foto: Jens Brehl
Nicht nur über Menschen berichten, sondern mit ihnen arbeiten – dies ist das Credo von partizipativem Journalismus. Dieser stand bei der dritten Auflage der „Hinterland“-Reihe des Bundesfachausschusses Freie in Konstanz im Mittelpunkt. Genau 30 Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Lichtenstein trafen sich hierzu am 2. Dezember am Bodensee. Das Motto: „Hinterland – Journalistische Grenzgänger im Dreiländereck“.
Das Stadtmagazin Karla stellt sich vor. Foto: Jens Brehl
Partizipativen Journalismus hat sich das Online-Stadtmargazin für Konstanz mit Namen „Karla“ auf die Fahnen geschrieben. Dessen Gründer hatten sich vor zwei Jahren zusammengefunden, doch erst seit Ende November ist „Karla“ online. Die Macherinnen und Macher verstehen sich neben dem Platzhirsch „Südkurier“ als ergänzendes Angebot.
Karla ermittelt in Arbeitsgruppen. Foto: Jens Brehl
„Karla entdecken“ hieß es dann auch am „Hinterland“-Vormittag. In mehreren Arbeitsgruppen und kleinen Workshops näherten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dem Thema an: Ist partizipativer Journalismus ein Gewinn für die Stadtgesellschaft und Demokratie, ja oder nein?
Im praktischen Teil entwickelten die Kolleginnen und Kollegen unterschiedliche Formate zum klassischen Thema Kommunaler Haushalt. Heraus kamen ein Erklärpodcast, ein Format nicht für Öffentlichkeit und eines, an dem sich die breite Öffentlichkeit beteiligen können. Und: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten an eine große Wand pinnen, was sie überrascht hat, was sie gelernt haben und was sie in der Zukunft umsetzen möchten. Die Ergebnisse konnten sich sehen lassen.
Tsüri im Fokus. Foto: Jens Brehl
Gegen den Strom: Seemoz. Foto: Jens Brehl
Unabhängig im Äther: Radio Proton. Foto: Jens Brehl
Kontext für Stuttgart: Oliver Stenzel. Foto: Jens Brehl
Am Nachmittag stellten sich mehrere journalistische Projekte vor: „Schaufenster: Tsüri“ aus Zürich, „Seemoz“ aus Konstanz, das freie Radio „Proton“ aus Dornbirn in Österreich und die Wochenzeitung „Kontext“ aus Stuttgart. Es sind allesamt kreative Medienprojekte, die eine wertvolle Alternative zu den etablierten Zeitungen, Onlinemagazinen und Hörfunkanstalten sein möchten – wenn auch die Finanzierung nicht einfach ist. Daraus machten die Macherinnen und Macher keinen Hehl.
Beschlossen wurde der Tag mit einer kleinen Diskussionsrunde über gemeinnützigen Journalismus und genossenschaftliche Gesellschaften. Fazit: Bis dorthin, ist es noch ein weiter Weg. Zwar gibt es die Absichtserklärung im Berliner Koalitionsvertrag, doch Konkretes ist noch nicht bekannt. Ulf Buschmann
PROGRAMM
Donnerstag, 1. Dezember 2022
19.00 h Treffen auf dem Weihnachtsmarkt Konstanz zum Glühwein
9.45 – 12.00 hKARLA entdecken u.a. mit den geschäftsführenden Gesellschafter:innen Anna Kulp und Nik Volz
karlamacht Online-Lokaljournalismus für Konstanz. Die Redaktion arbeitet multimedial, ergänzt wird das journalistische Angebot durch partizipative Formate und ein Medienbildungsprogramm. Bei der DJV-Veranstaltung erfahrt ihr, wie es nach dem erfolgreichen Crowdfunding im Mai jetzt weitergeht. Steckbrief karla
Wahlpanel I: Partizipativer Journalismus bei karla Möglichkeiten des partizipativen Journalismus entdecken und in einer Mini-Werkstatt ausprobieren.
Wahlpanel II: Die mulitmediale karla Redaktion Den multimedialen Ansatz entdecken und in einer Mini-Werkstatt ausprobieren.
Im Anschluss: Zusammentragen der Ergebnisse aus Wahlpanel I + II
12:00 – 12.45 h Mittagspause
12:45 – 13:05 h Schaufenster: Tsri.ch, Zürich mit Simon Jacoby (Chefredaktor und Verleger) Tsüri wurde 2015 in Zürich von Studierenden als interaktives Journalismus-Projekt für junge Leute gegründet. Das Community-Magazin hat derzeit 1600 Member. Steckbrief Tsüri
13:05 – 13:25 h Schaufenster: Seemoz, Konstanz mit Holger Reile (Chefredakteur) und Harald Borges. Seemoz.de ist ein seit 2007 existierendes regionales Online-Magazin. Eine kleine Gruppe JournalistInnen und Fachleuten begleitet engagiert und konstruktiv das Geschehen im Bodenseeraum. Herausgegeben wird seemoz.de durch den gemeinnützigen Verein Seemoz e.V. Wichtig ist den Machern, dass das Magazin allen offen steht und zur Demokratisierung der Medienlandschaft und der Gesellschaft beitragen soll. Steckbrief seemoz
13:25 – 13.45 h Schaufenster: Proton – das freie Radio, Dornbirn/Österreich mit Rainer Roppele (Mitbegründer und Moderator) Radio Proton gehört zu den nichtkommerziellen Freien Radios in Österreich und sendet seit 1999 aus Dornbirn (Vorarlberg). Das laufende Programm gestalten ehrenamtliche Mitarbeiter. Der Sender sieht seine Wurzeln in einer Szene freier Printmedien der 70er Jahre. Steckbrief Radio Proton
13.45 – 14.05 h Schaufernster: Kontext – Wochenzeitung aus Stuttgart mit Oliver Stenzel (Redakteur) Kontext ist eine werbefreie und unabhängige Zeitung aus Stuttgart, die seit elf Jahren durch Spenden getragen wird. Immer mittwochs ab 00:00 Uhr online, immer samstags als Print-Beilage der bundesweit verbreiteten taz.am Wochenende. Lange Texte, ein zweiter Gedanke, Recherche, Einordnen, Zusammenhängendes in den Kontext stellen – dafür steht die unabhängige Redaktion und der Verein für ganzheitlichen Journalismus.
– 15 Minuten Pause –
14:20 – 15:30 h Formen von Finanzierungen im Hinterland – Crowdfunding, Fördermittel, Abo und Co? Formen von Finanzierung für Journalismus im Hinterland u. a. mit dem Forum gemeinnütziger Journalismus e. V. / Offener Austausch u. a. mit Anne Webert
Für die Finanzierung der Veranstaltungsreihe erhält der DJV eine Kofinanzierung der Europäischen Union. Die Mittelvergabe erfolgte durch Vermittlung und nach Prüfung durch die Europäische Journalisten- Föderation (EJF) mit Sitz in Brüssel.
„Das Geschlecht eines Menschen bestimmt seine Möglichkeiten. Immer noch. Egal, ob im Privatleben oder im Beruf. In der Arbeitswelt stoßen Frauen bei der Karriere an der „gläsernen Decke“ auf ihre Grenzen. Sie jonglieren mit den Herausforderungen, die Haushalt, Familie und Arbeit mit sich bringen. Auch bei der Entlohnung der Arbeit gibt es immer noch Differenzen – auch wenn es sich um den gleichen Beruf, den gleichen Arbeitgeber handelt. Die Liste der Diskriminierung ist lang und wird von Gewalt gegen Frauen gekrönt. Auf all diese Aspekte machte am Internationalen Frauentag Anfang März 2023 auch der DJV-Bundesfachausschuss Freie (BFA Freie) aufmerksam.“
Ein Bericht von Hanna Maiterth im Magazin Blickpunkt, das online hier abrufbar ist (PDF, dort Seite 8f)
Es ist auf Niederländisch, aber beispielsweise Google übersetzt es ganz gut: https://persveilig.nl/ Die gehen so weit, dass journalistisch Berufstätige kostenlos Personenschutz erhalten und Onlinestraftäter, die ausfindig gemacht wurden, mit Hausbesuchen durch die Polizei rechnen müssen.
Am 20. März 2023 fand im Rahmen der Hinterland-Konferenzserie in Fulda und online die hybride Tagung statt: “ „Kollege KI – mein liebster Feind“ – Chancen und Risiken der KI für den freien Journalismus im Lokalen“.
Hier geht´s zu den Berichten über die Tagung (Fotos, Dokumente, Aufzeichnung) in einer Zusammenstellung von Dr. Bernd Seydel: Kollege KI (syfoto.de)
Hier findet sich auch die Aufzeichnung der Veranstaltung auf YouTube:
Mit der richtigen Technik journalistisch dran bleiben Am 2. März 2023 wurde vom DJV-Fachausschuss Online das Webinar „Digitale Tools“ durchgeführt, auf dem hilfreiche Tools für Freie (nicht nur) in den Regionen vorgestellt wurden.